Chester’s Ridge
- Morgen ist die Offensive. Heute, in ein paar Stunden. Dann ist unsere Nacht vorbei. Solche Angst hatte ich noch nie.
- Ich auch. Komm näher zu mir.
- ….
- Ich halte dich. Wir haben uns.
- Das weiß jeder. CT: Chris und Tatum. Wir sind das Paar in der Dritten Bausoldatenkompanie. Sie sagen, wir beide sind…
- Gib nichts drauf. Palus-F ist anders.
- Vielleicht bist du gar nicht von Palus-F.
- Ich weiß, dass ich von dort bin.
- Woher?
- Ich habe davon geträumt und ich träume davon. Der Traum lässt mich nicht los. Die Mindblocker lassen wohl nach.
- Die Mindblocker? Du weißt schon, was darüber gesagt wird?
- Mir egal.
- Also genügt dein Traum von Palus-F als Beweis?
- Mir schon.
- Erzähl mir von deiner Heimat.
- Schon wieder?
- Ja, bitte.
- Palus-F ist nicht die Erde.
- Erzähl mir was Neues.
- Mein Planet ist eine Scheibe. So sagt man.
- So sagt man hier auch.
- Wir haben zwei Sonnen mit unterschiedlichen Farben, die in eurem neuen Regenbogen auftauchen. Zur Hälfte ist Palus-F mit Wasser bedeckt, zur anderen mit einer Wüste.
- So wie hier?
- Ja. Nur die Wenigsten leben noch dort. Die allermeisten haben die beiden Monde besiedelt. Sie sind so dicht bevölkert, dass wir sie die Stadtmonde nennen. Für Eiskunstlauf ist kein Platz. Der Raum ist knapp.
- Werden deshalb Geburt und Kindheit ausgelagert?
- Das Vertrauen in menschliche Kraft, Fürsorge und Geduld ist groß. Kinderkrankheiten verlaufen dort fast immer tödlich.
- Nun bist du so alt. Wird dich jemals jemand nach Palus-F heimholen?
- Weiß der Kuckuck, heißt es hier doch. Die Armee ist mein Zuhause. Sonst hätte ich dich nicht getroffen. Aber jetzt habe ich Angst.
- Ich bin bei dir.
- Hörst du die Sirenen? Unsere Nacht ist zu Ende.
***
Unter all den Toten im Wüstensand erkannte ich diesen Leichnam trotz aller Verletzungen und Verstümmelungen sofort, während ein Strahlenkreuzer über die Gefallenen donnerte. Nimm mich mit, durchfuhr es mich. Da ist eine Erkennungsmarke… Ein Name… Eine Erinnerung… Gestern Abend haben wir beide noch…
„Bist du Chris?“, rief einer der Sergeants, während die Drohnen wenige Meter über uns hinwegsurrten.
Ich drehte mich um.
„Chris? Dritte Kompanie? Oder was davon noch übrig geblieben ist?“, fügte er leise hinzu und musterte mich. „Bist du okay? Willst du zum Sani? Brauchst du Hilfe?“
Ich schüttelte den Kopf und warf keinen Blick zurück. Welchen Unterschied gab es zwischen einer Geisterkompanie und Gespenstern?
„Wie du willst. Wir brauchen jetzt wirklich jeden.“
***
„Chris, nicht wahr?“, fragte mich die Frau mit den kurzen Haaren und dem kantigen Gesicht. Sie hatte vorstehende Zähne und ein herabhängendes Augenlid.
Ich nickte. Am Ende des Korridors stand jemand mit einer Kapuze über dem Kopf. Trotz der Hitze war da dieses Zittern.
„Ich bin Amy.“
Ich weiß, wollte ich sagen, ich habe von dir gehört und von Cindy und von Bishop. Niemand konnte überhören, was so alles über euch gesagt wurde. Wahrscheinlich gilt das gleiche auch für uns beide vor ein paar Stunden...
„Du wirst schon erwartet.“
***
Bishops Bürstenschnitt schimmerte rostbraun. Er zupfte an seinem Zwiebelschnurrbart. Nicht nur seine Muskeln waren in der roten Brigade einzigartig. Trotz des fortgeschrittenen Alters bewiesen die Auszeichnungen, dass er immer noch gut in Form war. Alterstechnisch hätte er mein Vater sein können. Wir hatten zuwenig Soldaten. Das Ruhestandsalter wurde immer weiter erhöht, das Eintrittsalter gesenkt. Tauglich erscheinende Personen wurden auf offener Straße kurzerhand zwangsrekrutiert.
„Na, dann los“, befahl er mit einem Grinsen, hinter dem ich eine tiefe Verbitterung spürte.
„Sie wissen nichts“, meinte ich hinterher und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Plötzlich war mir heiß. Ich dachte an die Eissporthalle mit all ihrer Kälte. Ich sah eine Eiskunstläuferin mitten im Sprung. „Sonst hätten sie längst geredet. Kein Mensch hält so etwas ewig aus.“
„Mensch…“, hörte ich Amy murmeln.
„Du hast eben nicht richtig gefragt“, meinte Bishop. „Du mit deinen Sprachkenntnissen.“
„Ich habe oft genug gefragt, in jeder Sprache, die hier und auch anderswo gesprochen wird“, erwiderte ich. „Und du hast oft genug geprügelt. Es stimmt, was über dich gesagt wird.“
„Und was wird gesagt?“
„Du weißt einfach nicht, wann Schluss ist.“
„Vielleicht habe ich ja deshalb ein paar Orden mehr als du, als ihr alle bekommen.“ Auffordernd sah er sich um. „Vielleicht bin ich auch deshalb noch am Leben.“
„Vielleicht hält dich auch nur der Hass am Leben.“
Bishop schwieg.
„Für mich ist jedenfalls Schluss.“
Ich betrachtete die Gefangenen. Menschen? , fragte ich mich und sah eine Pyramide.
