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Willkommen bei den Funga
„Pepe, musst du nicht los?“ Erschrocken riss ich die Augen auf und kullerte aus dem Bett. Fast wäre ich auf der aktuellen Ausgabe Funguy ausgerutscht. Die Sonne stand schon hoch am Himmel. „Verschleimt nochaml.“, schimpfte ich. Ich würde zu spät, zu meiner Verabredung mit der wunderschönen, liebreizenden Lana Schönkopf kommen. „Mist, mist, mist.“, maulte ich. So schnell mich meine knolligen Füße trugen, stolperte ich ins Badezimmer und warf einen Blick in den Spiegel, der lediglich aus einem Wassertropfen bestand. „Whaa!“ Geschockt wich ich zurück. „Ma!“, brüllte ich und verzog mein Gesicht.
„Was ist denn los mein Schatz?“, rief sie von unten.
„Mein Hut hat sich auf einer Seite geöffnet.“, schrie ich geschockt und strich wieder und wieder über meine Kappe, um sie in die ursprüngliche Position zu pressen. Erfolglos. Wie bescheuert sieht das denn aus?, dachte ich. Mein perfekt symmetrisches Aussehen dahin!
„Du wirst erwachsen.“, trällerte sie kichernd. Ich rollte mit den Augen.
„Nicht witzig.“, erwiderte ich und betrachtete argwöhnisch meinen Stiel. Fehlte nur, dass sich meine Bart-Manschette bildete, dann würde ich aussehen wie mein Vater, oder wie meine Mutter. Uhh ahh.
„Pepe Blaustielschleimfuß, das ist der Lauf der Dinge. Du reifst vom Helmling zum Schirmlig. Das ist doch aufregend.“, rief meine Mutter begeistert. Tja, meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Ich rutschte die Rutsche runter, die das Obergeschoss mit dem Untergeschoss verband und kegelte durch den halben Raum. Mit meiner knautschigen Kappe schepperte gegen ein Astregal und eine Eichelschale fiel mir auf den Kopf. Alle neune, würde ich mal sagen. Meine Mutter kugelte sich vor lachen. „Entschuldige Pepe,“, lachte sie. „Die Kissen habe ich vorhin weggenommen.“
„Okay Ma.“, erwiderte ich trocken und drückte die Delle aus meinem Kopf. „Vielleicht hat der Aufprall ja dafür gesorgt, dass sich mein Hut wieder geschlossen hat.“
„Eher nicht.“, sagte meine Mutter grinsend.
„Na wenigsten hast du was zu Lachen.“, entgegnete ich sarkastisch. „Dann wird Lana mich heute wohl nur von dieser Seite bewundern.“, ergänzte ich und drehte meiner Mutter meine geschlossene Hutseite entgegen.
„Wenn sie weiß, was gut für sie ist.“, antwortete sie und kniff mir kräftig in die Wange.
„Ma.“, beschwerte ich mich, aber meine Mutter ließ sich nicht beirren. Sie kniff in meine Wange bis sie schmerzte und rot anlief.
„Nicht mehr lang und du wirst heiraten.“ Begeistert klatschte meine Mutter in die Hände.
„Komm schon Ma, ich bin viel zu jung für eine feste Bindung.“, beschwerte ich mich.
„Wir werden sehen.“ Sie scheuchte mich grinsend aus unserem Haus, welches erhöht an einem Baumstamm klebte. Voller Vorfreude rieb ich mir die Hände und starrte die nächste Rutsche an. Der Geschwindigkeitsrausch des Hinunterschlitterns war sehr beliebt bei den Funga. Mit unseren Stummelfüßen und den überdimensionierten Pilzkappen lag unser Schwerpunkt ziemlich hoch und wie neigten zu einem langsamen, ulkigen Watschelgang. Links, rechts, links, rechts. Anbumsen der Hüte war an der Tagesordnung. Knifflig wurde es erst, wenn wir wieder nach Hause wollten. Wir nutzen Seilwinden, um unsere Häuser in luftiger Höhe zu erreichen. Doch vor einiger Zeit ließ sich Klaus Wüstling durch einen Schmetterling ablenken, rannte gegen einen Ast und kippte bewusstlos um. Es war lustig aber auch tragisch, denn es dauerte Stunden bevor er wieder zu sich kam und das Gegengewicht runterwerfen konnte. Damals hatte es begonnen zu regnen. Eine ganz schlechte Kombination. Einige Funga hatten sich vollgesogen wie ein Schwamm. Sie sahen aus wie ein Maiskorn das zu lange in der Sonne lag. Pop. Wir haben sie über Steine gerollt, um sie auszuquetschen. Seit diesem Tag haben wir einen Reserve Gewichtheber Gustav Erdborstling.
Auf dem Weg zu meinem Date ließ ich den Blick über meine Heimat schweifen. Alle waren überaus geschäftig. Sie pflegten den Wald, stellten Nahrungsmittel her oder zogen den Nachwuchs auf. Ich hatte mich für die Pflege des Waldes entschieden, denn die Nahrungsmittelherstellung überließ ich den Funga mit Geschmack und die Knubblinge zu hüten, war schlimmer, als ein Sack Flöhe zu beaufsichtigen. Knubblinge schafften überhaupt nicht, auch nur eine winzige Strecke ohne Sturz zu überwinden. Sie kullerten also ständig über den Boden, schubsten sich gegenseitig und hatten nur Unfug im Kopf. Verpiltzt noch eins, das waren noch Zeiten!
