Ein unbeirrbares Bekenntnis
Ich hasse Menschen, dachte sie, während sie die Tasse beiseitestellte und schnaubte. Es war ein lauer Sommertag. Genaugenommen war er mehr kalt als lau… Der Sommer ist auch nicht mehr das, was er mal war. Unvorhersehbar. Eine Freundin hatte ihn als Regenschirm-Sonnenbrillen-Sommer beschrieben. Man sollte immer beides dabeihaben – nur, um vorbereitet zu sein. Danke Klimawandel, danke Menschheit. Wenn diese unwürdigen, dämlichen Wesen doch nur nicht so infantil und debil wären, hätten sie schon längst diese schöne Welt retten können. Aber nein, dank Kurzsichtigkeit gab es in Politik und Lobbyismus wichtigere Themen. Geld zum Beispiel. Eine sanfte Briese erfasste ihre Haare und sie schloss genießend die Augen. Bis die Fahne des schimmelnden Mülls der Nachbarn ihre Nase überrollte. Sie verzog das Gesicht und öffnete widerwillig ihre Augen. Ich hasse Menschen. Der Arsch hätte seinen Müll überall hinstellen können, aber neuerdings steht er genau unter meinem Balkon. Lag vermutlich nicht daran, dass sie sich erst letztens über seinen nächtlichen Posaunenlärm beschwert hatte. Bestimmt reiner Zufall.
Sie seufzte. Ist auch egal. Sie nahm ihr Buch in die eine und den Kaffee in die andere Hand und ging zurück in ihre kleine, aber gemütliche Einraumwohnung. Draußen war es ihr ohnehin zu kalt geworden. Sie nahm ihren kuschligen Cozy-Autumn-Vibes-Pulli aus dem Schrank, zog ihn an und schüttelte ironisch lächelnd den Kopf. Es ist Mitte August und ich habe das Bedürfnis einen Pulli anzuziehen. Ein Blick auf die digitale Uhr auf ihrem Schreibtisch verriet ihr, dass es langsam Zeit wurde sich fertig zu machen.
„Alter Geiselnehmer“, knurrte sie die Uhr an und schmiss ihr Buch aufs Bett. Mit einem großzügigen Schluck zwang sie den Rest des Kaffees hinunter. Sie bereute es instantan: Würgend spuckte sie den Kaffee wieder in die Tasse zurück. Völlerei ist wohl nur den Reichen ohne direkte Strafe gestattet… Angewidert schaute sie den ausgespuckten Kaffee an, der ihr mit einem übersprudelnden Esprit entgegensah. Abermals seufzte sie, dennoch trank sie ihn widerwillig aus – dieses Mal allerdings vorsichtiger. Wenn‘s Geld knapp ist, wird nichts verschwendet. Grummelnd stellte sie die Tasse in den Abwasch und ging ins Bad. Haare richten, Deo und etwas Makeup. Gerade genügend, damit sie nicht so müde aussah, wie sie wirklich war. Ich hasse Menschen. Ich hasse diese Gesellschaft. Wir erschaffen uns ein Konstrukt, das uns wenig schlafen lässt, ständig stresst, uns nach der Uhr tanzen und springen lässt und kaschieren dann die Nachwirkungen dieses Irrsinns mit teuren Produkten, die die Haut schneller altern lassen. Wobei – dafür gibt es ja dann weitere Produkte oder gar Eingriffe. Wer altert, muss arm sein. Denn nur wer jung und knackig aussieht, hat sein Leben im Griff. Ernähre dich gesund, aber lass dich auch mal gehen. Geh zum Sport, aber übertreib es nicht. Achte auf deine Mitmenschen, aber gib auch auf dich acht.
Klar. Nichts einfacher als das. Es fühlt sich echt unmöglich an, ein Mensch zu sein. Ich hasse das. Sie wollte gerade die Mascara auftragen, als ihr Handy klingelte. Wo hatte sie es nur hingeworfen? Das Geräusch kam auf jeden Fall aus Richtung des Bettes. Decke beiseite. Nichts. Unterm Bett? Auch nichts. Aber ich höre es doch! Decke wieder aufs Bett, vielleicht ist es ja unterm Kopfkissen? Ne, auch nicht. Jetzt hat das Klingel auch noch aufge– Hä? Da liegt es doch! Auf der Decke! Wie ist sowas nur möglich?
