DACSF2025_81

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Tryclos

Llymo schreckte aus einem der Alpträume auf, die ihn in den letzten Dezimen plagten. Je näher der Tag rückte, desto schlimmer wurden sie. Keine Nacht, in der er ihnen entkommen wäre. Kalmys weckte ihn mit seinen gnadenlosen Strahlen. Noch zwei Dezimen, dann wurde der Alptraum wahr, dazu musste Llymo nicht rechnen, das hatte er tief verinnerlicht. Wie alle Clo, die um die Zeit der Mehrung mit oder ohne Übergabe entstanden waren.

Kato, Llymos Brüter, hatte oft von dieser Geschichte erzählt, und Llymo hatte noch öfter nachgefragt. Er war neugierig, typisch für einen Clo. Man vermutete, das bewirkte ihre gesellschaftliche Aufgabe. Ihnen wurden die befruchteten Eier der Cla übergeben, wenn sie reif waren, zehn bis zwanzig Tage nach der Empfängnis. In der Bauchfalte der Clo löste sich die Eierschale auf, die Kinder schlüpften und dockten sich an einem der beiden Nippel an und wuchsen bis zur Geburt. Zu dem Zeitpunkt waren alle Tryclos durchgehend wölkchenrosa. Niemand hatte bisher herausgefunden, woran man die Zugehörigkeit zu einem der drei Geschlechter auf Tryclos in diesem Stadium des Heranwachsens erkennen konnte. Das änderte sich schlagartig am Tag nach der Vollendung des zweiten Zyklus. Die Cli wurden weiß, die Cla rot und die Clo blau. Ab da wusste man, zu welchem Geschlecht die Kinder gehörten. Bis zur Geschlechtsreife entwickelten die Cli das Pipettenorgan zur Weitergabe ihres Samens. Die Cla bekamen Eierstöcke und die Empfängnishöhle für die ersten Tage. Und bei den Clo entwickelte sich die Bauchfalte mir den beiden Nippeln für die Brut bis zur Geburt.

Die Übergabe der Eier war eine Zeremonie von großer Bedeutung und hoher Intimität. Alle Beteiligten waren nackt. Der Erzeuger-Cli hielt seine Hand unter die Empfängnishöhle der Cla. Das Ei ploppte heraus und wurde vorsichtig in die Bauchfalte des Brüter-Clo gelegt. Meistens war es nur ein Ei. In ganz seltenen Fällen waren es zwei. Die Natur hatte es so eingerichtet, dass die Clo nicht bei der Brut überfordert waren. In der Bauchfalte lösten Enzyme innerhalb von drei Tageskreisen die Schale und befreiten den Embryo, der schnell einen Nippel fand und sich festsaugte, bis er geboren wurde.

Die Tryclosischen Wissenschaftler waren sich einig, dass dieses Dreiersystem natürlich die beste aller Methoden der Fortpflanzung war. Bei einem Bevölkerungsanteil von etwas über einem Drittel bei den Cla und Cli und etwas weniger als einem Drittel bei den Clo lag das Nadelöhr immer bei diesen. Cli und Cla waren ständig fruchtbar und könnten die Bevölkerung allzu schnell ins Unendliche wachsen lassen. Es waren die Clo, die dieses Wachstum bremsten. Die Cla musste steuern, ob sie ein Ei übergeben würde. Sie musste sich einen Clo suchen, das war öfter eine Herausforderung und verlangte durchaus, dass Eier auch ohne Übergabe abgingen. Erst wenn eine Cla einen Brüter gefunden hatte, lud sie den Cli zur Übergabe. Bei der Auswahl waren die Cla meist sehr wählerisch. Man sagte, dass das Brutgeschäft den Charakter und die Eigenschaften des Kindes so sehr beeinflussten, dass der Brüter besonders wichtig war. Manches Clo bekam deshalb ein Leben lang kein Ei zu bebrüten. Andere waren ständig ausgebucht, aber zwischen zwei Bruten musste man drei Zyklen warten, und so gab es lange Wartelisten und ein regelrechtes Vermittlungsgeschäft für Spitzen-Brüter.

Das Brutgeschäft war anstrengend und dauerte. Nach dem Übergabe verbrachten die Embryonen dreißig Dezimen in der Bauchfalte. Nach der Geburt kümmerten sich die Brüter ganze zwei Zyklen um die Nachkommen, bis deren Geschlecht erkennbar wurde. Dann gingen die Cla und die Cli in die jeweiligen Viertel zurück und wurden entweder von den Gleichgeschlechtlichen erzogen oder – in modernen Gemeinschaften – gemischtgeschlechtlich. Es gab deshalb auch rote, weiße und rosafarbene Erziehungsanstalten. Die Clo-Kinder blieben bei ihren Brütern. Fünf Jahre nach dem Tag der Offenbarung des Geschlechts wurden sie selbständig. Das bedeutete, sie konnten alles, was man so zum Überleben brauchte. Danach ging die Große Schule los, die Ausbildung, Studium und das Erlernen eines Berufs umfasste. Die Lehranstalten wurden wieder gemischt, aber es fanden sich meistens Kinder derselben Hautfarbe in einer Lehranstalt. Körperlich anstrengende Arbeiten waren überwiegend von Cli besetzt, die Cla waren klassischerweise im technisch-industriellen und im verwaltenden Bereich tätig, die Clo kümmerten sich um Wissenschaft und Kultur.