Ich hechtete am alten Willi Fusselbirne vorbei, der sich mittlerweile nicht mehr von der Stelle rühren konnte und den ganzen Tag schlummerte und lautstark schnarchte. Aber so war das Leben der Funga. Als unscheinbarer Fädling beginnt unser Leben, bis wir kugelnd als Knubblinge durch die Gegend rollten. Bevor wir zu jungspundigen Helmlingen heranwuchsen, so wie ich. Doch dann, vollkommen unerwartet öffnet sich unser vermaledeiter Helm und wir galten als erwachsene Schirmlinge, die bereit waren, Knubblinge aufzuziehen. Whaa! Auf keinen Fall rannte ich den rollenden Unruhestiftern hinterher. Außer natürlich Lana... ich konnte den Satz nicht zu Ende denken. Mein Herz klopfte wie wild bei dem Gedanken, mit ihr mein restliches Leben zu verbringen. Schließlich erzeugten wir als Sporenschleudern neues Leben und wie der alte Willi verschmolzen wir glückselig mit unserer Umgebung. Erschrocken hatte Willi die Augen aufgerissen und hob im Schneckentempo (Schnecken waren schneller als wir) drohend seine Faust.
„Ey... du Banause! ...Kein... Respekt... vor dem... Alter... hm?“ Er sprach in Zeitlupe. Problemlos hätte ich ihm eine Knospe in den Mund werfen können.
„Schuldige Willi. Ich hab´s eilig.“, rief ich zappelig.
„Nur... weil du... schneller... bist..., als... alle anderen“ Flott, flott, flotter. „Pepe... Blau...stiel...schleim...fuß...“ Willi holte tief Atem. „Huuuu... Heißt das... nicht,... das du... mich.... umreißen darfst.“, polterte Willi unglaublich langsam und ich tippelte ungeduldig auf der Stelle. Funga waren niemals unhöflich. Wirklich niemals. Das war die eine Grundregel. Deswegen wartete ich, bis er ENDLICH fertig war.
„Ich weiß, kommt nicht wieder vor.“, rief ich hastig und rannte weiter. Obwohl Rennen kaum der richtige Ausdruck war. Schnelles Walken traf es eher. Doch im Gegensatz zu den anderen Helmlingen ich pure Geschwindigkeit. Schon als Knubbling rollte ich glücklich und kichernd durch die Welt. Immer allen anderen voraus. Meine Eltern hatten ordentlich damit zu tun mich einzufangen.
Ich flitze so durch unseren wunderschönen, sonnigen Wunderwald. Unzählige bunte Blumen, Sträucher, Bodendecker und Gräser blühten in den fantastischsten Farben und Formen. Doch erst nachts wurde dieser Wald zum reinsten Spektakel. Die meisten Pflanzen fluoreszierten knallig bunt. Selbst die verschiedenen Insekten leuchteten. Und noch viel cooler, im Dunkeln begannen unsere Pilzkappen zu fluoreszieren. Letztes Jahr durfte ich zum ersten Mal das Fest Lumenhain feiern. Das Moosmet war allerdings ziemlich stark. Lallend bin ich durch den Wald gestolpert und habe mit einem Stein geflirtet, die schönste Funga die ich je gesehen habe.
Fokus Pepe. Fokus! Denk an Lana. Ich eilte weiter und feuerte die Arbeiter an, die heute Dienst hatten und sich um den Erhalt der Pflanzen kümmerten.
„Weiter so Susi Zifellorchel!“
„Großartig Maik Klumpfuß!“
„Viel Erfolg Rudi Eierschwamm!“
Sie antworteten im Chor: „Viel Erfolg Pepe Blaustielschleimfuß.“ Sie machten vieldeutige Knutschgeräusche und ich rollte mit den Augen. „Uhh seht euch das an, unser Kleiner wird erwachsen.“
„Pass auf das du nicht Schlagseite bekommst.“ riefen sie kichernd. Höflich hieß nicht automatisch, dass Schadenfreude und Witzeleien nicht an der Tagesordnung waren. Ich drückte meinen, nach oben gepoppten Hut kräftig nach unten, streckte ihnen die Zunge raus und lief weiter.
Je näher ich dem Haus des Hüters kam, desto nervöser wurde ich. Schließlich wäre es keine Herausforderungen, wenn ich mich schlicht in das Mädchen von nebenan verguckt hätte, aber nein, es musste Lana Schönkopf sein. Begehrteste Junggesellin und einzige Tochter des Hüters. Mit hämmerndem Herz klopfte ich an die Tür. Die Frau des Hüters öffnete mir strahlend die Tür.
"La-na, deine Verabredung ist da-a.", rief sie singend. Trollo, ihre haarige Raupe umkreise freudig meine Beine. Aber ich starrte gebannt auf die Rutsche. Von wo aus mir die süße, unbeschreibliche Lana zuwinkte. Ich schwöre, meine Augen wurden zu Herzen, die aus meinem Kopf poppten. Anmutig rutschte sie herunter und kam mit einer Leichtigkeit zu stehen, die mich umhaute.
„Pepe, wie schön, dass du da bist. Wollen wir gleich los?“, fragte sie lächelnd. Mit offenem Mund starrte ich sie an. Sie winkte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum. Doch in meinem Kopf zirpten die Grillen.
„Ähm...“ Mein Hirn zündete nicht.
„Pepe Blaustielschleimfuß, bist wohl hier, um meine Tochter auszuführen.“ Unser Hüter Otto Schönkopf tauchte mit strengem Blick hinter Lana auf. Zusammenreißen Pepe. Jetzt musst du imponieren.
„Ja Hüter.“, stammelte ich und richtete mich kerzengerade auf. Ein hämisches Grinsen zeichnete sich auf dem Gesicht des Hüters ab.
„Nur nicht schüchtern Pepe Blaustielschleimfuß.“, sagte Otto Schönkopf und klopfte mir kräftig auf die Schulter, sodass ich fast umgekippt wäre. „Aber bei Anbruch der Nacht ist Lana zu Hause.“, befahl er und hob mahnend den Finger.
„Geht klar.“, stotterte ich und trat rückwärts aus der Tür. Lana folgte mir mit einem strahlenden Lächeln und hakte sich bei mir unter. Mit aufgerissenen Augen starrte ich auf ihren Arm, der auf meinem lag. Ich zog die Sabber wieder ein, die dabei war meinen Mund zu verlassen.
„Nimm ihn nicht zu ernst.“, flüsterte sie mir zu.