Das Handy verriet ihr, dass der verpasste Anruf von ihrer Mutter kam. Sie presste die Lippen zusammen. Sie wählte die Nummer. Ihre Mutter war so schnell am Hörer, dass sie nicht einmal das Freizeichen hörte.
„Hallo Schätzchen. Ich wollte eigentlich nur wissen, ob du lieber Asiatisch oder Italienisch heute Abend essen gehen willst?“, schallte die hohe Stimme ihrer Mutter durch den Handyhörer in ihr Ohr.
„Ist mir egal, Mama“, sie seufzte. „Ich hab‘ doch gesagt, dass ich nichts Großes draus machen will. Wir treffen uns nur zu Kaffee und Kuchen, weil ihr das unbedingt feiern wolltet…“
„Na hör mal! Man wird doch nicht jeden Tag befördert. Vor allem nicht, wenn man erst seit drei Wochen für ein Unternehmen arbeitet! Natürlich feiern wir das, meine kleine Überfliegerin!“
„Asiatisch.“
„Wie bitte?“
Sie schnaubte. Und rollte die Augen – was ihre Mutter zum Glück nicht sehen konnte. „Wir können asiatisch Essen gehen. Ich muss jetzt auflegen, sonst verspäte ich mich noch. Bis später.“ Ohne auf die Antwort ihrer Mutter zu warten, legte sie auf. Überfliegerin, Naturtalent, Alleskönnerin. Heuchler. In einer so einfach gestrickten Welt war es einfach schnell aufzusteigen. Sie konnte Menschen gut lesen. Binnen weniger Tage hatte sie sich die richtigen Leute zu Freunden gemacht. Wobei – Freunde ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort. Gehilfen. Zuarbeiter. Marionetten. Diese oberflächlichen Menschen. Selbst schuld, wenn sich alle von etwas Nettigkeit und einem Lächeln so leicht einlullen und blenden lassen. Auch ohne dieses Theater wäre sie früher oder später befördert worden. Diesen Job hätte jede Kakerlake mit mehr als zwei Nervenzellen verrichten können.
Sie schulterte ihre Tasche, nahm ihren Schlüssel in die eine und ihr Handy in die andere Hand und zog hinter sich die Tür zu. Sie brauchte nicht abzuschließen. In dieser Wohnung war nichts von Wert, das sie beschützen müsste. Die Menschen hielten sich ohnehin viel zu sehr an materiellen Gütern fest. Wie Mistkäfer bauten und bastelten sie ihr ganzes Leben an einem Misthaufen und wunderten sich dann kurz vor ihrem Tode wie viel Mist sie in ihrem Leben angehäuft hatten.
Eine halbe Stunde später erreichte sie das Haus ihrer Eltern. Es roch verdächtig nach Feuer. Nicht, dass sie Angst hätte, dass dieses Haus abbrennen könnte. Es wäre ohnehin lohnenswerter die Versicherungssumme zu kassieren, als diese Bruchbude weiter zu bewohnen. Sie hatte eher Angst, dass das Lagerfeuer angemacht wurde. Ihre Mutter verstand es wahrlich, was sie mit ‚bitte mach keine große Sache draus‘ meinte. Nicht weiter überraschend erwartete sie hinter dem Gartentor eine Überraschungsparty. Von wegen italienisch oder asiatisch… Sie seufzte und zwang sich zu einem Lächeln. Der Garten war mit viel Liebe dekoriert worden. Menschen aus ihrer Ausbildung und einige ihrer Kollegen waren dort. Ein unnötig großer Kuchen stand auf dem Buffet, auf dem mit Zuckerstift geschrieben ‚Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung‘ schimmerte. Es hätte nur noch gefehlt, dass sie ein Foto von mir auf das Fondant gedruckt hätten. Sie verzog entnervt das Gesicht. Das Knistern des Lagerfeuers mischte sich mit dem geselligen Stimmengewirr der Gäste. Inmitten all dessen wanderte ihre Mutter umher und versuchte ihre allseits beliebten Canapes unter die Leute zu bringen. Der liebliche Kräuterduft verriet ihr, dass ihr Vater wohl in der Hollywood-Schaukel saß und Pfeife rauchte.