Alles aber hatte sich ziemlich deutlich gewandelt, als die Mehrung stattfand. Rein aus Interesse hatte Llymo jede Quelle zu diesem Ereignis befragt, zu der er Kontakt fand. Alle Tryclosier wussten ein bisschen etwas über die Mehrung. Alle hatte eine Ahnung, dass vorher vieles anders war. Alle hatten eine Meinung dazu, aber keiner wusste genau, was sie bedeutete und was sie verändert hatte.

Natürlich befragte Llymo zuerst seinen eigenen Brüter. Kato wusste auch schon einiges, aber eben nicht genug. Die Bücher gaben nur schwammige Antworten. Es wurde mehr vermutet als gewusst. Selbst die Schulen und Universitäten schürten mehr Gerüchte, als dass sie klarstellen konnten. Am erschreckendsten aber fand Llymo, dass seine Zyklus-Genossen, die ebenfalls zur Zeit der Mehrung geboren wurden, unter denselben Gedanken litten, dieselben Alpträume hatten, sich dieselben Fragen stellten und ähnliche Vermutungen als Antwort fanden.

Zur Zeit der Mehrung, so fand Llymo bei den Astronomen, gab es ein sonderbares Phänomen am Himmel. Die Himmelsbeobachtung steckte damals noch in den Kinderschuhen. Es gab starke Teleskope, mit denen man schon einige Fortschritte gemacht hatte. Aber die waren nichts gegen die Ergebnisse der Anstrengungen, die man nach der Mehrung unternommen hatte. Damals war etwas erschienen, das man erst als Kometen betrachtet hatte. Es war auf Tryclos zugerast, und man hatte befürchtet, er könnte darauf einschlagen, den Planeten aus seiner Bahn werfen oder weite Teile desselben unbewohnbar zu machen. Das hatte ein kleinerer Einschlag bereits ein paar Millionen Zyklen davor schon getan.

Der Komet aber hatte alle überrascht. Er wurde mit einem Mal langsamer, bremste ab und blieb in einer Umlaufbahn stehen. Ein paar Dezimen behielt der seine Position inne. Dann ereignete sich die Mehrung, und kurz darauf verließ er die Umlaufbahn wieder und verschwand in den Tiefen des Alls. Die Astronomen überschlugen sich mit Theorien, was da passiert sein konnte. Man redete über die Anziehungskräfte von Tyclos und seinen drei Monden, die in einer besonderen Konstellation den Kometen von einem Einschlag abgehalten und am Ende gar für eine Abstoßung gesorgt hatten. Andere munkelten von Außertryclosischen mit unbekannten Absichten.

Da die Mehrung zumindest in einem temporalen Zusammenhang mit dem Phänomen zu sein schien, wurden auch die Kinder, die zu dieser Zeit entstanden, schief angesehen. Die Tryclos steckten ihre Fühler zusammen, die kleinen und die großen, und tauschten so die wildesten Gerüchte aus. Heimlich, mittels der Telepathie, die Dritte von der Kommunikation ausschloss und nicht weit verbreitet war. Aber sie diente ihrem Zweck, denn die während der Mehrung geborenen Clo hatten keine telepathischen Kräfte, was ach verwunderlich war.

Kato war ein Brüter, der seine Kinder besonders liebte. Er mochte es, sie und ihre Verwandten um sich zu versammeln und tat dies in regelmäßigen Abständen. Mindestens einmal im Zyklus, meistens im tryclosischen Sommer, rief er sie auf der Freifläche im Innenhof zusammen, und es kamen alle. Die Kinder, ihre Erzeuger, und wenn die Kinder auch Geschwister mit anderen Brütern hatten, dann auch diese. Es war regelmäßig ein buntes Treiben im Innenhof. Man saß zusammen an den Tischen, wanderte von einem Tisch zum anderen, aß und trank und unterhielt sich. Auch Llymo liebte diese Zusammenkünfte. Kurz vor dem Jahrestag der Mehrung aber war er besonders aufmerksam. Er saß neben Mara-Cla, seiner Zwillingsgeborenen, die sich gerade darauf vorbereitete, ihr erstes Kind zu empfangen. Ihr Auserwählter teilte ihre Gesellschaft und diskutierte besonders heftig mit. Tari-Cli war ein radikaler Verfechter der Absonderung. Er wollte alle Clo, die der Mehrung entsprangen, zusammenreiben und in unwirtliche Regionen der Planeten schicken und dorthin auf ewig verbannen.

„Eigentlich meinst Du doch: Verhungern lassen.“ Llymo schüttelte missbilligend den Kopf.

„Gut erkannt,“ nickte Tari.

„Sag mal, Du spinnst doch!“ echauffierte sich Mara. „Du weißt, dass Du Llymo-Clo damit zum Tode verurteilst. Meinen Bruder!“

„Ich kann nicht begreifen, dass Du so an dem hängst. War doch nur der Nachbar in der Bauchfalte Deines Brüters. Ihr stammt nicht einmal von denselben Eltern. Wie - das - üb - lich - ist.“ betonte Tari.

Mara schüttelte den Kopf. Sie war begreiflicherweise anderer Meinung.

Llymo aber schlug die Taktik ein, die er in der Universität gelernt hatte. „Ich begreife das ja gar nicht. Kannst Du mir sagen, warum Du mich umbringen willst? Dafür muss es Gründe geben.“

„Du gehörst eben dazu,“ nuschelte Tari und stopfte sich eine Lektüs-Knolle in den Mund.

„Wozu gehöre ich? Zu den Mehrungskindern? Was ist so schlimm daran?“ Llymo versuchte, nicht aus der Ruhe zu geraten. Solche Diskussionen regten ihn immer auf. Aber er wollte sie auch immer gewinnen.