„Aber er ist unser Hüter.“, entgegnete ich.
„Er ist mein Vater und will nur das Beste für sein kleines Mädchen.“, erwiderte Lana und streichelte über meinen Arm. Kribbelig folgte ich ihren Bewegungen. „Und?“, fragte sie mit einer Pause in der sie mich musterte.
„Und was?“, fragte ich aufgeregt.
„Bist du das Beste für mich?“, fragte sie direkt. Huuhh, mein Herz schlug mir bis zum Hals.
„Ich denk schon.“, erwiderte ich.
„Du denkst schon?“, wiederholte sie und umrundete mich. „Dein Hut öffnet sich, viel Zeit bleibt nicht mehr, bis du eine Partnerin wählst.“ Lana strich über die Lamellen, die unter meiner Kappe bläulich zum Vorschein kamen. Unwollkürlich musste ich mich schütteln.
„Scheint wohl so.“, antwortete ich unruhig und drehte mich in die andere Richtung, sodass mein geöffneter Hut von meinem Alabasterkörper verdeckt wurde. Lana schmunzelte.
„Komm wir schleichen uns zum Sternenaderwald.“, schlug Lana begeistert vor und zog mich hinter sich her. Sternenaderwälder war gespickt von spitzen, schimmernden Kristallen. Sie waren magisch und ein beliebter Schauplatz für Vermählungen und Kundgaben unseres Hüters. Außerdem verkündete die Wurzelweberin, eine uralte, kauzige und gruselige Funga, Prophezeiungen über die Zukunft des Waldes. Spoiler: Bisher sieht es rosig für unseren Wald aus. Die Sternenaderwälder waren übrigens auch ein beliebter Ort für Dates und Knutschgelage. Das lauschige, romantische rosa-weiße Licht lässt so manche Funga dahinschmelzen. Wir setzten uns in eine kuschlige Ecke und das schummrige Licht beleuchtete herrlich Lanas hellblaue Augen.
„Endlich allein.“, hauchte ich forsch und und lehnte mich langsam nach vorne, um einen lang ersehnten Kuss abzustauben. Ein verdächtiges Klappgeräusch ließ mich innehalten. Kurze Zeit später flutete gleißendes Licht, heller als die Sonne mein Gesicht. Ich kniff die Augen zu und schirmte sie mit meiner Hand ab. „Das ist nicht lustig.“, rief ich, weil ich einen Streich vermutete. Aber niemand schrie Erwischt! oder Verarscht!.
„Was ist das?“, fragte Lana beunruhigt.
„Ich weiß nicht.“, flüsterte ich. Lana klammerte sich an meinen Arm. Unvermittelt richtete sich ein kreisrunder Lichtkegel auf mich. „Oh, das ist nicht gut.“, sagte ich besorgt. „Wir sollten hier dringend verschwinden.“, entschied ich hastig und zog Lana auf die Beine. Ich schob sie vor mir her, aber der Lichtkegel schien uns unaufhaltsam zu verfolgen. Oh Mist. Oh verdammter Moosmuffel. „Weiter. Schneller.“, drängte ich. Schlagartig verlor ich den Halt unter meinen Knollenfüßen. „Nein, nein, NEIN.“, brüllte ich.
„Nicht loslassen.“, befahl Lana und zog mich zu sich, doch der Sog war stark. Langsam hob auch Lana ab. „Pepe.“, flüsterte sie und presste die Lippen angestrengt zusammen. Ihre zarten Arme zierten zunehmend feine Risse.
„Lass los.“, sagte ich mutig, obwohl ich schreckliche Angst hatte.
„Pepe.“, wiederholte sie, doch sie konnte mich nicht länger halten. Ihr Gesicht war das Letzte, was ich sah, bevor ich in der Dunkelheit verschwand.
Willkommen bei den Nalorar
Da stand ich nun in vollkommener Dunkelheit. Mit aufgerissenen Augen und bebendem Körper. Nervös sah ich mich um. Der Boden unter meinen Füßen fühlte sich sonderbar kühl, hart und glatt an. Ich rümpfte die Nase. Es roch ganz komisch. Schlagartig wurde der Raum in ein Licht gehüllt. Wer auch immer sich mit mir anlegte stand auf helle Lichter. Ich kniff die Augen zusammen, bis ich mich an dieses merkwürdig grelle und viel zu weiße Licht gewöhnt hatte.
„Willkommen.“, sagte eine tiefe Stimme.
„Whaa-aaaa.“, rief ich und stolperte rückwärts. Mein Herz pochte wie wild. Vermaledeit, meine zarte Stielhaut würde das sicher nicht verbergen. Fehlte nur, dass ich anfing vor Schreck zu sporen. Panisch blickte ich die Wesen vor mir an. Sie waren riesig. Höher als jeder Baum. Ihr Gliedmaßen waren eklig lang und dünn, wie ein kranke Zweige. Das eine legte sich die Hand auf die Brust und starrte mich aus großen violetten Augen an. Wenn das die Augen waren. Sie hatten eine eigenartig geschlitzte Form und was hatte es denn für komische Hände? Wieso hatte es vier lange, bewegliche, knickbare Stangen? Ich betrachtete meine flache, klappbare Schaufelhand plus Daumen. Das reicht doch.
„Nicht erschrecken. Wir kommen in Frieden.“, sagte die dröhnende Stimme. Nicht erschrecken? Wie soll das denn bitte gehen? Ich stehe kurz vor dem Herzinfarkt! Aber wieso konnte ich diese Viecher verstehen und wo war ich überhaupt? Argwöhnisch sah ich mich um, alles war so schrecklich farblos und beige. Die gleiche Farbe wie die Haut der Wesen und die der wallenden Stoffbahnen, die sie vermutlich Kleidung nannten. Sie waberte um ihre filigranen, schlanken Körper. Ästhetisch war das nicht. Mit so einem winzigen Kopf würden sie sicher kein Mädchen beeindrucken. „Mein Name ist Ni´ma und das ist mein Gemahl Dahman, wir gehören zum Volk der Nalor. Und dies ist unser Raumschiff.“ Bei all dem Wind, den dieses Geschrei verursachte, würde ich niemals Falten bekommen. Aber was bei allen Waldgeistern ist ein Raumschiff? Und was ist ein Nalor?