„Und warum?“, fragte Cindy. Sie hatte kupferfarbenes Haar, immer noch helle Haut und Krähenfüße.
„Wenn ihr mit Blut und Schweiß und Tränen kein Problem habt, dann vielleicht damit“, sagte ich und wies auf einen der Gefangenen.
„Verdammt!“, bestätigte Amy. Ihr käsiges Gesicht war noch gelber geworden. Der entstandene Geruch…
Bishop sah mich an. Angeblich hatte er bei den Anschlägen jemanden verloren, so dass man ihn an seinem Jahrestag besser nicht ansprach. Von Palus-F ganz zu schweigen. Einmal war er wohl dabei angetroffen worden, wie er mit geballten Fäusten zu den Sternen geblickt hatte.
„Mach mit oder hau ab“, befahl Bishop.
Langsam wich ich zurück. Plötzlich stieß ich jemanden an. Erschrocken fuhr ich zurück. Es war die Kapuze. Leise stotterte ich eine Entschuldigung. Schritt für Schritt schlich ich weiter zurück. Ich dachte an unser Training zuerst im Nahkampf, dann im Häuserkampf. Ich ging durch eine Tür, aber ich konnte nicht abschließen.
***
Diese Wärme war so ungewohnt wie diese Begegnung oder der Fernseher, der den Eiskunstlauf und die Richter zeigte.
„Noch etwas zu trinken?“, fragte Kane vom Veteranenbüro Unterabteilung Wiedereingliederungsdienst. Kanes Arbeitschwerpunkt bildete Menschenführung. Vielleicht war es auch die Führung von Menschen, die dafür gehalten wurden oder sich selbst dafür hielten.
Ich hielt der Kellnerin meine Tasse entgegen und ignorierte ihren Blick.
„Noch etwas zu essen?“
Sei vernünftig, befahl ich mir. Das ist deine erste konventionelle Mahlzeit seit … überlegte ich. Du spürst jetzt schon deinen Körper. Genug, ja, du könntest für zwei essen, nach all der Zeit, aber jetzt lass es, sonst…
„Nein, vielen Dank“, hörte ich mich sagen.
Wir waren wieder allein.
„Schön, dich endlich einmal kennen zu lernen, Chris. Du bist schwer zu finden.“
„Du weißt, warum.“
„Dabei bist du eine Berühmtheit.“
„Weil ich allein aus der dritten Kompanie überlebt habe?“
„Weil du eine Aussage gemacht hast.“
„Es stand Wort gegen Wort. Hier gab es keine Beweise.“
„Du hast Leute nachdenklich gemacht.“
„Menschen sind selten lange nachdenklich.“
„Willst du in der Vergangenheit bleiben oder in die Zukunft gehen?“
Ich spürte die Tritte der Vergangenheit. „Könnte ich zuerst noch duschen?“
„Zuerst müssen wir noch etwas klären.“
Kane sah auf seine K-Einheit. „Drei Anzeigen wegen Parasitentum. Schwere Körperverletzung.“ Bestimmte Strafakten waren für jeden offen einsehbar. Das gehörte zu den Reformen nach dem Zweiten Bürgerkrieg. Die Umweltbibliotheken blieben aber auch nach dem Organbankencrash geschlossen. Die Authentizitätskommission hatte nichts daran geändert.
„Der Typ wollte einen der Teenies vergewaltigen.“
„Schläfst du deshalb nicht mehr im Asyl?“
Schweigend sah ich zu dem Bildschirm in der Ecke: Die Eiskunstläuferin sprang.
„Der Junge hat sich an deine Tätowierung mit der Pyramide erinnert.“
„Pyramiden sind nicht selten.“
„Eine Pyramide mit aufeinander gestapelten Personen in Fötushaltung aber schon.“
Stumm sah ich Kane ins Gesicht, während ich an die Veteranen mit den Gesichtsverletzungen dachte. Inzwischen trug ich einige Male auf meiner Haut. Von einigen wusste ich nicht, wie sie bekommen hatte. Ich brauchte ein Zuhause, kein Asyl.
„Wie lange hälst du die Nächte draußen noch aus? Der nächste Winter kommt. Dann kannst du dich nicht mehr im Fluss waschen.“
„Ich bin kältere Temperaturen gewohnt, da, wo ich herkomme….“
Ich war die Temperatur gewohnt, aber… Ich sah Kane an und sah eine Bürgerziffer samt Versicherung. Die Pyramide, nur fürs erste, vielleicht ist es ja auch gar nicht so schlimm, dachte ich, als ich wieder unter einer Dusche stand.
***
„Man hat immer gut über euch geredet, obwohl euch kaum jemand kannte. Bausoldaten…“
Ich vertiefte mich in den Prospekt, den Kane mir in die Hand gedrückt hatte. .
Herzlich willkommen in Chester`s Ridge, dem anerkannten Zentrum für Verhaltensmodifikation. Wir verhelfen jungen Menschen in Umbruchsphasen zu neuen Perspektiven. Unsere pädagogische Betreuung umfasst körperliche Ertüchtigung und die Vertiefung von Verbindlichkeit und Gemeinsinn bei der Selbstversorgung unserer Gemeinschaft durch eigenen Anbau von Obst und Gemüse. Zu unserem Programm gehören ertüchtigende Spaziergänge durch die Waldgebiete mit der Gebirgskette, nach der unser Schulungszentrum benannt ist. Zudem ermuntern wir die uns anvertrauten Menschen, sich in Gesprächsrunden unserem empathischen Personal vertrauensvoll zu öffnen.
Chester`s Ridge hatte zerklüftete Steinwände, deren Spitzen von kaum sichtbaren Geländern gekrönt wurden. Der Text versicherte, dass alle Sicherheitsvorschriften strengstens beachtet wurden. Nennenswerte vulkanische Aktivitäten habe es seit Beginn der Aufzeichnungen nicht gegeben.