In diesem Augenblick traten Maras Erzeuger und die Empfängerin an den Tisch. Khola-Cla, die Empfängerin beugte sich herunter und berühre mit ihren großen Fühlern die Fühler von Llymo, die intimste Begrüßung auf Tryclos.

„Die Nacht sei euch wohlgesonnen!“ grüßte ihr Begleiter in die Runde.

Tari hatte die Szene beobachtet und wandte sich an Khola-Cla. „Warum habt Ihr den Fühlergruß getauscht. Das da,“ er zeigte auf Llymo, „empfindet doch gar nichts dabei!“

Khola war irritiert. „Was meinst Du?“

„Ach, nichts, Khola,“ ließ sich Llymo vernehmen. „Tari-Cli will nur sagen, dass er Fühlergrüße bei Mehrungskindern für überflüssig hält, weil sie über die Fühler nichts empfingen können.“

„Weder senden, noch empfangen,“ stichelte Tari. „Das ist doch bekannt.“

Llabi-Cli grunzte verächtlich. „Ein Separierer!“ stellte er fest und wandte sich an Mara. „Ich wusste gar nicht, dass Du Dich mit dem Separierer zusammengetan hast. Ich dachte, Du magst Deinen Zwillingsbruder.“

„Tue ich auch. Tari und ich haben über dieses Thema noch nicht gesprochen. Da offenbaren sich Abgründe.“ Entsetzen sprach aus ihrer Stimme und ihren Augen und wurde von ihren Fühlern in die Runde geschickt.

„Aber es ist doch wahr. Diese Mehrungskinder blockierten auf Zyklen hinaus jede Nachkommenschaft,“ beharrte Tairi-Cli. „Und sie tun es bis heute. Die meisten haben sich geweigerte, auch über die üblichen sieben Jahre hinaus eine Übergabe zu vollziehen. Vor allem die, die zwei Mehrungskinder zu erziehen hatten. Das ist doch ein Wahnsinn!“

Llymo grinste. „Das ist der Lauf der Natur, nichts weiter.“

„Und was soll daran natürlich sein? Über Jahre hinweg keine produktiven Nachkommen. Über Jahre hinweg ein Überhang an Wissenschaftlern und Künstlern. Schaut nur unsere Städte an: Die Künstlerquartiere nehmen überhand, und die Produktion von Nahrung und Gebrauchsgegenständen stagniert.“

„Tut sie doch gar nicht.“ Mara schüttelte den Kopf. „Die Wissenschaft hat uns doch die notwendigen Produktionssteigerungen ermöglicht. Clo haben uns das ermöglicht.“

„Ja, weil sie die Macht übernommen haben. Allein wegen ihrer Anzahl. Die ist durch die Mehrung explodiert. Einen so hohen Anteil an der Bevölkerung hatten die Clo in der gesamten Geschichte noch nicht.“ Tari schaute herausfordernd in die Runde und sendete herausfordernde Signale.

„Ich weiß nicht,“ Llymo wiegte den Kopf. „Alle Mehrungskinder sind noch nicht erwachsen. Unsereins ist bestenfalls im Studium. Und da sollen wir die Macht haben? Das ist undekbar.“

Tari blickte ihn fest an. „Das stimmt doch gar nicht. Mit sowas wie euch sind Brüter schwanger gegangen, die niemals hätten brüten dürfen. Brüter sind vorzeitig schwanger geworden. Alle, wirklich alle Brüter hatten plötzlich Zwillinge, auch wenn sie niemals eine Zwillingsschwangerschaft durchgestanden hätten. Sie haben alle Kinder ausgetragen. Und sie haben nach einem Ausweg gesucht. Konzertiert. In Verschwörung gegen den Rest der Bevölkerung.“

„Also haben sie, aus der Not geboren, unglaubliches geleistet, das dem ganzen Volk von Tryclos zugutegekommen ist. Das zum Vorwurf zu machen, ist witzig. Dafür sollte man eigentlich eine Lobeshymne anstimmen, meinst Du nicht, Tari-Cli?“ Llymo lächelte und bedauerte in diesem Augenblick, dass seine Fühler nichts aussenden konnten. Er hätte gerne die andern zum Lachen gebracht.

Das allerdings schafften schon seine Worte.

Das Gelächter brachte so manchen Kopf dazu, sich neugierig zu drehen. Die Neugierigen kannten den Grund für dieses Lachen natürlich erst, aus den telepathischen Sendungen der Zuhörer, Und sie verspürten umso deutlicher Tari-Clos Ärger und Wut und wunderten sich darüber. Bei einem solchen Zusammentreffen derartige Gefühlte wahrzunehmen, war ungewöhnlich und ungebührlich gegenüber dem Gastgeber. Die Köpfe wandten sich Kato zu. Das packte eine beliebige Unterlage für Essbares und eine Karaffe mit Peningo-Saft und eilte dem Tisch mit seinen Kindern zu.

„Knusprig gebratene Tyffo-Blätter oder etwas zu trinken?“ unterbrach er die Diskussion, hatte damit aber keinen Erfolg.

Die Diskutanten schauten verwirrt auf und lehnten ab.

Mara fasste sich am schnellsten und informierten ihren Brüter: „Wir diskutieren gerade die Auswirkung der Mehrung auf Tryclos. Mein Tari-Cli hat sich gerade als Separierer entpuppt.“ Sie zog eine Grimasse und suchte mit einem Fühler den ihres künftigen Ko-Erzeugers, eine Geste der Unsicherheit und der vorsichtigen Annäherung.