Trotz ihrer Aversion im Mittelpunkt zu stehen, wurde es ein schöner Nachmittag und Abend. Es wurde gegrillt, gequatscht und gelacht. Nicht zuletzt dank Fabian, der wie immer ihr Fels in der Brandung war. Wenn er nicht schon eine Freundin hätte, hätte sie es bei ihm versucht. Er war einer der wenigen Menschen, den sie kennengelernt hatte, dessen Anwesenheit sie nicht stresste. Eher im Gegenteil, bei ihm wurde sie ruhig. Er war nicht nur ihr bester Freund, sondern auch ihre Stimme der Vernunft, die letzte Bastion vor dem sicheren Fall in den Wahnsinn. Er holte sie immer wieder auf den Boden zurück, wenn sie einen Höhenflug hatte und gab ihr Auftrieb in Zeiten tiefster Schwärze. Wie er für sie, war auch sie für ihn stets da und sie hatten die schönsten, aber auch schwierigsten Zeiten gemeinsam und miteinander gemeistert.
Als die letzten Gäste verabschiedet waren, ging sie mit Fabian zu der alten Bahnbrücke, bei der sie sich vor einigen Jahren kennenlernten. Sie hatten beide einen ruhigen Ort zum Nachdenken gesucht. Beide hielten die Anwesenheit von anderen Menschen nur schwer aus. Fabian ging jedoch ganz anders damit um. Er war still; in sich gekehrt. Aber wenn er erstmal in einen Redefluss kam, war er nicht mehr zu bremsen und reihte die Worte in einer poetischen Schönheit zusammen, wie nur er es konnte. Es hatte sie schon immer fasziniert, wie er, ohne rot zu werden, das kitschigste Zeug labern konnte und es dann auch noch poetisch und wunderschön aus seinem Munde klang.
„Aufregender Tag, was?“ Fabian ließ sich auf die Holzbretter der Brücke nieder und schaute auf den Kanal hinunter. Sie tat es ihm gleich, zwängte jedoch ihre Beine durch die Brüstung und ließ sie über dem Wasser baumeln. Sie nickte. „Und nächste Woche bei deinem Geburtstag haben wir den gleichen Scheiß nochmal…“ Sie verstand nach wie vor nicht, warum Fabians Freundin für ihn eine große Geburtstagsparty organisieren musste, wohlwissend, dass dies nicht in seinem Sinne war.
Eine kalte Briese wehte den süßlich modrigen Geruch des alten Holzes in ihre Nase. Die Blätter raschelten und erzitterten scheinbar genauso wie sie selbst unter der Kälte. Sie schloss fröstelnd ihre Jacke.
„Mist Wetter…“, nörgelte er und zog sich den Schal enger um den Hals.
„Aber echt…“, pflichtete sie ihm bei und lächelte. „Schuld ist aber nicht das Wetter–“
„Sondern diese grenzdebilen, nichtsnutzigen Menschen. Selbst die dümmste Amöbe mit mehr als zwei Nervenzellen weiß, dass sie sich nicht mit Mutter Natur anlegen sollte“, imitierte er sie mit unnötig hoher Stimme, fuchtelte mit dem Zeigefinger herum und grinste sie herausfordernd an.
„Zzt“, zischte sie. „Das wollte ich gar nicht sagen…“
„Sondern?“
„Was anderes?“ Sie verschränkte die Arme, rümpfte die Nase und schaute empört weg.