Ich betrachtete das Bild der Direktorin mit dem blonden Haar, das ihr teigiges Gesicht herzförmig umrahmte.
„Muss ich mich denn nicht vorstellen?“, fragte ich unsicher.
„Das ist Training on the Job.“
„Bevor ich den Job habe?”
„Du hast ihn schon.“
„Wir sind doch noch unterwegs.“
„Wir kommen zur Abholung.“
„Was denn für eine Abholung?“
„Wirst du gleich sehen.“
***
Wir wurden durchgewinkt und fuhren einige Minuten durch diese bewachte Kleinstadt. Alle Häuser sahen anders aus. Alle Häuser strahlten Reichtum aus. Gleichzeitig erahnte ich ein Erbe, das niemand ausschlagen konnte.
„Welche Hausnummer?“, fragte Kane.
„101“, antwortete ich.
„Hast du die Tasche?“
„Welche Tasche?“, fragte ich.
„Die, die ich dir geben habe!“
„Ist hinten.“
„Hast du da überhaupt reingeschaut?“
„Nein.“
Kane schwieg.
„Hauptsache, du hast sie gleich dabei“, sagte er dann.
Vor dem Haus wartete ein athletischer Mann.
***
„Chris, das ist Jason. Jason, Chris.“
Jason nickte mir kurz zu. „Hast du die Tasche dabei?“
Mit der Linken wies ich auf die Tasche in meiner Rechten.
„Dann los“, befahl Jason, der zu meiner Überraschung eine Schlüsselkarte hervorholte.
„Werden wir nicht erwartet?“, fragte ich und sah auf das Licht hinter den Fenstern.
„Ja und Nein“, erklärte Kane.
„Verstehe ich nicht“, sagte ich.
„Wirst du gleich“, versprach Jason.
***
Der Teleschirm nahm fast die gesamte Wand ein. Vor den Bildern von der neuen Freihandelszone jenseits des Asteroidengürtels saß regungslos ein Paar. Fragend sah ich Kane und Jason an. Stumm befahlen sie mir, ihnen auf der Treppe nach oben zu folgen. Noch einmal blickte ich zu dem Paar, das vor dem Bericht verharrte.
Der bestehende Grundlagenvertrag zwischen der Erde und Palus-F war um das Abstammungsprinzip und das Planetenprinzip erweitert worden. Außerdem durften nun Lebensformen auf Palus-F und der Erde offiziell ungehindert und unzensiert miteinander kommunizieren. Jeder hatte das Recht, seinen Wohnsitz frei zu wählen. Damit war bisher längst praktiziertes Gewohnheitsrecht in feste Paragraphen transformiert worden. Präsidentin Salvador und DAN-89, Regent von Palus-F, hielten altmodisches Papier in die Kamera.
Die diplomatischen Beziehungen zwischen Palus-F und der Erde waren offiziell 25 Jahre vor meiner Geburt aufgenommen worden. Es war die Zeit, als der von Palus-F auf der Erde praktizierte Brutparasitismus durch freie Journalisten und Found Footage öffentlich gemacht wurde. Familienvideos zeigten ergreifende oder verstörende Szenen. Während die einen in der Praxis von Palus-F eine Gefahr sahen, erkannten andere darin eine Chance.
Skeptiker verwiesen auf die unterschiedliche Lebensweise und der chemobiologischen Zusammensetzung der fremden Spezies, ganz zu schweigen von bislang unbekannten Krankheiten. Warum solle zudem die Erde Ressourcen aufwenden, um fremde Sprösslinge großzuziehen, die ihren Gastplaneten dann doch wieder verließen? Das Abstammungsprinzip respektierte nun die Heimkehr nach Palus-F.
Hier verwiesen nun die Befürworter auf stetig sinkende Geburtenraten auf der Erde mit dem damit verbundenen Fachkräftemangel. Die Erde sei ein Einwanderungsplanet, sagten sie und verwiesen auf Migration als grundlegendes Element in der Menschheitsgeschichte. Sie erinnerten an die vielen auf der Erde zurückgelassenen „Kuckuckseier“, weil die Eltern inzwischen verstorben waren oder kein Interesse mehr an ihren Kindern hatten und daher auf dem Blauen Planeten heimisch geworden waren. Das Planetenprinzip sagte diesen von Palus-F abstammenden Personen die irdischen Bürgerrechte vollumfänglich zu.
Unter den Alteingesessenen breitete dennoch sich ein Gefühl der Spaltung aus. Wer gehörte wirklich dazu, wer nicht? True Crime Stories, in denen entlarvte Kuckuckskinder ihre irdischen Geschwister schlugen oder sogar töteten, taten ihr Übriges. Daneben tobte mehr oder weniger weiter unbemerkt die bisherige häusliche Gewalt. Ehepartner schlugen sich. Eltern schlugen Kinder. Kinder schlugen Eltern. Doch nur die Kuckucksaliens erzielten Einschaltquoten.
Ich folgte Jason und Kane durch einen langen Flur. Ohne anzuklopfen, betraten wir ein Zimmer mit Nachtlicht. An den Wänden hingen Bilder von Popstars und der Eiskunstläuferin. Erschrocken fuhr ein junges Mädchen aus dem Schlaf. Es hatte langes blondes Haar und ein schmales Gesicht, das sich nun verzerrte.
„Wer seid ihr, Arschlöcher?“, fauchte sie. Die da unten müssen es doch hören, dachte ich.
„Wir kommen dich zu holen, Kara“, verkündete Kane. „Mach uns keine Schwierigkeiten, sonst machen wir dir welche.“
„VERPISST EUCH!“
Kane nickte mir zu. Sofort übergab ich die Tasche. Er öffnete sie: Ich sah hinein:
„MEINE ELTERN WERDEN EUCH DEN ARSCH AUFREISSEN!“, kreischte sie, während Kane und Jason sie auf den Bauch drückten und ihre Hände auf den Rücken fesselten. Sie strampelte immer noch mit den Beinen.