Tari-Cli aber erwiderte nicht. „Es ist doch klar, dass diese Mehrung eigentlich eine Verweigerung der Clo war sich an der Fortpflanzung weiterhin zu beteiligen. Zugleich haben sie ihre Zahl so seht gesteigert, dass sie die Macht auf dem Planeten übernehmen könnten.“

„Ach, die alte Verschwörungstheorie!“ schnaubte Kato. „Dabei wird sich das doch in wenigen Dezinen ändern. Dann werden die Mehrlingskinder geschlechtsreif und können sich beteiligen. Das wird ein Spaß für die Cla und Cli. Sex, soviel ihr wollt und jede Menge Brüter, die sich kümmern könn“en! Das wird den Zuwachs der Mehrung noch übertreffen.“ Kato hielt Tari die Tyffo-Blätter auffordernd vors Gesicht und versperrte ihm mit der Unterlage den Mund. „Und in der Zwischenzeit hatten Cla und Cli doch genug Zeit, sich vorzubereiten, Häuser zu bauen, Geld zu sparen, ihre Hobbys zu pflegen, was immer wichtig sein könnte, wenn man keine Kinder erziehen muss. Die Clo hatten diese Zeit nicht. Die hatten sogar in der Regel Zwillinge, also eine Mehrbelastung.“

„Und das alles ist ein natürlicher Vorgang. Wie soll man da Verschwörungen entdecken?“ Llabi-Cli glaubte, Kato-Clo beistehen zu müssen.

„Und was ist mit denen, die ohne Übergabe Brüter geworden sind? Woher sind deren Kinder gekommen?“ Tari kannte das schlagende Argument der Separierer, das sie aber stets hinter vorgehaltener Hand und unter Zusammenstecken der eigenen Fühler sagten, damit niemand ihre Gedanken wahrnehmen konnte. „Verdächtig, nicht wahr?“

„Eine Laune der Natur,“ sagte Kato. „Woher sollen wir das wissen?“

Es gab natürlich Gerüchte. Der Komet sollte etwas damit zu tun gehabt haben. Als Ursache für Störungen in natürlichen Abläufen waren vorbeiziehende Kometen schon immer ein guter Grund gewesen.

Aber Tari kannte auch darauf die Antwort: „So? Eine Laune der Natur? Oder ein erfolgreicher Versuch der Clo, die einzige Gruppe in der Bevölkerung zu werden, der sich vermehren kann? Vielleicht eine biologische Waffe?“

Llymo stöhnte: „Ihr Separierer habt so viele Fragen und niemals eine beweisbare Antwort. Das ist ermüdend.“

„Weil ihr die Antworten zwar kennt, aber verweigert.“ Taris Argumentation verfolgte die typischen Muster. Er war gut geschult, das konnte man nicht leugnen.

Mara griff nun ein. „Das ist ein Behauptung, nichts weiter. Wieso sollen die Clo Antworten auf die , die Fragen von Separiererm haben? Schon die Behauptung, sie hätten sie und würden sie verbergen, ist doch pervers. Das beinhaltet die Klage schon das Urteil.“

„Weil sie eine unbewiesene und nicht beweisbare Behauptung als Gegebenheit voraussetzt. Da braucht man gar nicht anfangen, sich zu verteidigen, weil auch das unmöglich gemacht wird. Es ist eine Glaubensfrage, mehr nicht. Du glaubst, die Clo wüssten Bescheid, und die Clo wissen eigentlich nicht, worüber. Da gewinnt nur, wer die Macht hat.“ Llymo verzog das Gesicht. Er war sich des Dilemmas seit langem bewusst.

Aber Mara sprang ihm wieder bei: „Also, mir graut vor solchen Gedanken. Die sind widerlich. Sie führen immer zu einem Ergebnis: Man hat sich selbst einen Grund gegeben, einen anderen zu ermorden. Das hatten wir schon ein paarmal in unserer Geschichte...“

Tari unterbrach den einsetzenden Redefluss. „Du brauchst die große Sortierung und die Auslöschung nicht zu erwähnen, oder die Dezimierung. Alles vorbei und vergessen.“

„Vorbei ja, vergessen nicht,“ sagte Kato.

Khola nickte. „Vergessen auf keinen Fall. Wir wollen es niemals wiederholen.“

Mara stimmte ihrer Empfängerin zu. „Solche Tragödien dürfen nie wieder passieren.

Tari schaute die beiden Cla an, die übereinstimmend ihre Abscheu sendeten. „Ach, dieses ‚nie wieder!‘ geht einem auf den Geist. Waschlappengewäsch von Leuten, die einfach nicht wagen, Notwendigkeiten anzuerkennen, um Schaden von uns Tryclos zu werden.“

Kato lachte sarkastisch. „Jetzt kommt das Argument dass man die Clo eigentlich nicht brauchte. Wir sind ja nicht unbedingt natürlichen Ursprungs. Viele Tiere kommen mit zwei Geschlechtern aus. Die könnte man sich zum Vorbild nehmen. Vielleicht auch die geschlechtslose Fortpflanzung der Amöben. Wäre auch schick. In der Natur gibt es so viele Varianten. Es gibt Fische, die brauchen vier Geschlechter.“

Tari war genervt. „Mundhöhlenbrüter, ich weiß. Bei denen spendet eine Varietät Samen, eine Eier, eine nimmt die Eigen zum Brüten in den Mund, und eine schwimmt durch die Kiemen des Brüters ein und aus und versorgt diesen und die Brut mit Nahrung. Alles bekannt.“

„Und daraus zieht ihr Separierer keine Konsequenzen?“ Mara war offensichtlich entsetzt. „Wie kann man nur so ignorant sein. Tari-Cli, das hätte ich nicht von Dir gedacht. Wie gut, das wir dieses Gespräch jetzt führen, noch bevor ich fruchtbar werde.“

Tari begriff. „Verstehe ich das richtig? Du zweifelst an unserer Verbindung?“

Mara schüttelte den Kopf. „Ich zweifle nicht. Ich löse sie hiermit. Gerade noch rechtzeitig.“

Tari grinste. „Na, dann muss ich mir eben eine andere Empfängerin suchen. Ich gehe dann mal. Schönes Fest euch allen noch. Feiert, solange ich nicht feiern könnt.“ Dann stand er auf und ging.