„Spinnt ihr?“, rief ich empört. (Dieser Ausdruck ist keinesfalls als Beleidigung von Spinnen zu verstehen. Sie produzieren sehr nützliche Seile.) Mutig reckte ich meine Kappe nach oben und verschränkte schwungvoll die Arme vor meinem Stiel. Sie hätten mich mit ihren Quadratlatschen zermatschen können, stattdessen grinsten sie. Das war ja fürchterlich! Warum waren deren Zähne so spitz und scharfkantig? Ihh-uh.
„Wir möchten das du nach Hause kommst.“, erwiderte Dahman dessen Stimme noch tiefer war als Ni´mas und mich durch die starken Vibrationen aus dem Gleichgewicht brachte.
„Was stimmt nicht bei euch im Geäst? Mein zu Hause ist Mycelien.“, sagte ich stolz und stampfte mit dem Fuß auf. „Ich will sofort nach Hause.“ Zu Lana und meinen Eltern.
„Nein Pepe. Dein zu Hause ist Nalor.“, widersprach Ni´ma. Von welcher verrückten Ameise wurden die denn gestochen? Ich sah an mir hinab und sah im Anschluss genervt zu ihnen hinauf.
„Ich denke nicht, dass das stimmt.“, entgegnete ich trocken. Mal abgesehen von der Statur, würde ich mich NIEMALS so langweilig kleiden. Falls ich je Kleidung tragen würde. „Woher kennt ihr überhaupt meinen Namen?“
„Wir haben dich stets im Auge behalten.“ Na, es wird ja immer schöner!
„Was bei allen Sporen?“, sagte ich empört. „Ich will JETZT! AUF DER STELLE! NACH HAUSE!“, brüllte ich und erntete von Dahman ein weiteres gruseliges Grinsen. Ja schon klar, ich muss mich anhören wie ein quietschender Floh und meine knuddelige Statur würde meinen Worten kein Nachdruck verleihen. Aber wo kommen wir denn hin, wenn ich einfach so verschleppt werden darf?
„Folge uns.“, sagte Ni´ma ruhig und hielt mir ihre ausgestreckte bizarre Stangen-Hand hin. Erwartete sie ernsthaft, das ich da raufklettere und mich von dieser Pranke zerquetschen lasse? Mhm – mhm! Nicht mit mir! Ich bin ja kein Sporenhirni. Aufmüpfig sah ich zur Seite.
„Du bis sehr mutig Pepe. Das ist gut.“, sagte Dahman und ging voraus. „Trotzdem solltest du uns folgen, denn sobald wir diese Halle verlassen, wird die Luft ausgetauscht und du erstickst.“, erklärte Dahman. Ich überlegte, ob das nicht ein glorreiches Ende für einen Funga war. Anderseits hielt sich meine Todessehnsucht in Grenzen. Ich rannte diesen absonderlichen Wesen hinterher, die die Strecke mit wenigen Schritten überwanden. Schnaufend folgte ich ihnen in einen kleinen runden Raum. Was für ein Marathon! Mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit setzte sich dieser Raum in Bewegung.
„Uhh... Ahh...“ Ich verlor den Halt und flog geradewegs nach oben. Ni´ma streckte die Hand aus und stoppte meinen geplanten Knutscher mit der beigen Decke. Ich fühlte mich unwohl zwischen diesen komischen beweglichen langen Stangen. Doch zum Glück zermalmte sie mich nicht. Die Türen öffneten sich und ein endloser Gang zeichnete sich vor mir ab. Zu meiner Rechten war ein riesiges Fenster. „Sind das Sterne?“, fragte ich mit aufgerissenen Augen.
„Ja, was du siehst, ist die Weite der Galaxie.“, erklärte Ni´ma. Ich hatte schon oft die Sterne betrachtet, das war sogar Teil meines ausgeklügelten Verführungsplan. Nichts war romantischer als ein Picknick unter Sternen. Aber hier gab es kein Land, keine Pflanzen und keine Sonne. Panik stieg in mir auf. Kribbelig rieb ich mir über die Kappe.
„Aber wo ist mein zu Hause?“, fragte ich und versuchte meine Heimat zu erspähen.
„Sehr weit weg.“, erwiderte Dahman.
„Aber ich will nicht sehr weit weg sein. Ich will zurück nach Mycelien. Zu meiner Familie und zu meiner Freundin.“, protestierte ich und stampfte erneut mit meinem Knollenfuß auf.
„Bist du denn gar nicht neugierig?“, fragte Ni´ma.
„Worauf denn?“, wollte ich wissen.
„Auf dein Leben als Nalorar.“
„ICH BIN EIN FUNGA!“, erwiderte ich prompt. Waren die schwerhörig?
„Ich glaube, er muss es sehen Dahman.“, meinte Ni´ma.
„Das denke ich auch.“
„Das will ich nicht.“, sagte ich entschieden, wurde aber ignoriert. Dahman und Ni´ma betraten einen ausladenden Raum, in dem helle Möbel standen und der zur Hälfte mit Wasser gefüllt war. Ni´ma setzte mich auf einem überdimensionierten Tisch vor dem Fenster ab.
„Nur das ihr´s wisst. Ich kann nicht schwimmen. Ich sauge mich voll wie ein Schwamm und gehe dann unter wie ein Stein.“, erklärte ich.
„Die Nalorar verbringen die Hälfte ihres Lebens im Wasser.“, erklärte Dahman und drehte den Kopf zur Seite, um seine Kiemen zu entblößen. Es gab Wasser auf Mycelien und es gab auch Fische, aber kein Funga nähert sich dem flüssigen Tod freiwillig. Außer natürlich bei einer Mutprobe.