„Worauf wartest du denn noch?!“, rief Jason. Also band ich Karas strampelnde Füße zusammen, als ob ich keinen einzigen Tag unsere Armee verlassen hätte. Das silberfarbene Klebeband versiegelte Karas Mund, während mir die Kapuzengestalt einfiel. Ich dachte an das stumme Paar vor dem Fernseher.
Ruhig blickten Kane und Jason in Karas wild aufgerissene Augen. „Es sind deine Eltern, die uns schicken, Kara“, erklärte Kane. Er sprach langsam und betonte jedes einzelne Wort. Kara sah zu mir. Asyl, dachte ich, ohne eine einzige Silbe herauszubringen.
Jason nahm das Mädchen behutsam huckepack. Kane ging voran. Ich folgte Jason und sah auf Karas Hinterkopf. Ihr Wimmern war leise, aber deutlich. Im Flur deponierte Kane den Hausschlüssel auf dem kleinen Tisch. Das Paar verharrte immer noch vor dem Bildschirm. Ich dachte an Berichte von allein stehenden Menschen, die vor den Teleschirmen verstarben und erst Monate später aufgefunden wurden. Als die Haustür hinter uns ins Schloss fiel, kotzte ich in den Vorgarten.
***
Kane saß neben Jason hinter der Steuerungseinheit. Ich saß hinten neben Kara, die immer noch gefesselt war. Sie blickte aus dem Fenster. Die Landschaft flog an uns vorbei. Die Anbauflächen hatten sich durch die neuen Nahrungsmittel verändert. Ich dachte an die Umweltbibliotheken zurück. Plötzlich sehnte ich mich nach meinen Fluss, in dem ich mich notfalls auch unter Eisschollen waschen würde. Aber ich bin nicht mehr alleine…
„Was ist, wenn…?“, begann ich, als wir in die Morgendämmerung fuhren.
„Wir haben eine Vollmacht“, erklärte Kane.
„Von wem?“, fragte ich erstaunt.
„Von den Eltern. Hast du nicht zugehört? Sie treten ihr Kind an uns ab. Sie beauftragen uns mit Karas Erziehungsauftrag. Wir begleiten eine Minderjährige.“
„Gilt die Vollmacht nur für die Erde?“
„Was meinst du?“
„Es gibt immer noch diese Fälle von den Kuckucksaliens, die von ihren Eltern….“
„Unsere Vollmacht ist interstellar“, unterbrach mich Kane und zeigte mir das amtliche Siegel in seiner K-Einheit. Ich dachte an das neue Abkommen, über das berichtet worden war.
Ich sah Kara an und fragte mich, ob sie von Palus-F stammte. Ich betrachtete ihre Tränen. Sind die Tränen unter allen Sternen gleich? , fragte ich mich. Kara wich meinem Blick aus.
„Keine Panik“, fuhr Kane fort. „Vor dem Knast bieten wir noch eine Chance. So leicht gibt die Erde niemanden verloren, schon gar nicht die Kinder. Dafür haben wir davon viel zu wenig.“
Ich kämpfte gegen die erneute Übelkeit an.
„Frühstück?“, fragte Kane und sah uns durch den Rückspiegel an. „Gleich kommt ein Interstopp. Wir haben deinen Ernährungsplan mit allen Allergien. Wirst du ein braves Mädchen sein?“
***
Das Büro befand sich in dem kleinen Verwaltungszentrum von Chester’s Ridge. Es war ein Gebäude mit organischer Architektur. Ringsherum waren die Unterkünfte sternförmig angeordnet. Neben dem Landefeld erhob sich eine geodätische Kuppel. Dort wurden Obst und Gemüse angebaut. Umgeben war die Anlage von einem schwarz gestrichenen Zaun, der unter der Mittagssonne zu glühen schien.
Ich stand vor dem Schreibtisch, hinter dem ein Bild mit einem Lavendelfeld hing. Ich betrachtete das Namenschild. auf dem Schreibtisch, der an einigen Stellen Kratzer hatte. Niemand hier würde, so erfuhr ich später, die Direktorin mit ihrem Vornamen ansprechen. Gerüchten zufolge hatte sie den gleichen Vornamen wie eine Eiskunstläuferin vor der Jahrhundertwende. Allgemein wurde die Leiterin bloß Mrs. F. genannt, obwohl vielleicht auch Ms. oder Mx. denkbar wäre. Niemand fragte. Jeder hatte das Recht, seinen Namen zu ändern. Jeder hatte das Recht, vergessen zu werden. Niemand hatte die Garantie, nicht wieder gefunden zu werden.
Nun sah ich dieses Lächeln und damit ein Bett, regelmäßige Mahlzeiten, eine Dusche und eine Zukunft. Mrs. F. nickte zu dem Mann zu ihrer Linken.
„Salo“, sagte er und verbeugte sich knapp. Er trug einen einfachen Anzug, war glatt rasiert und hatte kurze graue Haare.
„Unser Arzt“, erklärte Mrs. F., als sich ihre K-Einheit meldete. Sie entließ mich mit einem freundlichen Nicken.
***
Je mehr man versucht, etwas nicht zu hören, desto deutlicher hört man es, dachte ich, als ich gerade das Büro verlassen hatte.
„Das hatten wir doch alles schon“, begann Mrs. F.
…
„Mit der Vollmacht, die Sie uns seinerzeit übertragen haben, haben Sie uns weit reichende Befugnisse übertragen.“
….
„Der Zeitraum ist eindeutig formuliert als bis auf weiteres.“
….