Die anderen schauten Tari-Cli mit gemischten Gefühlen lange nach.

„Tut mir leid, Dir das Fest kaputtgemacht zu haben. Brüter!“ Maras klang zerknirscht. Aber Kato legte seinen großen Fühler an die ihren und signalisierte Vergebung.

„Es gibt nichts zu bedauern.“ versicherte Kato. .“Das war für alle wichtig, aber am wichtigsten wohl für Dich. Du hättest womöglich den größten Fehler Deines gerade beginnenden Lebens gemacht.“

„Genau. Vor dem dürftest Du bewahrt worden sein,“ stimmte Khola-Cla zu. „Es ist wichtig, wen eine Cla sich als Erzeuger der Kinder wählt. Das Genom eines Samens hat eine nicht zu unterschärztende Bedeutung.“

„Und ein Charakter weist deutlich auf des Genom hin,“ ergänzte Llabi-Cli.

Kato wedelte deutlich mit den kleinen Fühlern, die die Umweltbedingungen testeten. Die Temperatur sank rapide, die Luft wurde feuchter, und die Nacht war längst herangebrochen.

„Ich glaube, nach einer solchen Diskussion sollten wir uns alle zur Ruhe begeben. Wir haben noch genug nachzudenken.“

Mit diesen Worten beendete Kato das Zusammentreffen, was auf allgemeine Zustimmung traf.

Nachdem sie noch aufgeräumt hatten, setzten Kato und Llymo sich zu einem Glas zusammen.

„Ich hätte Dir ein schöneres Fest gewünscht. So kurz vor der Reife,“ sagte Kato.

„Und ich Dir,“ flüsterte Llymo. „Ich habe ja gewusst, dass es solche Leute gibt. Ich habe mich auf derartige Diskussionen vorbereitet. Aber ich habe noch keine führen müssen.“

Sie saßen lange im Hof unter den Sternen und schwiegen.

Mit einem Mal stellte Llymo seinem Brüter eine der Fragen, die ihn in den letzten Tagen immer mehr bedrängten. „Kato, ich fühle keine Nippel in meine Bauchfalte. Nicht einmal den Ansatz. Ist das normal?“

„Kommt schon vor. Die werden schon spürbar. Spätestens am Tag der Reife,“ versicherte Kato. „Das wirst Du schon merken. Ist ein tolles Gefühl, wenn das erste Kind daran Platz nimmt. Du wirst sehen.“

„Meine Mit-Clo sagen alle, dass sie noch nichts spüren. Sie werden auch ungeduldig.“ Llymo starrte auch sein Glas.

„Ich habe noch nichts vernommen an der Universität, was dieses Thema betrifft. Ich kann mich ja einmal umhören.“ Kato legte beruhigend seine Hand auf die seines Kindes. Bei einem Clo, das nicht der Mehrung entstammte, hätte es seine Fühler mit denen des Kinders zusammengeführt. Bei Mehrungskindern war das unsinnig. Kato hatte kein gutes Gefühl bei diesem Gedanken. Es war fröh, dass Llymo diese nicht wahrnahm, und es schämte sich auch dieses Gedankens.

„Ich sollte ein paar Tage hinausgehen,“ murmelte Llymo etwas abwesend.

„Hinausgehen?“ Karo war verblüfft über diesen Gedankensprung. „Was meinst Du mit ‚hinausgehen‘?“

„Na, eben hinaus. Aus dem Haus, aus der Stadt, unter den freien Himmel.“ Llymos Stimme klang fester als zuvor. „Ich glaube, ich sollte alleine sein in den nächsten Tagen.“

„Und die Feier? Die Reifezeremonie? Die soll ich dann alleine vorbereiten?“ Kato schüttelte den Kopf bei der Vorstellung.

„Wirst Du wohl. Ich will aber eigentlich keine große Zeremonie, Denk Dir ein paar Worte aus, das reicht dann schon,“ schlug Llymo vor. Dann stand er abrupt auf und beschloss: „Ich gehe schon morgen. „Gute Nacht Brüter. Und vielen Dank für alles.“

Als Llymö Kato verließ, starrte dieser seinem Kind noch lange nach. Er wusste nicht, was er von dieser Entwicklung halten sollte, und er machte sich Sorgen.

In genau dieser Nacht schlugen die Alarme in den Observatorien von Tryclos schrill an. Ein Komet wurde entdeckt. Er war auf Kollisionskurs.