„Ah ja. Ich kenne dich ja so schlecht, oh große Menschenhasserin.“
„Ich hasse keine Menschen.“
Seine Augenbraue schnellte hoch. „Jetzt lügst du nicht nur mich, sondern auch dich selbst an.“
„Ich hasse nur die Menschheit“, antwortete sie schulterzuckend.
„Aha.“ Der Unterton gefiel ihr gar nicht. Er kannte sie einfach viel zu gut. Sie rollte mit den Augen.
„Und die meisten Menschen auch…“, murmelte sie ertappt. Er lächelte und gab ihr einen freundschaftlichen Stups auf die Schulter. Dann schwiegen sie wieder. Starrten aufs Wasser. Hörten das Zirpen der Grillen. Das Rascheln der Blätter.
„Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich gar kein Mensch bin…“, gestand sie kleinlaut.
Er stieß augenblicklich Luft aus den Lungen und bemühte sich nicht zu lachen. Sie schaute ihn grimmig an. Dann räusperte er sich. „Sorry. Aber das Gefühl habe ich manchmal auch. So misanthropisch kann man als Mensch gar nicht sein…“
„Meinst du?“
Er zuckte mit den Schultern. „Naja… Ich mein… Selbst ich mag Menschen mehr als du… Dabei bin ich viel schlechter im Umgang mit ihnen.“
„Das ist wohl wahr…“, grübelnd schaute sie von Fabian in die Ferne. Sie war schon recht eigenartig. Aber so eigenartig, dass nun auch ihre Menschlichkeit angezweifelt wurde?
„Worüber denkst du nach?“, fragte er vorsichtig lächelnd.
„Was einen Menschen menschlich macht…“
„Tiefsinnig.“
„Einer von uns beiden muss ja die Qualität dieses Gespräches hochhalten, meinst du nicht?“
Er lachte und stand auf. „Menschlichkeit, hm?“, überlegte er laut, während er auf und ab lief und dabei immer wieder an ihr vorbei. „Keine leichte Frage…“
Sie biss sich auf die Unterlippe. „Ich glaube, dass es mehr sein muss als nur unsere Genetik, unsere Physis… Oder ist man nur dann ein Mensch, wenn man auch wie einer aussieht?“
„Keine Ahnung… In Film und Fernsehen wird Menschlichkeit häufig mit Mitgefühl gleichgesetzt. Das Berücksichtigen der Gefühle anderer, das Mitgefühl für eine fremde Träne, die Wärme in ernstgemeinten Worten, an den kältesten Tagen…“, sinnierte er und setzte sich schließlich wieder zu ihr.
„Du Poet“, lächelte sie und schüttelte den Kopf.
Er zuckte nur mit den Schultern. „Hab‘ ich etwa nicht recht?“
„Doch, doch. In Film und Fernsehen wird das gerne so gemacht. Aber auch andere Tiere sind mitfühlend. Das sind einfach Spiegelneuronen, die wir brauchen, um als Gemeinschaft leben zu können. Selbst Bäume kommunizieren über das Myzel und verteilen Nährstoffe so um, dass auch die schwächsten Individuen genügend bekommen…“
„Was Gerechtigkeit angeht, sind Bäume und Wälder also wesentlich besser als wir“, lachte Fabian ironisch.
„Mhm…“, antwortete sie nur gedankenverloren. Diese Frage ließ sie nicht los. Was hob die Menschen ab? Was machte einen Menschen menschlich, wenn es nicht nur an dem äußeren Erscheinungsbild lag?