„Da seht ihr es. Ich bin kein Nalorar.“, sagte ich. „Aber wenn ihr so auf Wasser steht, warum verbringt ihr euer Leben dann in einem Raumschiff?“ Merkwürdiges Wort.
„Eine gute Frage.“, erwiderte Ni´ma lächelnd. „Zeige Nalor.“, befahl sie dem Fenster. Unvermittelte tauchten bewegte Bilder auf. Was bei allen Wurzelballen, war das? Ich lief auf die Bilder zu und streckte meine Hand danach aus, aber ich spürte nur Kälte. Wo kamen diese Bilder plötzlich her? „Das ist eine Erinnerung an unsere Welt.“, sagte sie.
„Erinnerungen?“, fragte ich verwirrt.
„Wir können das Erlebte auf diese Oberfläche projizieren.“, erklärte Ni´ma, aber so richtig verstand ich es nicht. Doch was ich sah, war schöner als dieser eintönige Ort. Türkises Wasser, gelber Sand und höhlenartige Behausungen sowie komisch aussehende Pflanzen, die runde haarige Früchte trugen. „Schön oder?“, fragte Ni´ma.
„Nicht schlecht.“, gab ich zu und dachte sehnsüchtig an unseren Wunderwald.
„Warte bis du die Unterwasserwelt siehst.“, meinte Dahman. Das Bild begann, auf und ab zu schaukeln. Ich folgte der Bewegung mit meinem Kopf, aber mir wurde schwindelig. Uhh. Das Wasser stieg immer höher und Hände glitten hindurch. Mir wurde schrecklich mulmig. Für eine Sekunde wurde das Bild schwarz, bevor sich eine bunte Unterwasserwelt eröffnete. Immer wieder strich ich über meine Arme, nur um sicherzugehen, dass ich furztrocken blieb. Ich hielt sogar die Luft an, kurz vor dem ersticken erinnerte ich mich, das ich nicht dort war. Hhh, atmen nicht vergessen.
Unzählige blaue, rote und gelbe Fische schossen in kleinen Schwärmen durch das Wasser. Fasrige und trichterförmige Pflanzen bewegten sich mit dem Strom des Wassers. An rauen Felsen waren auf verschiedenen Terrassen weiße Wohnhäuser angebaut. Aus der Ferne wirkten sie klein, doch je näher das Bild kamen, desto monumentaler wurden sie. Eine riesige Unterwasserstadt mit unzähligen Bewohnern, die alle so aussahen wie Ni´ma und Dahman, kam in Sicht.
„Atemberaubend oder?“, fragte Ni´ma.
„Nicht schlecht, wenn man Wasser mag.“, erwiderte ich möglichst cool. Nicht das sie glaubten, ich wäre tief beeindruckt. „Aber wieso seid ihr hier, wenn ihr dort sein könntet?“, wollte ich erneut wissen.
„Nalor wurde Opfer eines heimtückischen Angriffs.“, sagte Dahman und das Bild veränderte sich. Das Wasser trübte sich grün. Die Fische verschwanden und die bunten Pflanzen starben. Auch die Unterwasserstadt lag in Trümmern und an Land sah es nicht besser aus. Die Häuser waren zerfallen und selbst der Sand hatte eine unschöne gräuliche Farbe angenommen. Die Pflanzen verdorrten und wurden schwarz. Mein Funga Herz brach, all die komischen Bäume sterben zu sehen.
„Wir mussten fliehen, da wir auf unserer Heimat nicht überleben konnten.“, ergänzte Ni´ma. Ich empfand Mitleid, aber nicht so viel, dass ich ihre Vorgehensweise, mich unschuldigen, glücklichen Funga zu entführen, nachvollziehen konnte.
„Und deswegen kommt ihr nach Mycelien und entführt lustig und heiter Unbeteiligte?“, fragte ich grimmig.
„Es mag so wirken, aber das ist nicht der Grund.“, setzte Ni´ma an. „Unsere Welt wurde von den Allon angegriffen. Eine parasitäre, grausame Spezies.“ Ein Bild einer monströsen, aber unscharfen Fratze wurde eingeblendet.
„Whaa!“, schrie ich und das Bild verschwand.
„Das ist die einzige Aufnahme eines Allon, die wir besitzen. Jeder der sich Ihnen genährt hat starb.“, erklärte Ni´ma und Dahman sah zu ihr.
„Die Allon ziehen die Lebenskraft aus Nalor, bis die Welt in sich zusammenfällt. Wir haben versucht, uns gegen sie zu wehren. Viele von uns starben.“, erklärte Dahman. Traurig ließ Ni´ma erneut das Bild des intakten Nalor erscheinen.
„Unsere Welt zurückzulassen, war das Schwerste was wir je tun mussten.“, sagte sie.
„Aber sie ist noch nicht verloren.“, erklärte Dahman zuversichtlich und drückte Ni´mas merkwürdige Hand.
„Ach nein?“, wollte ich skeptisch wissen und dachte: Oh doch, bei diesen furchtbaren Wesen ist sie für immer verloren. Schließen wir das Kapitel und bringen mich schleunigst nach Hause!
„Nein. Wir Nalorar sind etwas Besonderes. Anpassungskünstler.“, setzte Dahman an. Misstrauisch sah ich ihn an. „Auf unserem Schiff ist es uns nicht möglich, Nachkommen zu zeugen. Deshalb drohte unserer Spezies die Ausrottung. Doch es gelang uns, unsere Nachkommen in anderen Welten zu platzieren. Sie wuchsen als ihresgleichen auf, bis die Zeit reif war, sie zurück nach Hause zu holen.“ Ich riss meine Augen auf.
„Ihr sagt jetzt nicht das, was ich glaube, was ihr sagen wollt.“, erwiderte ich nervös und rieb mir die schweißnassen Hände.
„Doch Pepe. Du bist unser Sohn.“, eröffnete Ni´ma und lächelte. Geschockt wich ich einige Schritte zurück.