Auf dem Planeten nahm man das weniger wahr, denn die Tryclo waren aus anderem Grund aus dem Häuschen. Mit einem Mal waren die Häuser, Straßen und Städte ungewohnt leer. Es fehlte das Blau der Clo. Dieses war zu einem eher seltenen Anblick geworden, denn die Mehrungskinder hatten die Siedlungen verlassen. Schnell stellte man fest, dass es dabei nicht um einige Mehrungskinder ging, oder nur bestimmte Regionen und Städte betroffen waren. ALLE Mehrungskinder waren hinausgezogen und kampierten auf freiem Feld. Einige hatten sich verabschiedet, die meisten aber waren einfach gegangen. Manche hatten etwas zu essen eingepackt, manche warme Kleidung für den Aufenthalt in den Nächten, die meisten aber waren einfach so aufgebrochen. Verzweifelte Brüter und Zwillingsgeschwister fragten die Behörden nach der Ursache des Verschwindens von Freunden, Bekannten und Verwandten. Suchmannschaften verteilten sich über den Planeten. Doch die Suche war vergebens.

Die Fragen wurden drängender, ihr Ton wurde rauer. Man suchte Schuldige. Die Separierer waren schnell gefunden. Sie hatten ja immer etwas Ähnliches gefordert. Ihre Vertreter wurden praktisch verhört. Sie wanden sich und beteuerten Unschuld und Unwissenheit. Angesichts ihrer lautstarken Forderungen, die Mehrungskinder aus den Städten zu jagen und ihrem Schicksal zu überlassen, erschien es sehr plausibel, ihnen vorzuwerfen, dass sie genau diese Pläne ungesetzt hätten. Die Frage war nur, wie. Dazu entstanden genügend Theorien. Eine schrecklicher als die andere. Im Grunde waren die Theorien einig in der Tatsache eines Massenmordes. Aus dem Süden wurden Großbrände gemeldet, die auch Leichen umfassten. Im Norden glaubte man, dass Leichen in Vulkanen entsorgt worden wären. Andere glaubten, dass Großschlachtereien und Lebensmittelbetriebe beteiligt seien.

Dass der Komet, der Tryclos offensichtlich bedroht hatte, auf einmal in den Tiefen des Alls verschwand, wurde nicht mit dem Verschwinden all der Mehrungskinder in Zusammenhang gebracht.

Llymo-Clo träumte. Es hörte Stimmen. Sie sprachen erst eine unbekannte Sprache. Dann vernahm es klar die Worte „Der Übersetzer ist implantiert. Er wird uns jetzt verstehen.“

Dann schlief Llymo wieder. Die Träume wirr. Die Sätze schwirrten.

„Erinnert sich jemand, dass sie alle blau waren? Ich dachte, sie wären rosa gewesen.“

„Sie haben Fühler. Zwei große, zwei kleine. Das wird in unserer Gesellschaft auffallen.“

„Entfernen sollten wir die aber erst nach eingehender Untersuchung. Wer weiß, was wir damit anrichten, wenn wir sie entfernen.“

„Wir haben schon so viele Kinder bei uns integriert. Dann schaffen wir das mit denen auch.“

„Aber sie sind die ersten mit solchen Unterschieden im Aussehen. Das hatten wir noch nie“

„Sie sind unsere Kinder. Das schaffen wir schon.“

„Habt ihr die genetischen Beweise gesichert?“

„Natürlich. Aber ihr erinnert euch auch, welche Manipulationen nötig waren, um diese Kinder in die Bevölkerung des Planeten zu integrieren. Mit Eierlegenden Saugern hatten wir es noch nie zu tun.“

„Die Geschlechtsorgane von denen schauen eigenartig aus.“

„Ich habe so was schon gesehen. Erinnert euch an diesen Planeten im Sol-System. Da gab es primitive Tiere, die so ähnlich gebaut waren. ‚Beuteltiere‘ nannte man sie. Die Kinder hier habe alle auch Beutel.“

„Aber sie haben keine primären Geschlechtsorgane. Keine Eierstöcke und keine Hoden. Nicht einmal, Vergleichbares.“

„Wie gut, dass wir das nicht mehr brauchen.“

„Habt ihr die genetischen Eltern benachrichtigt? Wenn das Kind erwacht, sollten sie es in Empfang nehmen und lehren. Kinder brauchen Bezugspersonen für die Integration.“

„Wie lange die wohl braucht, die Integration?“

„Na, das war immer schon eine gute Frage.“

„Aber diese Unterschiede. Diese optischen Unterschiede.“

„Wieso hat das bei der Ablage eigentlich keiner begriffen? Dass die am Ende tatsächlich so unterschiedlich ausfallen?“

„Weil es schnell gehen musste. Die waren hier zu sehr technisch fortgeschritten. Sie haben unser Schiff wahrgenommen und sich Fragen gestellt. Erinnerst Du Dich nicht? Wir hatten zu wenig Zeit, die Genetik zu kopieren und anzupassen.“

„Und wir haben uns die Erwachsenen zu wenig angeschaut.“

„Die Kundschafter berichteten jetzt von Farbunterschieden. Für unsereinen eigentlich nicht wahrzunehmen, weil wir keine Farben sehen. Aber für die Kinder wird das einen großen Unterschied machen.“

„Macht euch keine Sorgen darum. Wir sind gut im Erklären Mussten wir immer sein. Wir mussten sie integrieren. Und wir haben alle Kinder integriert. Unser Volk ändert sich im Aussehen mit jeder Generation. Das ist aber gar nicht wichtig. Wichtig ist der Geist. Und den können wir formen.“

„Apropos Geist. Dieses Kind erwacht. Wo sind Kambul und Kimbel? Wo sind seine Eltern?“

Als Llymo die Augen aufschlug, war das Licht greller, als es das auf Tryclos je erlebt hatte. Es blickte in große, dunkle, lidlose Augen, die ihn unverwandt anstarrten und musterten. Sie gehörten zu zwei aschfahlen Gesichtern, die für solche Augen viel zu klein schienen. Die Köpfe, zu denen sie gehörten, hatten keine Fühler, die Ohren standen ab und waren spitz, und die Nase bestand fast nur aus Löchern. Die Gestalten, zu denen das alles gehörte, waren riesig, aber dürr, und steckten in silbrig glänzenden Anzügen. Llymo erschrak kurz bei dem Anblick, aber es war zu neugierig, als dass dieser Schreck eine andauernde Wirkung zeigte.