„Da hätten Sie den Vertrag eben sorgfältiger lesen müssen.“
…
„Unsere Rechtsabteilung wird Ihnen da nichts anderes sagen. Und sie ist spezialisiert auf solche Anfragen. Allzu viel Hoffnungen kann ich Ihnen da nicht machen.“
….
„Vertrauen Sie uns einfach. Das haben andere Eltern auch schon.“
***
Ich schlafe noch, dachte ich. Das ist einer dieser Alpträume im Asyl. Wache auf und denke an schöne Träume. Denke an diese Nacht.
„Was macht ihr hier?“, fragte ich.
„Arbeiten, um zu leben. Andere Einrichtungen wollten uns nicht“, erklärte Bishop achselzuckend. Amys Blick vermochte ich nicht zu deuten. Was sollte ich noch sagen? Ich hatte mir Chester’s Ridge nicht ausgesucht. Wahrscheinlich war es bei ihnen ebenso gewesen.
„Ist Cindy auch dabei?“
In dem Augenblick hörte ich Rufe.
„Natürlich“, bestätigte Bishop. „Never change a winning team.“
Aufgeregte Rufe erklangen. „Desert Queen!“, hauchten einige der Jugendlichen.
„Desert Queen?“, fragte ich.
„Cindy hat einige Fights gegen die VIPs in den Reservaten und Sonderzonen gewonnen. Gab es kein Fernsehen, wo du warst?“
„Nein“, sagte ich. Unsere Bilder waren zu realistisch für Reality TV. Ich stellte mir Cindys Fights vor, zwischen Werbeblöcken, Eiskunstläuferinnen und Urwaldlagern. „Warum ist sie nicht einfach dabei geblieben?“
„Man kann nicht immer boxen.“
Aber man muss sich immer durchboxen, dachte ich, als Cindy zu uns kam. Sie trug ihr Haar nun kürzer. An den Schläfen war es ein wenig grau geworden. In ihrem Gesicht erkannte ich die Narben. Vermutlich war die Nase gebrochen. Lag es am Boxen? Hatte einer der Jugendlichen Widerstand geleistet?
„Cindys Kampfname lautet auch Desert Witch“, verkündete Bishop.
„Nicht Desert Bitch?“, fragte ich.
„Kannst es ja raus finden.”
***
Nach dem ersten Schlaf versuchte ich mich an diese Nacht vor unserer Schlacht zu erinnern. Erzähl mir von deiner Heimat… Wann immer ich versuchte, mir diese Schilderungen vor Augen zu halten, hörte ich ein leises Weinen und manchmal auch einen kurzen Aufschrei. Zweimal wagte ich, Mrs. F. darauf anzusprechen. An ihrem Gesicht las ich, dass ich sie genauso gut nach ihrem Vornamen hätte fragen können. Bei Bishop, Amy und Cindy versuchte ich es erst gar nicht. Salo war ein Gespenst: anwesend, aber unsichtbar. Also schloss ich die Augen bis zum Wecken. Sehen konnte ich trotzdem immer mehr.
***
Die Tage verflossen ineinander. Beim Wecken sah ich in die bestürzten und verwirrten Gesichter. Ich fragte mich, ob die Abholung bei den anderen Jugendlichen genauso verlaufen war wie bei Kara.
„AUFSTEHEN! LOS!“, brüllte Bishop.
„Aufstehen!“, echote Amy.
„Aufstehen!“, kreischte Cindy schrill.
„Kommt in die Gänge, je schneller, je besser“, bat ich diesmal Blair. „Ihr wisst, wie die drei drauf sind.“
„Und wir wissen, wie du drauf bist, Chris.“
***
„Nennst du das etwa sauber, du Stück Dreck?“, knurrte Bishop.
„Ich kann es nicht besser…“, entschuldigte sich Blair zitternd.
„Sag’ mir nicht, was du nicht kannst. Mach es endlich sauber!“
„Aber ich habe doch jetzt schon…“
„Dann mach es noch mal und noch mal, bis es endlich sauber ist!“
„Na gut.“
„Ich kann dich nicht hören!“
„Ja, Sir!“
„Und komm mir bloß nicht mit irgendeiner Allergie gegen Reinigungsmittel. Gegen so was bin ich nämlich allergisch! Was glotzt du so, Chris?“
„Ich werde euch helfen.“
***
Nachmittags war Gesprächskreis. Ich erinnerte mich an die Zeit der Jahrbücher mit Schülerportraits. Instinktiv fragte ich mich, wer hier von Palus-F stammte. Auffordernd sah Mrs. F. Blair an. Sie trug ihr steingraues Kostüm und hatte die Beine übereinander geschlagen.
„Ich würde mich freuen, wenn du heute das Eis brichst. Gerade du“, begann sie.
„Warum ausgerechnet ich?“
„Du weißt selbst, warum deine Eltern dich hierher geschickt haben.“
„Soweit ich mich erinnern kann, wurde ich aus dem Schlaf gerissen und hierher verfrachtet.“
Kara machte ein Geräusch, das alle hörten und überhörten.
„Weil deine Eltern mit deiner Art überfordert sind, Blair.“
„Ich habe niemandem etwas getan. Gegen mich liegt nichts vor, Mrs. F.“
„Die langen Haare…“
„Die langen Haare sind nicht strafbar.“
„In deinem Bundesland aber schon, zumindest für jemanden wie dich.“
„Das haben meine Kidnapper ja jetzt geändert.“
„So schlimm sind kurze Haare auch nicht.“
„So kann man eine Glatze natürlich auch nennen.“
„Menschen haben zudem ein Problem mit deiner Schweigsamkeit, Blair.“
„Ich rede doch.“
„Aber sonst nicht.“
„Wenn ich etwas zu sagen habe, melde ich mich schon. Aber das ist nur selten erwünscht.“
„Jetzt schon.“
„Wann immer ich etwas sage, sind Menschen gekränkt, verletzt, Türenknallen, das große Drama. Wann immer ich etwas nicht sage, siehe oben. Jetzt sage ich Ihnen etwas, Mrs. F.“
„Wir sind ganz Ohr.“
„Sie können in Ihrer Akte vermerken, dass ich die Gesprächsrunde eröffnet habe.“
Bishop zupfte unruhig an seinem Schnurrbart. Er weiß immer noch nicht, wann Schluss ist, dachte ich, weil sich nicht nur dieser Gesprächskreis dreht und dreht. Cindy betrachtete ihre Nägel. Ich sah in Amys glitzernde Augen.
