DACSF2025_36

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Erntezeit

Eine Tragödie

„Aufwachen!“

„Was ist denn los?“ Snot zog seine Fühler ein und ließ sie mit einem Laut vorschnellen, der in den Hörgruben schmatzte. Er brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Ach ja, Blopp und die Mission! Die Tage ihrer Sonnen waren gezählt. Der oberste Rat der Sleasys, wollte sich auf diesem Planeten ansiedeln oder wenigstens das Recht erwerben, ihre Tanks mit Natzu zu füllen, das die Festwesen dieser Welt ‚Wasser‘ nannten. Sie planten nicht, die Festwesen ihrer Resourcen zu berauben. Es ging ihnen um eine friedliche Koexistenz. Die Sleasys brauchten nur einen Bruchteil des Natzu und sie wollten nichts umsonst. Im Tausch für Natzu waren sie bereit, Wissen zu bieten.

Snot hatte Blopp zuliebe an der Mission teilgenommen und dabei Erfahrungen gesammelt, die er nicht einmal seinem ärgsten Feind wünschte: Er war mehrfach zur Sporenform gefriergetrocknet, in Natzu eingeweicht und wieder zum Leben erweckt worden. Wie jetzt gerade. „Lass mich erst mal blurben!“

„Endlich eine Reaktion!“ Blopps Vibrationen durchdrangen Snots Körper und bebten in ihm nach.

Eine Schleimblase wuchs aus Blopps Leib. Sie spannte immer mehr, bis sie mit einem Blurb platzte. Schleimbatzen rutschten von den glatten Wänden und fanden ihren Weg zurück zu ihm. „Und gleich wieder schlecht gelaunt!“

Auf einer glänzenden, viskösen Schleimspur rutschte Blopp an Snot vorbei Richtung Nutrispender. Offensichtlich hatte er vor, sich nach der Erweckung eine Dusche mit Nährflüssigkeit zu gönnen. Die durchsichtige Tür der Kabine öffnete und schloss sich auf Druck. Blopp passte sich der Form des Kubus an und füllte das untere Drittel komplett. Er stieß ein wohliges ‚Blubber’ aus und nahm die Nährlösung durch seine weiche, extrem verformbare Hülle auf. „Warum hast du dich überhaupt für diese Mission gemeldet, wenn sie dich dermaßen anäzt, Snot?“

„Na, um auf dich aufzupassen! Seit wann bist du wiedererweckt?“, blurbte Snot.

„Vor ein paar Slots.“

„Und warum hast du mich dann nicht sofort geweckt?“

Ein paar Tropfen der Nährlösung stoben hoch, und wirbelten über den oberen Rand der Kabine hinweg. Instinktiv bildete Snots Körper Ausläufer. Sie fingen die feinen Tropfen der Emulsion auf und verleibten sie sich ein.

„Erntezeit, schon vergessen? Hab was erledigt.“

„Ich hoffe nur, dass unsere Arbeit die furchtbaren Verluste wert ist!“, blubberte Snot mit vollem Körpereinsatz, damit Blopp in der Kabine seine Worte in sich aufnahm.

Tausende Sleasys hatten - als eine irdische Spezies getarnt - furchtbare Tode erlitten. Aktion ‚Nacktschnecke‘ hatte eine noch nie dagewesene Fehlschlagquote von hundert (!) Prozent erreicht: Die sorgsam mit Sleasys präparierten Weichtiere waren durch andere heimische Arten gefressen worden, wegen Blaukorn samt Sleasy qualvoll verdörrt oder sie endeten verbrannt, zerquetscht, zertreten und zerschnitten. Auf Befehl des obersten Sleasy waren Blopp und Snort geblieben, um Daten zu sammeln und neue Ideen zu produzieren. Die hatten sie gehabt. Vor 25 Jahren (Ortszeit) zeugten sie eine neue Sleasy-Generation (zugegeben der angenehmere Teil der Mission) und starteten das nächste Experiment. Sie planzten Sleasys in native Moskitos, die sie auf die Ausdünstungen schwangerer Festwesen programmierten.(Erfolgsquote: 0,005 Prozent) Fünf (!) von Tausend Sleasys war es gelungen, in die Denkorgane der sich neuformenden Festwesen vorzudringen, wo sie sich einnisteten und Informationen sammelten.

Blopp blurbte in schneller Folge, vibrierte, Blasen stiegen auf. Er war sichtlich aufgeregt und seine Botschaft alarmierte Snot.