Es richtete sich auf und betrachtete die Umgebung. Es fand sich auf einer schmalen Liege und sah um sich herum überall dieselben Szenen: Liegen, auf denen blaue Clo lagen oder sich gerade aufrichteten,

„Was ist das hier? Wo bin ich? Wer seid ihr?“ stammelte Llymuo.

„Aufwachraum 3 und wir sind deine Eltern, Das ist Kambul und ich bin Kimbel. Wir begrüßen Dich in Trexel, unser Kind.“

„Willkommen Kimfal!“

„Kimfal? Soll ich Kimfal sein?“ Llymo schaute von einer Gestalt zur anderen, schüttelte den Kopf und beharrte: „Ich bin Llymo-Clo. Meine Eltern sind Tari-Cli als Erzeuger, Khola-Cla als Emfpgängerin und Kato-Clo als Brüter. Ich habe eine Schwester namens Mara-Cla und komme von Tryclos. Aber das dürftet ihr ja wissen.“

Die beiden Trexels hörten das Tryclos an und wussten offenbar mit seinen Worten nicht viel anzufangen.

„Gut,“ fing Kimbel an. „Das alles solltest Du vergessen. Du musst in die Zukunft schauen. Dein Tryclos war gestern, deine Zukunft ist Trexel. Und dein Name ist Kimfal.“

„Wir verstehen die Verwirrung, aber Du solltest Dich schon bald daran gewöhnen. Mussten wir ja auch einst tun. Auch unsere Kindheit fand auf einem fremden Planeten statt. Wei0t Du noch, wie der hieß?“

„Vergessen!“ Mit diesem Wort wischte Kimbel die Erinnerung fort. „Ist besser so. Wir leben jetzt und im Heute. Was soll man da noch lange Erinnerungen nachthängen?“

„Aber ihr hattet doch Eltern dort und Geschwister, Verwandte und Freunde“ Llymo gab nicht auf.

„Vergessen!“ sagte Kambul mit eine gewissen Strenge in der Stimme.

„Du wirst viel lernen müssen, Kimfal. Das Leben hier ist ganz anders als auf einem Planeten.“ Kimbel legte dem Blauhäutigen eine Hand auf die Schultern.

Das aber wischte die langen Finger hinweg und verbesserte: „Llymo. Und ich bin ein Clo. Und ich wurde geraubt.“

„Ja, ja, ja.“ Kambul hielt mit einem Mal Silbrige Kleidung hoch und reichte sie Llymo. „Du solltest etwas anziehen. Die Strahlung hier ist nicht ganz so gesund.“

„Wir müssen Dir noch viel beibringen,“ nickte Kimbel. „Auch in einem Raumschiff muss man überleben, aber das Überleben ist her ganz anders als auf einem Planeten, Kimfal.“

„Na, wenn ihr das noch erinnert, dann habe ich ja nichts zu befürchten. Aber mein Name ist immer noch Llymo. Llymo-Clo.“

Die nächsten Tagesläufe waren mit Lektionen angefüllt. Lektionen über das Leben auf dem Raumschiff, über die Technik, die alle am Leben hielt, die möglichen Fehlerquellen, und wie man sie reparierte. Alles war neu und musste gelernt werden. Kimbel und Kambul, beide aus dem Clan der KM und der Untersippe -bl waren gute Lehrer, aber die meisten Themen mussten per Aufzeichnung aus dem Archiv gelernt werden. Am interessantesten fand Llymo/Kimfal dabei die historischen Aufzeichnungen. Die Trexel hatten sich einstmals selbst fortpflanzen können und die Kinder aufziehen. Das ging schnell verloren, als sie ihren Heimatplaneten hatten verlassen müssen und in das Raumschiff umgezogen waren. Wenig Platz, wenig Ressourcen, die Strahlung des Alls, die Fortpflanzungsfähigkeit war verloren gegangen, man hatte ein anderes Konzept finden müssen.

Die Trexel verfielen erst aufs Klonen, erkannten aber, dass die Strahlung des Alls zu mächtig war und genetische Kombinationen verlangte. Also wurde die geschlechtliche Reproduktion künstlich nachgeahmt und Embryos erzeugt. Brutkästen im All waren auch nicht besonders hilfreich, Nachwuchs bedurfte für ein gesundes Aufwachsen des Schutzes eines Planeten mit Atmosphäre und Magnetfeld. Also hatten die Trexel beschlossen, fremde Spezies ihren Nachwuchs aufzuziehen.

Damit der aber keine Schwierigkeiten auf dem ausgesuchten Planeten bekam, wurden die Gene der Embryonen so verändert, dass sie das Aussehen der Gasteltern entwickelten. Die Texel nahmen dabei in Kauf, dass kein Nachwuchs wie seine Eltern aussah. Ein bunter Mix an Gestalten war auf dem Schiff, allein verbunden durch den genetischen Trexel-Kern, der in allen wirkte und vor allem das Gehirn beeinflusste.