Neben Blair saß Holden.
„Du hast es verwandelt“, begann Mrs. F. „Zeige uns doch bitte das Bild, Holden.“
Holden begann zu weinen. Ja, wimmerte er, er habe zuviel getrunken. Ohne seine rote Kappe wirkte er hilflos.
„Nur ein wenig zu viel, hast du dem Richter gesagt“, sagte Mrs. F. „Aber es war genug.“
Holden war mit seinem Auto in ein anderes Auto gefahren. Das Wochenende hatte gerade begonnen, als für andere Menschen das bisherige Leben in einem Feuerball endete. Holden hatte Glück. Die drei Mädchen in dem anderen Auto hatten Glück. Das vierte Mädchen hatte Pech und überlebte.
„Zeig uns das Bild, Holden. Danke. Jetzt das andere. Das Bild von dem Mädchen davor und danach. Du schaffst das. Du bist stark.“
Wimmernd hielt Holden in der einen Hand das eine und in der anderen das andere.
„Wie viele OPs waren es seitdem?“
„Ich weiß es nicht.“
„Wie viele stehen noch an?“
Hilflos zuckte Holden mit den Achseln und heftete den Blick auf die Mitte des Stuhlkreises.
„Sie hat dir eine Nachricht geschrieben. Lies sie uns doch bitte vor.“
Zitternd kramte Holden ein abgegriffenes Blatt Papier hervor. „Ich hasse dich nicht, Holden“, las er.
„Niemand hasst dich“, sagte Mrs. F. „Nur einer. Du weißt selbst, wer das ist.“
Holden nickte, ohne uns anzusehen. Neben Holden saß Kara.
„Hast du Mitleid mit dem Mädchen, dass durch Holden verbrannt wurde, Kara?“, fragte Mrs. F.
„Natürlich habe ich das, hätte doch jeder, von so einem Monster in ein Monster verwandelt zu werden.“
„Du bist Spezialistin für Schönheit.“
„Wie meinen Sie das?“
„So wie es unzählige deiner Nachfolger auch verstehen. Du bist für sie eine Ikone. Sie wollen so sein wie du.“
„Dafür kann ich doch nichts.“
„Für deine Meinung schon.“
„Ich bin gefragt worden.“ Kara sah Blair an. „Ich habe ihr bloß geantwortet. Ich kann nichts für das, was sie dann gemacht hat.“
„Das Gericht sieht das anders. Vor allem weil es kein Einzelfall war.“
Mrs. F. griff nach ihrer K-Einheit.
„Muss das sein?“, fragte Kara errötend.
„Wir haben doch hier keine Geheimnisse voreinander.“
Kara schwieg mit rotem Kopf.
„Wiederholte Verletzung der Ausgangssperre. Weißt du eigentlich, was du für ein Glück gehabt hast?“
„Wohl eher Beziehungen“, bemerkte Blair.
Mrs. F. sah Blair an. Blair schwieg. Mrs. F. fuhr fort. „Wiederholt betrunken in der Öffentlichkeit. Schwere Körperverletzung, die Anklage erkannte sogar auf…“
„Das sagt sie.“
„Sie ist doch deine Schwester.“
„Nein, ist sie nicht. Sie ist nichts weiter als ein lächerlicher Betriebsunfall, der besser im Vorfeld entsorgt worden wäre.“
Es wurde still. Plötzlich begann Blair zu röcheln. Mit verzerrtem Gesicht erhob er sich.
„Was hat der denn?“, fragte Bishop.
In der Mitte des Stuhlkreises brach Blair zuckend zusammen.
Ich sah zu Mrs. F. „Holen Sie Salo!“
Sie nickte und aktivierte ihre K-Einheit.
„Vielleicht ein allergischer Schick“, überlegte Amy.
„War irgendetwas mit dem Mittagessen?“, fragte ich.
„Das werden wir herausfinden. Salo ist gleich hier“, versicherte Mrs. F.
Ich kniete neben Blair und sah in diese Augen. Blairs Blick wanderte zu meinem Handrücken und weitete sich. Blair hob den rechten Arm. Auf Blairs Handrücken erkannte ich das gleiche Mal wie bei mir. Im Handumdrehen berührten sich unsere Male, als Salo alles Nötige tat.
***
Die Tagesmärsche wurden schrittweise ausgedehnt. Nach der Wüste, den Straßen und dem Fluß hatte ich mich an die klare Luft von Chester’s Ridge gewöhnt. Die Sonne ließ die Felswände bernsteinfarben aufleuchten. Das Marschieren entlang der verkrüppelten Kiefern sorgte bei unseren Schützlingen immer noch für Unmut. Ich sah in diese Gesichter. Schweigend marschierte Salo mit einem Koffer an unserer Seite. Ihm war nichts anzumerken.
„Ich kann nicht mehr“, stöhnte Kara.
„Das sagst du immer“, höhnte Bishop. „Und dann geht es doch immer, Süße.“
„Hör endlich auf, mich so zu nennen.“
„Da kenne ich Schlimmeres, Süße.“
„Hier sind wir auch noch nie gewesen“, meinte Holden, als wir die Absperrung hinter einem weiten Feld erreichten. Vor uns lag eine Schlucht. Ich blickte hinunter. Den kleinen Bach konnte ich leise hören, aber nicht sehen. In der Ferne erhoben sich Schnee bedeckte Bergspitzen unter einem blassen Regenbogen. Dort befand sich der erloschene Vulkan.