„Den ersten Assimilanten habe ich bereits extrahiert. Er ist noch ein bisschen verwirrt, aber das wird schon werden: Wie heißt es so schön: Schleimspur verbreitern, neue Erfahrungen sammeln, umschleimen, einschleimen und den Rest umkapseln.“

„Welcher der fünf ist es?“

„Bill, Nachname: Harper. Es ist der mit der deutschen Mutter und dem US-amerikanischen Vater, Sportstipendium, lebt in Deutschland, spielt Fußball in einem Profiverein.“

„Was ist mit seinem Wirtskörper?“

„Liegt nach dem Entzug seines Assimilanten mit neurologischen Ausfällen im Koma auf der Intensivstation.”

Sie hatten viele Ausdrücke der Zweibeiner dechiffriert und Snot erspürte anhand der schnell geblubbten Wortfolge, dass der Körper des Festwesens bei der Extraktion Schaden genommen hatte. Blobbs Wabbeln bestätigte den Verdacht. „Ohne Blurb, kein Blubber. Das ist halt so.“

Snot zog sich schaudernd in sich zusammen. „So war das nicht geplant.“

„Nun komm, hab dich nicht so. Die Vernetzung mit den Neuronen des Wirts war ausgedehnter als erwartet. Großes Wachstum.“

Blobbs Wobbeln signalisierte Genugtuung.

„Ein perfektes Match. Wir werden mit das Bill verschmelzen. Danach werden wir verstehen, wie diese Festwesen denken und umso besser mit ihnen verhandeln.“

Snots Sehgruben reagierten auf die dunklen Abdrücke, die Plopps Körper an der durchsichtigen Wand hinterließen. Er sonderte Schleim ab und glitt näher an die Kabine heran.

„Wo ist das Bill jetzt?“, blubbte Snot.

Blopp suhlte sich unter der Nutridusche und streckte seine Fühler zu ihrer vollen Länge aus. „In der Kammer gegenüber im Nährbad und es ist … enttäuschend, wabbelt nicht, blurbt nicht, blubbt nicht. Ist still, ist stumm, klumpt in einer Ecke vor sich hin. Diese Spezies, die Festwesen, wenn du mich fragst …“ (Aber das tat an Bord keiner) „… Sie haben ihn verändert! Diese Zweibeiner sind nicht so wie wir und das Bill ist es auch nicht. Die Zweibeinigen verabscheuen andere Festwesen aus den seltsamsten Gründen. Da reicht eine unterschiedliche Farbe bei ihrer eigenen Art oder ein paar behaarte Beine, Augen, Beißwerkzeuge oder ein Giftstachel zuviel bei anderen Spezies schon aus, um krasse Ablehnung hervorzurufen.“

„Es sind Festwesen.“ Snot wogte Zustimmung. „Sie sind fest, das macht etwas mit ihnen, Blopp.“

„An denen ist nichts Weiches, nichts Wubbeliges, nichts Schleimiges. Die haben überhaupt keine Bodenhaftung - und sie haben das Bill, sie haben es … verändert.“

„Vielleicht musst du ihm mehr Zeit zur Adaptation geben? Ich flutsche zu ihm rüber und taste mir selbst meine Meinung. “

Snot sonderte Schleim ab, glitt auf der Spur aus dem Raum, quoll in den Flur und drückte sein Wabbel an die gegenüberliegende Tür, die aufglitt. Snot rutschte in den Raum und blubbte zarte Blasen. „Bill, störe ich?“

Der Assimilant lag zu einer Art windschiefer Kugel zusammengerollt in einer Ecke. „Verstehst du, was ich blurbe?“

Das Bill reagierte nicht, begriff vielleicht nicht, was vorgefallen war. Snot fuhr seine Fühler aus und aktivierte den Translator, der die Burps in die Schwingungen umformte, die das Bill kannte. Snot blubberte und seine Hörgruben empfingen die Vibrationen des Translators.

„Hab keine Angst, Bill. Dir wird nichts geschehen.“

Der zusammengekauerte Sleasy rührte sich nicht.

„Du denkst, was ist mit mir passiert? Ich sage es dir: Du bist einer von uns: Wir sind weich, wir spüren, vibrieren und schleimen. Wir nehmen die Essenz der Dinge wahr, indem wir sie umschließen oder mit ihnen verschmelzen.“

Dieses Wort löste eine unerwartet heftige Reaktion in dem Assimilanten aus. Das Bill zog sich weiter zusammen und squeaste in bedrohlichem Maß Natzu aus. Und es sendete Blurbs. „Nein! Nein, nein, nein! Lasst mich in Ruhe, ihr widerlichen Würmer! Das ist ein Albtraum! Ich muss einfach nur wach werden. Aufwachen … Ihr ekelhaften Maden! Ich muss aufwachen. Ich brauche nur die Augen zu öffnen. O mein Gott … meine Augen. Das ist ein Albtraum … ich will das nicht! Wachwerden … Ich muss einfach nur … Hilfe, Mama, Papa, helft mir, bitte. Das ist ein Albtraum …“

Snot blieb keine Wahl. Er wobbelte einen Befehl. Ein gezielter Sprühstoß hüllte das Bill ein. Das in Natzu gelöste Beruhigungsmittel absorbierte der Assimilant sofort. Das Bill entspannte sich und dehnte sich aus.