Es löste einige Faszination bei Llymo/Kimfal aus, als er die verschiedenen Generationen betrachtete, die auf dem Schiff schon gelebt hatten und auch wieder ausgestorben waren, im Austausch gegen die Individuen einer neuen Generation. Als Lymo aber sah, wie die Trexel seine Spezies betrachtet hatten, wurde ihm übel. Die Trexel hatten bei ihren kurzen Besuche auf Tryclos völlig übersehen, m

dass es dort drei Geschlechter gab. Sie hatten ihren Nachwuchs nur optisch angepasst, weil ihnen das ausreichend schien. Sie hatten die Fühler und deren Funktion falsch eingeschätzt und in der Kürze der Zeit nicht genetisch nachbauen können. Sie bildeten sich ein, perfekt in der Tarnung ihres Nachwuchses zu sein, waren aber genau das nicht.

„Habt ihr eigentlich die ganze Jahre über in Stasis verbracht?“ fragte Lymo/Kimfal seine genetischen Eltern.

In der Nachbarkammer zur Linken lebte ein Clo namens Proro, den sie nun Kortyx nannten. Dessen Brüter hatte ihn besonders auf Bevölkerungswachstum und die Auswirkungen desselben auf Tryclos aufmerksam gemacht. Der schaute sich besonders die Verhältnisse des Ressourcenverbrauchs an Bord des Schiffs an und sprach darüber mit Llymo/Kimfal in der kurzen Zeit, die sie miteinander verbringen konnten.

„Eigentlich ist das ein Piratenschiff,“ hatte Proro angefangen. „Seit sie ihr Sonnensystem verlassen haben, plündern sie die Ressourcen der Planeten, an denen sie vorbeikommen, um ihre Vorräte aufzufrischen, Schäden zu reparieren und Ersatzteile herzustellen. Hin und wieder erweitern sie sogar das Schiff. Das geht natürlich auch nur auf Kosten der anderen Planeten.“

„Die plündern sie aus? Und die Bewohner?“ Llymo war entsetzt.

Proro grinste: „Rohstoffe holen sie sich von unbewohnten Planeten. Das ist moralisch hochwertig. Bewohnte Planeten sollen die Bewohner ausbeuten.“

„Wie gnädig!“ Llymo lachte. „Als wenn die Mehrung nicht auch eine Form des Ausplünderns gewesen wäre.“

„Tja, das rechnen sie nicht mit ein, in ihre moralischen Überlegungen. Ist eine Frage des Überlebens, und zum Überleben darf man ja alles tun.“

Llymo verzog das Gesicht. „Das habe ich in den Diskussionen der Separierer schon gehört.“

„Unsere genetischen Eltern bilden sich etwas ein auf ihre eigenen Opfer. Sie nennen das ‚Bewusstseinsopfer‘. Schon mal gehört?“

Llymo schüttelte den Kopf.

„Wenn ein Teil der Trexels ihren Nachwuchs auf einem Planeten hinterlassen hat, lassen sich vielen in Stasis versetzen. Über Jahre hinweg. Das verbraucht wenig Atemluft und fast keine Nahrungsmittel.“

„So sparen sie Ressourcen, die die Pflegeeltern bei der Aufzucht verbrauchen,“ sinnierte Llymo. „Darauf können sie sich etwas einbilden, die Trexel.“

„Wir Trexel…“ korrigierte Proro/Kortyx. „Mitgefangen, mitgehangen. Wir sind jetzt Teil dieses Systems. Auf die Weise kann man auch Zyklen und Dekazyklen überleben, ohne einen Tag älter zu werden. Aber man ist nicht wach, verschläft unweigerliche Entwicklungen und muss sich nach jedem Aufwachen auf neue Verhältnisse mühsam wieder einstellen.“

„Blöd. Das sind durchaus Nachteile.“ Llymo wurde nachdenklich. „Eigentlich haben sie doch die Lösungen alle technisch parat, die Trexel. Ich bewundere das Recycling her an Bord.“

„Ja, toll, deswegen ist alles immer gleich. Die Luft besteht immer aus derselben Zusammensetzung der Atome. Die Nahrung heißt nur ‚Nahrung‘. Du kannst sie aus dem Napf löffeln oder aus der Flaschen trinken. Das ist die einzige Geschmacksfrage. Die Zusammensetzung ist immer dieselbe. Und du weißt schon, woraus es gemacht wird?“ Proro beugte sich verschwörerisch vor.

„Keine Ahnung,“ beteuerte Llymo.

„Ein bisschen von dem Zeug, das man von anderen Planeten mitbringt, vor allem aber – unsere Exkremente und die Leichen der Verstorbenen.“

„Heißt es nicht bei uns Tryclos: ‚Man ist, was man isst?‘ Ich will das nicht sein.“ Stöhnte Lllymo.

„Gut. Wir finden einen Weg nach Hause. Wir haben ein Leben lang Zeit,“ Proro streckte Llymo die Hand entgegen. Der ergriff sie und drückte sie fest.

Auch wenn es sinnlos war, pressten die beiden ihre großen Fühler aneinander.

3 Kommentare

  1. Erfrischend anders, weil keine Erdlinge auftauchen. Schön und durchdacht beschrieben. Hat mir gut gefallen.

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  2. Cli-Cla-Clo. Verwirrend und ganz krude anzuhören. Ich fand die Geschichte leider langatmig, hat mir keine Freude gemacht. Ich musste mich richtig zwingen, sie ganz zu lesen.

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  3. ich bin total begeistert, dass man die Problematik der Kuckuckskinder mit einer Spezies verbinden kann, die drei Geschlechter hat. Überhaupt ist diese Welt und diese Gesellschaft für mich überzeugend aufgebaut.

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