„Das war’s dann wohl“, hörte ich mich sagen.
„Das war es noch lange nicht“, widersprach Bishop. Er sah zu Blair. „Es ist noch nicht alles von allen gesagt.“
„Da hast du recht“, sagte ich.
„Also los, Blair, warum bist du so schweigsam?“
Blair sah mich fragend an.
„Von dir ist noch nicht alles gesagt, Bishop“, meinte ich.
Bishop ließ sich nichts anmerken.
„Von dir haben wir noch nichts gehört. Du willst, dass wir reden. Fangen wir mit dir an.“
„Und warum?“
„Weil du immer noch der höchste Dienstgrad bist, von dem Lebensalter ganz zu schweigen.“
Schweigend begann Bishop an seinem Schnurrbart zu zupfen.
„Es waren nicht die Anschläge, nicht wahr?“, begann ich. „Aber du hast jemanden verloren. Dein Kind, das nicht dein Kind war, weil es von Palus-F stammte. Du musstest es gehen lassen, als die Eltern von Palus-F kamen.“
Bishop schluckte. Schweigend sah ich ihn an. Um uns herum wurde alles so still, dass ich mich an das Weinen und die Schreie in der Nacht erinnerte.
„Woher weißt du das alles?“, fragte Bishop dann.
„Das frage ich mich auch. Seit dieser Schlacht weiß ich plötzlich Dinge, von denen ich nicht weiß, warum ich sie weiß. Ich habe eine Ahnung…“
Cindys Hieb traf mich schnell und gezielt.
„Davon hast du nichts geahnt, oder? Halt einfach die Fresse!“
„Lass Chris in Ruhe“, bat Bishop, während Amy mich entsetzt anstarrte, als ich in die Knie sackte. Bilder wirbelten durch mein Bewusstsein. Cindy, nur ein Mensch, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Amy auch. Und ich?
„Du fühlst dich als Versager, aber das bist du nicht“, sagte ich zu Bishop. „Du warst ein guter Vater, Biologie spielt da keine Rolle. Du hast alles für dieses Kind getan, das dir anvertraut wurde.“
„Jede Eiskunstläuferin wird mich daran erinnern“, gestand Bishop. „Wie wurde es mir gedankt? Es wollte nicht für die Erde arbeiten, geschweige denn kämpfen.“
„Es wollte bloß seine Wurzeln kennen lernen.“
„Die Erde war die Wurzel.“
„Wurzeln gibt es viele. Wurzeln sind mehr als Biologie. Du hast ein Kind erfolgreich großgezogen. Dafür verdienst du noch einen Orden. Aber jedes Kind ist nur geliehen. Kinder müssen gehen.“
„Mir war nur dieses eine Kind vergönnt. Jetzt bin ich kein Vater mehr“, sagte Bishop.
„Du wirst immer ein Vater sein.“
„Wie? Sieh sie dir doch an, diese verschwendeten Leben.“ Erbittert streckte er das kantige Kinn in Karas Richtung. „Eine selbstverliebte Göre, die unzählige Bilder von sich postet, um zu zeigen, wie schön sie ist, und dann ihre eigene Schwester…“
Kara schlug die Hände vors Gesicht und weinte.
Bishop zeigte auf Blair. „Ein Idiot, ein Trottel, ein Kind in einem Alter, in dem andere Kinder erwachsen werden…“
Blair senkte den Blick.
„Und der?“ Bishop wies auf Holden, der wieder weinte. „Über den muss doch niemand mehr was sagen.“ Bishop zeigte auf Kara, Blair und Holden und winkte ab. „Ihr Leben ist vorbei, kaum dass es angefangen hat“, schloss er.
„Sie sind doch erst noch am Anfang. Die Zeit ist auf ihrer Seite.“
„Aber nicht mehr auf meiner“, sagte Bishop und sah zu Salo. „Manchmal ist man für alles zu alt.“
„Dann nutze die verbleibende Zeit, um anderen zu zeigen, was wichtig ist, damit sie alles Wichtige weiter tragen.“ Ich deutete auf Cindy und Amy. „Cindy hat die Kraft. Das hat sie als Desert Queen bewiesen.“
„Und ich?“, fragte Amy.
„Du hast eine andere Kraft. Du musst sie nur finden.“
Ich sah zu Salo. „Sie werden auch noch gebraucht, egal, was Sie getan haben, Sie können es hier nun besser machen“, sagte ich zu ihm.
Schweigen breitete sich aus. Wieder war nur der Wind zu hören. Wir sahen uns an. Plötzlich ließ ein dumpfer Lärm Chester’s Ridge erbeben.
„Was ist das?“, fragte Cindy.
„Hier ist doch noch der Vulkan, oder“, meinte Kara erschrocken.
„Da ist nichts zu sehen“, bemerkte Holden.
Der Lärm wurde lauter. Ich sah zu Bishop, Amy und Cindy. Vor allem wurde mir der Lärm vertrauter. Wer von uns würde je das Geräusch einen Strahlenkreuzers im Landeanflug vergessen?
***
Dem Protokoll von Palus-F zufolge erschienen zuerst die wichtigsten Personen. Sie sahen uns an. Dann ruhte ihr Blick auf mich.
„Wir suchen Chris.“
„Dürfen wir bitte fragen, mit wem wir die Ehre haben?“, fragte ich.
„JUNO-42.“
„GAD-7. Wir suchen Chris.“
GAD-7 sah mich genauer an. JUNO-42 trat auf mich zu, betrachtete mich eingehend und schüttelte den Kopf.
„Du siehst Chris wirklich sehr ähnlich. Aber du bist es nicht. Du brauchst nicht so mit der Erkennungsmarke zu wedeln“, stellte JUNO-42 fest.