Blopp kam auf seiner Schleimspur angerutscht und bremste ab. „Ist es dir auch nicht gelungen, mit das Bill Kontakt aufzunehmen?“

„Doch!“ Snot teilte die Sequenz mit Blopp. „Er hat reagiert. Mit viel Geduld werden wir ihn vielleicht …“

„Soll er noch mehr Natzu aussqueasen?“

„Wir könnten ihn in Sporenform versetzen.“

„Das macht es unmöglich, Wissen zu tauschen. Einer von uns muss mit ihm verschmelzen, solange er in diesem Zustand ist. Wissen aufnehmen, Wissen teilen.“

„Und das hast du ihm so gesagt?“ Snot pumpte sich auf.

„Das hast du ihm si verblurbt?“

„Natürlich!“

„Du blubberst Blurb! Kein Wunder, dass er so verstört ist. Und jetzt? Das Betäubungsmittel wirkt bei Verschmelzung nicht nur auf das Bill.“

„Ich weiß.“ Der in Nutrilösung und Natzu geblubbte Blopp ließ eine imposante Schleimblase wachsen. Pumpte sie immer weiter auf, bis sie im Licht in den Farben des Spektrums schillerte und mit einem leisen Plopp zerplatzte. „Denk drüber nach! Verschmelzung dient dem Austausch. Wir können Memory mit ihm teilen. Das Bill wird lernen, was es bedeutet, ein Sleasy zu sein.“

„Du verlangst zu viel! Das Bill hat Angst. Außerdem weiß es nicht, was wir sind. Er kennt unser Wabbeln, Wobbeln, Vibrieren, er kennt unsere Art der Kommunikation nicht, er hat unser Denken nie gelernt. Wir müssen das Bill zu seinem Wirt zurückschaffen.“

„Das mache ich.“ Blopps Wabbel blurbte schnell. „Und du wirst dir inzwischen überlegen, wie wir unser Experiment für die nächste Versuchsreihe modifizieren.“

„Wir zwei erledigen das gemeinsam.“

„Nein, das wird allein deine Aufgabe sein.“ Blopp dehnte sich aus, umfloss Snot und füllte den Raum mit seinem Wobbel. „Das Bill ist zu unbeweglich, zu hart, zu fremd. Es ist Teil eines Festwesens geworden. Ich werde mit ihm verschmelzen, ich muss und werde in ihm aufgehen und es zurück begleiten. Snot, eine große Verantwortung verlangt ein großes Opfer.“

„Unsinn, wenn, dann werde ich …“

„Nein, Snot, du warst immer der bessere Wissenschaftler von uns beiden.“ Blobb wabbelte zahllose Bläschen, die Snot in eine weiche Woge einhüllten. „Die Mission darf nicht scheitern.“

Blopp schleimte auf das Bill zu, umschloss es und ließ einen Snot zurück, der sich innerlich zusammenzog.

„Nein, nicht, squease kein Natzu um mich aus. Wir werden miteinander blubbern und wenn die Mission zu Ende ist, löse ich die Verbindung zu das Bill. Vertrau mir, Snot. Wir alle, du, ich, das Bill und die anderen Sleasys lassen uns dann im Natzu quellen und dorthin treiben, wohin uns die Strömung trägt.“

Eine wunderbare Vision stieg in Snot auf: Beleuchtet von der einen Sonne dieses Planeten schwebten Sleasys im Natzu. Er streckte einen langen, dünnen Ausläufer bis zu Blopps Hörgrube und übermittelte ihm seine Antwort durch direkten Körperkontakt.

„Das werden wir - gemeinsam quabbeln.“

Snot glitt langsam und bedächtig immer weiter zurück und beließ seinen Ausläufer bei Blopp. Das Band zwischen ihnen wurde dünner. Schließlich riss es ab, bildete ein kugeliges Wabbel, das sich instinktiv auf den Rückweg zum Ganzen machte. „Nimm dieses Teil von mir mit auf die Reise, damit du nie vergisst, wo du hingehörst.“

„Danke dafür.“ Blopp verleibte sich das Wabbel ein, das schnell begriff, wo sein Platz von nun an war.