„Niemals!“, sagte ich abwehrend. „Meine Eltern sind Paula und Peter Blaustielschleimfuß.“, entgegnete ich überzeugt. Sie waren die allerbesten Eltern Myceliens.
„Sie sind die Funga, die dich großgezogen haben, aber nicht deine Eltern.“, antwortete Dahman ehrlich.
„Hallo, habt ihr mich mal angesehen? Ich bin winzig klein! Alles was ihr sagt ist doch absoluter Wurzelkrampf. Es hagelt wohl bei euch im Astwerk.“, schimpfte ich und verschränkt die Arme vor meinem Stiel.
„Wir irren uns nicht Pepe. Du bist winzig klein, weil du dich den Funga angepasst hast. Aber dir ist doch sicher aufgefallen, dass du anderes bist, als Helmlinge in deinem Alter.“
„Nein, ich bin genauso wie jeder andere Funga auch.“, widersprach ich sofort.
„Du weißt schon, dass wir sagten, wir hätten dich im Augen behalten.“, meinte Dahman und blendete bewegte Bilder seiner Heimat ein. Ich war noch ein Knubbling und rollte allen anderen davon. Meine Eltern rannten und riefen mir hinterher.
„Schön, ihr habt mich ertappt.“, meinte ich und Traurigkeit überkam mich, während die bewegten Bilder meiner Heimat an mir vorbeizogen.
„Weißt du, warum wir so viele fremde Welten für unseren Nachwuchs wählten?“, fragte Ni´ma.
„Ihr werdet es mir sicher gleich erzählen.“, antwortete ich patzig.
„Wir sind auf der Suche nach dem- oder derjenigen die unsere Welt von den Allon befreien kann.“
„Bei mir seid ihr definitiv an der falschen Adresse.“, sagte ich und deute noch mal auf meine schiere Größe.
„Du unterschätzt dich Pepe. Morgen erfahren wir mehr.“, erwiderte Ni´ma.
„Was heißt hier morgen?“, fragte ich erschrocken.
„Wirst du schon sehen, aber erstmal ist Schlafenszeit“, sagte Dahman vieldeutig. Pah, als würde ich jetzt einfach friedlich schlummern.
Funga – sind die geborenen Solaten – NICHT
Ni´ma und Dahman, meine Möchtegern-Eltern, auch wenn ich das für einen schlechten Scherz hielt, brachten mich in einem Miniaturzimmer unter. Es hatte Ähnlichkeit mit meinem zu Hause. Sie wollten wohl bezwecken, dass ich mich heimisch fühlte. Doch alles, was ich empfand, war Heimweh. Ich starrte aus dem Fenster in den Sternenhimmel. Irgendwo da draußen war meine Familie und ich werde alles tun, um zu ihnen zurückzukehren. Allerdings würde die Flucht nicht leicht werden. Mein Miniaturzimmer stand auf einem hohen Regal und Rutschen gab es nicht. Auch kein Seil oder Ähnliches. Einen Sprung würde ich nicht überleben. Ich würde aufprallen und mein Körper würde sich zu einer schwabbligen Scheibe mit Kulleraugen stauchen. Kein schöner Anblick und kein schöner Tod. Die halbe Nacht tippte ich mir an den Hut und lief auf und ab. Wir Funga waren ein friedliches, harmonisches Volk, das mit seiner klitzekleinen, heilen Welt vollkommen zufrieden war. Überlebenstraining gab es bei uns nicht als Unterrichtsstunde.
Ein lautes Klopfen ließ das ganze Zimmer beben. Ein weitere Teil meines Huts poppte nachoben. Verplitz nochmal, das fehlte noch. Jetzt sah ich sicher aus wie ein seltsamer Hase mit Stummelohren. Der Miniatur-Türknauf drehte sich und ein riesiges Auge blinzelte mich an. Was bei allen...
„Bist du bereit für dein erstes Abenteuer?.“, dröhnte Dahman tiefe Stimme und warf damit einen Stuhl um
„Keine Lust.“, erwiderte ich mürrisch.
„Das glaube ich nicht. Du bist von Natur aus neugierig.“
„Ach ja? Ich schätze diese Eigenschaft habe ich mir in den letzten Stunden abgewöhnt.“, entgegnete ich und presste meinen Mund fest zusammen und starrte Dahmans Auge nieder.
„Ich nehme dich auch samt diesem Zimmer mit Pepe.“, antwortete er ernst. Er klang wie ein Vater und behandelte mich, als wäre ich ein bockiges Kind. Es ist ätzend klein zu sein. Lustlos verließ ich das Zimmer und stieg brummig auf Dahmans ausgestreckte Hand. Ni´ma und Dahman liefen durch die endlosen, immer gleichen Gänge. Hin und wieder begegneten wir anderen ihrer Art. Jeder nickte ihnen und mir zu. Sie brachten mich in eine große Halle und setzte mich auf dem Boden ab.
„Wir sind in der Nähe, wenn du uns brauchst.“, sagte Ni´ma und strich mir sanft über die Kappe. Das kitzelte wahnsinnig. Aber stur unterdrückte ich jedes Grinsen.
Vor mir befand sich ein Podium und auf dem Boden langen, wer hätte das gedacht beige Klamotten. Schlagartig füllte sich der Raum. Unvermittelt fand ich mich zwischen merkwürdigen Kreaturen wieder. Manche waren blau, orange oder sogar grün, andere bestanden aus Schleim oder Steinen. Ein paar hatten Hörner oder riesige Ohren. Die meisten waren größer als ich. Deutlich größer. Ich musste aufpassen nicht unter einer Flosse, Kralle oder Hufe begraben zu werden.