Fabian schien ihren inneren Monolog zu hören. „Ich habe mal ein Buch gelesen, in dem Aliens die Welten zerstörten, auf denen keine intelligenten Lebensformen lebten, um im Universum sozusagen Ordnung zu halten – ‘ne Art Müllabfuhr.“
„Und? Was hat das mit meiner Frage zu tun? Intelligenz hat nichts mit Menschlichkeit zu tun. Selbst ein Pilz konnte ein effizienteres Netzwerk bauen als die tokyoter Stadtbahnplaner…“
„Das meine ich auch nicht. Aber die Aliens aus dem Buch hatten verschiedene Kategorien von Intelligenz. Und die Kategorie, ab der sie einen Planeten nicht zerstörten, waren die sogenannten Sternengucker. In dem Moment, in dem eine Spezies nicht nur zu den Sternen aufsieht und sie bewundert, sondern sich auch Namen und Geschichten zu ihnen ausdenkt, waren sie es wert, gerettet zu werden.“
„Also ist Astronomie menschlich?“, kicherte sie, wohl wissend, dass er nicht darauf hinauswollte. Er verschränkte zur Antwort nur die Arme und ließ ein Grunzen vernehmen.
Sie lächelte. „Das ist tatsächlich keine schlechte Herangehensweise. Vielleicht sind es die Geschichten, die wir uns selbst erzählen, die uns menschlich machen. Der Wunsch etwas Unendliches zu schaffen, obwohl unsere eigene Existenz endlich ist. Kunst und Kultur, Sagen und Legenden… Von Höhlenmalerei bis hin zum neusten Groschenroman… Die Menschen strebten schon immer nach einer Möglichkeit ihren ganz persönlichen Fußabdruck zu hinterlassen…“
Er nickte. „Andererseits ist dies nur ein Resultat unserer Gesellschaft. Auch Tiere sind durchaus kreativ schöpferisch, man denke nur an die Balzrituale mancher Vögel oder Fische…“
„Aber dort hat das Kreativsein immer einen anderen Grund – Fortpflanzung zum Beispiel. Kreativität in diesem Sinne entsteht bei uns aus der Möglichkeit heraus, dass wir gerade nichts Lebenswichtiges zu tun haben. Wir können uns künstlerisch ausdrücken, weil wir uns nicht um unser nacktes Überleben Sorgen machen müssen…“
„Vielleicht ist es das?“, fragte er, doch sie schaute ihn nur verständnislos an. „Naja, vielleicht ist Menschlichkeit ein Produkt unserer Gesellschaft. Ein Zusammenspiel, ein Miteinander. Ein Mensch allein ist nur menschlich, wenn er mit anderen zusammen ist.“
Sie runzelte die Stirn. „Du meinst, dass ein Baby, dass in der Wildnis ausgesetzt werden würde, alá Tarzan, kein Mensch mehr ist?“
„Ein Mensch schon. Aber die Frage ist doch wie menschlich Tarzan war, bevor er Jane traf, oder? Erlangte er nicht erst Menschlichkeit, als er von ihr lernte, was es bedeutet ein Mensch zu sein?“
Sie seufzte. „Keine Ahnung. Ich würde Tarzan nicht absprechen wollen, auch vor Jane schon Menschlichkeit besessen zu haben…“
Er schwieg. Was sollte man darauf auch antworten? Es war keine einfache Frage, wie hätten sie also auch eine einfache Antwort finden sollen. Sie atmete tief ein und stieß die Luft aus.
„Vielleicht ist es das Menschlichste, das man tun kann, sich diese Frage zu stellen…“, flüsterte sie schließlich. Er lächelte und nickte.
Seit drei Jahren spurlos verschwunden: Das Rätsel um Fabian K.
Nach seiner Geburtstagsfeier bringt der 23-jährige Fabian K. eine Freundin zum Bahnhof – und dann verschwindet er in die Dunkelheit der Nacht. Spurlos. Die verzweifelte Suche der Eltern in Zusammenarbeit mit der Polizei läuft bis heute.
Das Ganze ist nun drei Jahre her. Mittlerweile hast du dir vermutlich schon gedacht, worauf es hinausläuft. Dieses Gespräch über die Menschlichkeit und über das Menschsein hatte mich tief bewegt und einen Stein in mir ins Rollen gebracht. Nur wenige Tage darauf, an meinem 23. Geburtstag, lernte ich meine wahren Eltern kennen. Ich war kein Mensch. So sehr ich das auch mein Leben lang geglaubt hatte. Ich hätte es nie infrage gestellt. Du wirst als Mensch geboren, wieso solltest du also kein Mensch sein? Genau deswegen hat dieses Gespräch mit diesem mir so wichtigen Menschen einen besonderen Platz in meinem Herzen.