„Schick uns zu dem Wirtskörper zurück, sobald wir Billopp sind und das Beruhigungsmittel noch wirkt.“

„Das hatte ich vor.“ Snot blähte sich auf. Blopp startete die Fusion und nahm das Bill vollständig in sich auf, indem er die Außenmembran des Assimilanten lysierte. Eine Zwangsmaßnahme, die bei Missionen durch einen Entschied des oberen Sleasy als letzter Ausweg geblurbt und damit gedeckt war.

Snot sqeaste Schleim und Natzu aus, während er die Moskito-Drohne programmierte und belud, die der Bord-Konstruktor in der 25-jährigen Ruhephase nach seinen Angaben entwickelt und erbaut hatte. Schlagfestigkeitsstufe 5 von 5 (hundert Prozent festwesenresistent). Das Billopp erreichte unbeschadet seinen Wirt und sandte Snot Daten aus der Memoryfusion. Die politische Situation der Festwesen war demnach prekär. Die ubiqitär verbreitete intelligente Spezies der zweibeinigen Festwesen kannte das Prinzip eines obersten Führers. Allerdings existierten 195 (!) Staaten und ebensoviele oberste Zweibeiner, die keinen Repräsentanten aus ihrem Kreis gewählt hatten. Außerdem schickte das Billopp kurze, teils schwer zu verstehende Nachrichten.

‚Sind Magnetwellen ausgesetzt.‘

,… Zyste und Raumforderung im Hippocamups … inoperabel…‘

‚Festwesen setzen Strahlenkanonen und intrakranielle Chemotherapie ein …‘

‚Billopp blarbt‘

‚Wabbel well …‘

Die von Snot umgehend eingeleitete Rettungsaktion scheiterte. Die Festwesen hatten das Billopp bei lebendigem Leib verbrannt und vollkommen ausradiert.

Nach Analyse der vorliegenden Daten, Hochrechnungen, Simulationen und Rücksprache mit dem obersten Rat der Sleasys brach Snot das gescheiterte Projekt ,Assimilanten‘ und die Mission ab. Die vier übrigen Experimente holte er zurück und konservierte sie in Sporenform. Sämtliche Tanks seines Raumschiffs füllte Snot randvoll mit einem Kubikmilliliter zuvor hochgereinigtem Natsu, ohne Erlaubnis einzuholen oder gar Wissen zu tauschen. Wie es in einen Sleasy hinein blubbte, blurbte es hinaus. Die mörderischen Festwesen hatten es nicht besser verdient. „Wabbel well, Billopp. Eines Slots werde ich zurückkehren und diesen Planeten mit Blubber überziehen …“

6 Kommentare

  1. Was für passende und lustige Wortneuschöpfungen! Die Geschichte lasse ich mir gerne vorlesen :D

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  2. Sehr süß, liebenswert und innovativ, die winzigen Aliens mit ihrer speziellen Sprache. Eine Geschichte voller ungewöhnlicher Perspektiven und mit Überraschungen. Hat mir sehr gut gefallen.

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  3. Ist ein bisschen wie auf dem Kinderspielplatz. Natürlich lustig, sich diese Schleimsprache auszudenken. Aber das Lesen war für mich kein Genuss, eher quälend.

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  4. Ich fand die Geschichte spannend zu lesen. Warum sollte die ausserirdische Lebensform auch so gross sein müssen wie wir Menschen… Besonders gefallen hat mir der Abschnitt über die fehlgeschlagenen Versuche mit den Schnecken.

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  5. Die Geschichte fängt mit unterhaltsamer Leichtigkeit an und lotet die fremdartige Spezies sehr detailliert aus. An Kreativität mangelt es der Story nicht. Die Begründung und die Art der Übernahme menschlicher Körper sind nachvollziehbar. Nur haben die Aliens nicht bedacht, wie sehr sich ihre Kinder an die Wirte gewöhnen. Das verschafft der Geschichte eine tragische Wendung. Alles in allem bisher eine der besten Geschichten.

    Am Schreibstil gibt es auch kaum etwas zu kritisieren. Ein paar Tippfehler habe ich entdeckt, die bei einer unlektorierten Geschichte aber normal sind. Für das Korrektorat: Bei „planzen“ fehlt ein „f“, einmal stecht „si“ statt „so“, und bei einem „Entscheid“ sind „ie“ vertauscht. Kann passieren, nicht der Rede wert.

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  6. Kreativität ist da. Die Sprache der Aliens originell und witzig. Die Geschichte badet für mich aber zu lange und zu vordergründig in den Absonderlichkeiten der Wesen. Auf eine Handlung, die vorwärts macht, muss man lange warten. Es kriecht im Schneckentempo und der Eindruck entsteht, dass sich die Geschichte selbst bespiegelt.

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