„WO IST UNSER KIND?“, schrie GAD-7. „Das Signal war doch wieder da, nach all der Zeit. Ich spüre es immer noch.“
„Das Signal?“, fragte Amy.
„Die unsichtbare Nabelschnur“, erklärte Bishop. „Die Spezies von Palus-F ist mit ihren Kindern durch ein telepathisches Signal verbunden. Personen von Palus-F können mental miteinander kommunizieren. Ich habe das ja alles selbst schon erlebt.“
„Dein Kind hat dir etwas hinterlassen“, sagte ich zu Bishop. „Sonst hätte ich nichts von deiner Geschichte spüren können.“
„Warum haben wir Chris’ Signal nicht früher aufspüren können?“
„Bestimmte Substanzen schwächen alles ab oder lassen es sogar ersterben.“
„Bestimmte Substanzen?“
„Substanzen, die dem menschlichen Körper schaden und ihn sogar töten.“
„Die Menschen machen seltsame Dinge“, stellte GAD-7 fest.
„Wir werden bei der Armee immer getestet“, berichtete Amy.
„Ob wir auch in Form sind“, ergänzte Cindy. „Gilt das nicht auch für auch Bausoldaten?“
„Natürlich“, bestätigte ich. „Aber wir waren eine der Spezialeinheiten. Hier wurde die Nabelschnur geblockt. Trotzdem war in Chris die Erinnerung an Palus-F, die immer deutlicher wurde.“
„Bei uns ist der Glaube an Präexistenz und transgenerationale Vererbung weit verbreitet“, bestätigte JUNO-42.
„Chris ist tot, zusammen mit all den anderen von der Dritten Kompanie. Wir haben alle einen großen Verlust erlitten.“
„Wir hätten unser Kind niemals bei diesen Menschen lassen sollen“, weinte GAD-7.
„Aber das ist ja unsere Genetik, unser Erbe. Zuerst sah alles gut aus“, erinnerte sich JUNO-42. „Zuerst…Wer bist du wirklich, Kind?“, fragte JUNO-42 mich.
„Tatum. Chris und ich waren ein Paar.“
„Warum hast du dich als Chris ausgegeben?“
„Chris galt als Mensch. Diese Vorteile sollte man auf der Erde immer noch nicht unterschätzen.“
„Wie konnten wir dann von dir ein Signal empfangen?“
„Weil euer Enkelkind in mir heranwächst.“
Cindy lachte ungläubig.
„Das gibt’s doch nicht“, meinte Amy Kopf schüttelnd.
„Doch“, versicherte Bishop. „Wenn es sich um Hybriden handelt, ein Elternteil von Palus-F, der andere von der Erde.“
„Die erste Generation“, fügte ich hinzu. „Nicht besonders gut angesehen bei vielen Menschen. Das Militär aber nimmt, wen es kriegen kann.“
„Und du gehörst zu dieser ersten Generation?“
„Und jetzt möchte ich zu euch gehören. Ihr seid das, was Chris am ähnlichsten ist.“ Ich wies auf den Strahlenkreuzer. „Bitte nehmt mich mit. Nehmt uns auf. Enkelkind ist Enkelkind. Oder ist das auf Palus-F anders?“
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Sehr spannende Geschichte, könnte mir die Story auch als Roman vorstellen
AntwortenLöschenMöglicherweise bin ich einfach nur dumm ... aber ich verstehe die Geschichte wirklich kein Stück. Es wirkt wie ein Skript zu einer Serie, aber dadurch das ich keine Bilder oder sonst irgendeinen Kontext habe, ist es sehr schwer zu verstehen.
AntwortenLöschenTreffender Kommentar mit dem Skript. Schnelle Schnitte, die Leerstellen muss man sich mit Logik füllen und die Handlung erschließen. Sehr viele Charaktere. Trotzdem sind die irgendwo nahbar und verletzlich, nur durch ihre wörtliche Rede. Das finde ich eine starke Leistung, auch wenn ich sonst nicht alles verstanden habe (vor allem die Rahmenhandlung)
AntwortenLöschenLeider die Handlung nicht verstanden … Ich muss mich den Vorkommentatoren anschließen: es liest sich eher wie ein Script, wie der Roh-Entwurf zu einer Story.
AntwortenLöschenEs ist interessant, man möchte die Protagonisten eigentlich gern kennenlernen und verstehen, aber das funktioniert nicht, zu wirr, zu viel Personen, wer-wo-was?, vieles bleibt unklar (Eislaufen …?).
Hilfe! Ich habe nur sehr wenig verstanden. Nur Anfang und Schluß. Die militärische Einheit von Tatum und Chris wurde komplett aufgerieben. Chris war vom Planeten Palus-F. Tatum trauert, gibt, sich jetzt als Chris aus. Als Chris von seinen Eltern zu dem Planeten Palus-F abgeholt werden soll, erkennen sie, dass es sich nicht um ihren Sohn handelt, obwohl sie seine Signale empfangen haben. Tatum gesteht den Schwindel und dass er diese Signale aussendet, weil er von Chris schwanger ist und das Enkelkind der Eltern von Chris diese aus seinem Bauch anmorst. Da es eine Beziehung zwischen Mensch und Ausserirdischen war - eine Hybridbeziehung - ist so etwas möglich. Tatum bittet darum, zu Palus-F mitgenommen zu werden.
AntwortenLöschenSo, das war alles was ich kapiert habe. Von dem dazwischen so gut wie nichts. Es waren zu viele Personen. Vieles stand zwischen den Zeilen. Spannend fand ich das Motiv "Eiskunstlauf", das sich immer wieder einschlich und mich auf eine falsche Fährte lockte. Einige Schreib- und Grammatikfehler. Z.B. "... Wir wurden durchgewinkt" statt "durchgewunken", oder "... Namenschild. auf dem Schreibtisch", oder " gilt das nicht auch für auch Bausoldaten?".