Ich glaube, tief im Inneren bin ich dennoch ein Mensch. Die Genetik macht mich offensichtlich nicht zu einem. Ha, ha, ich weiß. Hört sich total bescheuert an. Aber genaugenommen bin ich ein Alien… Meine Spezies pflanzt ihre Kinder in anderen Lebensformen ein. Dadurch konnten sie über Jahrtausende hinweg eine Gesellschaft erbauen, die von dem Wissen Abertausender Sterne und Planeten profitiert. Durch diese Lebensart lernten wir aus den Fehlern, die andere gemacht haben. Nicht, weil wir sie studiert haben, sondern weil wir Teil von ihnen waren. So konnte sich meine Spezies im Laufe der Zeit ein Utopia erschaffen, von dem die Menschen nur träumen können.
Als sie mich damals abholten, war ich überrascht. Habe es abgelehnt. Wollte nicht gehen. Ich wollte nicht meine Heimat verlassen. Aber dann sahen sie mich an mit ihrem warmen, lächelnden Blick. Diese zerbrechliche Zuwendung, im Moment der Stille und Verzweiflung.
Auch wenn ich kein Mensch bin, so bin ich dennoch menschlich. Selbst nach all den Jahren, suche ich Sinn in den unendlichen Weiten, wo kein Sinn geschrieben steht. Ich lache über meine eigenen Fehler, staune über Neues und gebe Mitgefühl in den dunkelsten Momenten. Auch ich habe dieses tiefverwurzelte Bedürfnis Geschichten zu erzählen, die meine endliche Existenz überdauern werden. Genau das soll diese Geschichte auch sein. Ein leises, aber unbeirrbares Bekenntnis meiner Menschlichkeit.
Vielleicht ist Mitgefühl menschlich. Oder die Kunst und Kultur, die wir erschaffen. Oder das Streben und Suchen nach Bedeutung im Bedeutungslosen. Oder dass wir immer versuchen, bei all den Widersprüchen, all der Zerbrechlichkeit und Endlichkeit uns einander ein Zuhause zu schenken.
Aber vielleicht irre ich mich auch. Aber hey, Irren ist menschlich, nicht wahr?
Was meinst du?
Die Figuren sind gut gezeichnet und der Text spielt viel mit dem Wesen der Menschen. Leider plätschert die Handlung so dahin.
AntwortenLöschenDer Schlussteil gefällt mir sehr gut. Toll geschrieben. Der Anfang überzeugt mich allerdings nicht so, „Ich hasse Menschen“ finde ich persönlich etwas platt, umso besser gefällt mir der Schwenk zu der anderen Figur Fabian
AntwortenLöschenDie Geschichte hätte einen gut gestrickten Spannungsbogen gut gebrauchen können. Von der Idee her aber sehr gut. Wie menschlich ist ein Alien, das unter Menschen aufwächst? Das Gefühl des Andersseins wird hier sehr klar. Ich habe mich nun gefragt: Ist jeder Misantrop ein potentieller Außerirdischer?
AntwortenLöschenMir hat die tiefsinnige philosophische Frage, was menschlich ist, gut gefallen. Ich dachte ja, das Mädel ist die Ausserirdische, weil sie so eine Misantropin ist, aber da wurde ich aufs Glatteis geführt. Trotz dieser - in der tat ruhig plättschernden Geschichte - gab es also eine dicke Überraschung für mich.
AntwortenLöschenGrammatik 1A, Rechtschreibung 1,5A wegen "alá" statt "á la" und "Abertausender Sterne" statt "abertausender Sterne". Ist eine Geschichte, die nachhallt, wie ganz wenige hier.
Sorry, "Misanthropin". Wenn man schon kritisch bei der Rechtschreibung ist, muss man sich auch an die eigene Nase fassen.
LöschenIn der Tat!
AntwortenLöschenHihi, in der Tat auch das 😀
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