„Willkommen!“ Eine dumpfe und tiefe Stimme dröhnte durch den Raum. „Mein Name ist Aarnes. Ich bin der Älteste des Nalor Volkes.“ Ein Nalor mit gebückter Haltung und faltiger Haut hatte das Podium bestiegen. „So viele wundervolle Nachkommen.“, setzte er mit tattriger Stimme an. Ich sah mich um, die meisten Kreaturen, die keinerlei Ähnlichkeit mit den Nalorarn hatten, wirkten stutzig und traten unruhig auf der Stelle. „Mit dem Sohn meiner Enkelin Ni´ma und ihrem Gemahl Dahman, haben wir gestern unseren letzten Retter eingesammelt. Willkommen Pepe.“ Ruckartig wendete ich mich wieder dem Podium zu. Klatschen setzte ein und die komischen Hände der Nalor deuteten auf mich. Am liebsten hätte ich mich hingehockt und meinen Hut über meinen Stiel gezogen.
Aber was heißt hier eigentlich Retter? Ein ungutes Gefühl beschlich mich. „Vor euch befindet sich eure Rüstung.“ Was vor mir lag, war riesig. Wenn sie wollten, das ich mich darunter verstecke, dann ja, legen wir los. „Ihr braucht sie nur zu berühren und sie passt sich eurer Größe und Form an.“ Das will ich eigentlich nicht. „Nur zu.“, forderte der Nalor. Erneut ließ ich meinen Blick schweifen. Einige waren mutig genug und berührten die Kleidung, die sich wie eine zweite Haut um die verschiedenen Körperformen legte. Ni´ma nickte mir aufmunternd zu. Was auch sonst, als Enkeltochter des Ältesten wollte sie sicher, dass ich brillierte. Ich war geneigt, nicht mitzuspielen. Dummerweise wurde ich von einer Kreatur, die aussah wie ein überdimensionales Insekt nach vorne geschubst, sodass mein knolliger Fuß die Rüstung berührte. Sofort begannen die Stoffbahnen sich, um meinen Körper zu schlingen.
„Etwas eng.“, murmelte ich und quetschte meine Hand zwischen Stoff und Stiel. Ich sah an mir hinab und fühlte mich unbeweglich. Außerdem ließ die Farbe mich total blass wirken. Hinter Aarnes schoben sich beigen Läden zur Seite und eröffneten den Blick auf einen Planeten. Eine graue Wolke umgab ihn und er wirkte ziemlich trostlos.
„Das ist Nalor.“, sagte Aarnes. Tiefe Trauer war im Ausdruck der Nalorar zu erkennen. Dahman strich Ni´ma über den Rücken, während sie sich niedergeschlagen gegen ihn lehnte. „Wir haben die weite Reise auf uns genommen, um euch hierher zu bringen. Denn wir benötigen eure Hilfe.“, fuhr Aarnes ehrfürchtig fort. Ein Raunen lief durch die Reihen und ich dachte bloß, da kommt jede Hilfe zu spät. „Jeder einzelne Nalorar hat ein großes Opfer gebracht indem sie ihren Nachwuchs in die Hände von Fremden gegeben haben.“ Aarnes legte eine weitere Pause ein und ich beobachtete, wie viele Nalorar nickten. „Seid gewiss, sorgfältig haben wir die Planeten und eure Familien auf Zeit ausgewählt. Es sollte euch an nichts mangeln und was ich heute sehe, stimmt mich zuversichtlich.“ Aarnes sah uns Kreaturen nickend an. „Jeder von euch trägt eine Fähigkeit in sich, die helfen wird, unser aller Heimat zu retten. Damit wir als Volk dort zusammen leben können. Getrennte Familien werden wieder vereint. Die Nachkommen kehren zu ihren Eltern zurück.“ Ich war nicht überzeugt. Weder wollte ich meine besondere Fähigkeit auf dem Schlachtfeld entdecken, noch ein Leben mit meinen Möchtegern-Eltern teilen.
„Was ist, wenn ich das nicht will?“, fragte ich mehr zu mir selbst, allerdings legte sich Aarnes Blick sofort auf mich.
„Die Allon werden nicht vor Mycelien Halt machen.“, sagte der Älteste und wendete sich dann an alle. „Jede eurer Welten ist in Gefahr. Wenn ihr zurückkehren wollt, steht euch diese Option frei, obwohl eure Rückkehr uns sehr schmerzen wird.“, führte Aarnes aus und starrte ernst in die Reihen. „Doch über kurz oder lang wird auch die Welt, die ihr als Heimat bezeichnet verschwinden. Genauso erging es uns. Wir haben die Augen vor der Gefahr verschlossen. Geglaubt, es würde uns nicht treffen. Doch wir haben uns geirrt. Mit Glück seid schon lange von der Oberfläche verschwunden, wenn die Allon eure Welt verschlingen.“, erklärte Aarnes grausig. Eine Gänsehaut überzog meinen Stiel. Ich stellte mir vor, wie der Wald verdorrte. Die Nahrung ausging und unsere Häuser verschwanden. Die Knubblinge wären die letzten hilflosen Überlebenden und würden verhungern oder von den Allon gefressen. Dieser Gedanke löste Unbehagen in mir aus.
„Wie viele Welten haben die Allon schon verschlungen?“, fragte ich ängstlich. Bewegte Bilder wurden durch Aarnes eingeblendet. Ich versuchte die Planeten zu zählen, die den Allon zum Opfer gefallen waren, aber es waren zu viele. Die Bilder, die ich sah, waren furchterregend. Ich hätte einfach die Augen schließen können, aber ich konnte es nicht.
„Wir haben unzählige Jahre versucht, einen Weg zu finden die Allon zu besiegen, doch allein gelingt es uns nicht. Wir und alle Welten sind auf euch angewiesen.“ Ich sah mich um und erkannte Zustimmung. Auch ich wollte meinen Beitrag leisten. Woher kam den dieser Gedanke? Ich war kein Held. Kein Retter. Ich sah an meinem kleinen, wenig athletischen Körper hinab. Was könnte ich schon gegen die Allon ausrichten? „Jeder von euch trägt einen Torvex.“, führte Aarnes weiter aus und deutete auf ein seltsames, blinkendes Teil, das an meinem Arm klebte. „Dieses Gerät ist multifunktional. Es enthält nicht nur eine Karte von Nalor. Es kann auch diverse Proben aufnehmen und erzeugt verschiedene Waffen, die euch zur Selbstverteidigung dienen. Darüber hinaus setzt es ein Hilfssignal ab, solltet ihr in ernster Gefahr schweben.“ Nervös betrachtete ich das Gerät, dessen Name ich mir nicht merken konnte. Die anderen Kreaturen tippten wie wild drauf rum. Fast hätte mich ein riesiges Schwert erschlagen, weil sein Besitzer es nicht halten konnte. Ich kniff die Augen fest zusammen. Das war das Ende. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Vorsichtig öffnete ich ein Auge und tastete meinen Körper ab. Puh, ich war noch ganz. Böse sah ich die Kreatur an, die mich versehentlich töten wollte. Sie legte den Kopf schräg und blinzelte mich mit acht Augen gleichzeitig an.
„Eure erste Mission lautet: Erkundet Nalor und sammelt Proben, die uns helfen die Lebensweise der Allon zu verstehen. Wir werden kein Risiko eingehen. Schnell rein und schnell raus.“, sagte Aarnes. An den Seiten der Halle öffnete sich der Boden und steile Gänge, die nach unten führten, tauchten auf. Meine Nervosität stieg. Ich war doch nur ein Funga mit Stummelfüßen, einem unförmigen Hut und Schaufelhänden. Vielleicht konnte ich eine Waffe nicht mal halten. War das hier wirklich der richtige Weg? Ich würde alles tun, um meine Heimat zu retten.
„Ich bin an deiner Seite.“, sagte Dahman und gesellte sich zu mir.
„Soll mich das beruhigen?“, fragte ich zweifelnd. Dahman grinste. Nach wie vor eine gruseliges Antlitz. Dahman hob mich hoch und trug mich in eine komische Kapsel mit unzähligen blinkenden Lichtern.
„Gut festhalten.“, meinte Dahman und die Kapsel beschleunigte in einem wahnsinnigen Tempo. Ich wurde gegen Dahmans Körper gepresst. Ich spürte wie meine Augen zur Seite gedrückt wurden. „Gleich geschafft, das Schiff landet gleich.“
„Wer bei allen Blattläusen hat sich diese geniale Art der Fortbewegung ausgedacht?“, rief ich berauscht. Wenn ich schon alle Welten retten und vermutlich dabei draufgehen würde, dann wenigstens mit Stil. Und das hatte Stil. Jetzt noch eine Heldenpose und ich hätte Dinge erreicht, von denen Funga nur träumten. Ruckelnd setzte das Schiff auf und die Ausstiegsluke öffnete sich. Alles auf diesem Planeten war tot. Mausetot. Nicht zu retten. Lasst uns einen Grabstein aufstellen und verschwinden.
Aber nein, wir würden nicht aufgeben. Wenn uns Funga etwas ausmachte, dann das wir zusammenhielten. Auf ins Gefecht.
Finde die Pilzwelt toll beschrieben mit vielen guten Ideen. Tatsächlich wäre ich beim Lesen lieber dort geblieben :D Dass der Protagonist dann noch seinen eigentlichen Heimatplaneten retten muss passt für mich von der Struktur her besser in einen Roman oder längeren Text. Der Hauptcharakter wird durch sein Erzählen (und seine der Pilzwelt entlehnten Ausrufe, herrlich!) gut geschrieben und liebenswert, ich bin ihm gerne gefolgt. Was mich von der Logik her etwas wundert: Er macht sich schon am Anfang über den unbeholfenen Watschelgang der Funga lustig, aber wen oder was hat er denn zum Vergleich, wenn er dort aufgewachsen ist?
AntwortenLöschenDie Geschichte ist wirklich putzig. Die Funga als Rasse sind äußerst glaubhaft auch wenn ich etwas traurig darüber bin, dass die Pilze hier nur auf ihre Oberflächliche Frucht reduziert werden, obwohl das wichtige das Wurzelwerk unter der Erde ist ... aber zugegeben ließe sich darüber auch keine sonderlich spannende Geschichte schreiben. Ich bin kein großer Fan von Liebesgeschichten, hatte aber durchaus meine Spaßigen Momente mit dem Anfang. Allen in einem war die Geschichte wirklich angenehm zu lesen und interessant, auch wenn ich persönlich finde, dass ab dem Punkt ab dem Pepe im Raumschiff auf seine Eltern trifft die Spannung durch die humorvolle Erzählung etwas gestört wird. Außerdem bin ich traurig nie zu erfahren wie es denn jetzt weitergeht. Die Geschichte hätte sich auch gut als Roman gemacht!
AntwortenLöschenDie Geschichte ist originell. Ich liebe die witzige Art, wenn Pepe wütend wird. Dann schleudert er mit Begriffen wie "Sporenhirni" um sich. Auch "Bei all dem Wind, den dieses Geschrei verursachte, würde ich niemals Falten bekommen" fand ich oberköstlich. Einen Pilz als Protagonisten zu wählen - das hat was! Sehr kreativ!
AntwortenLöschenNicht so dolle ist die unglaubliche Masse an Rechtschreibfehlern. Es sind nicht nur die Kommafehler, das Verwechseln von "das" und "dass" (Hilfestellung: nur wenn man im Satz stattdessen "welches" sagen könnte, ist es ein "das").
Nein, es sind auch völlig krasse und offensichtliche Fehler:
"... im Gegensatz zu den anderen Heimlingen ich pure Geschwindigkeit" (in purer Geschwindigkeit???)
"Unwollkürlich musste ich mich schütteln."
"Sternenaderwälder war gespickt von ... Kristallen."
"Ihr Gliedmaßen waren eklig lang und dünn, wie ein kranke Zweige."
"Ein weitere Teil meines Huts."
"... und auf dem Boden langen ... beige Klamotten."
Usw.
Verflixt. Sowas ist dermassen schade. Einmal laut vorgelesen - der Autor /die Autorin hätte 80 Prozent davon bemerkt und sofort korrigiert. Und dieses kleine Juwel an Geschichte würde noch heller strahlen.