DACSF2025_28

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SCHRÄGE VÖGEL

Aus den Annalen der Orrak’Thun: die Zar’thuurai versus Tarkesh

Viele Spezies, darunter Menschen, nehmen uns als Funkenflug wahr. In ihrer sehr begrenzten Wahrnehmung führen wir uns auch so auf: unberechenbar, schön anzusehen – mit der Tendenz, in Brand zu setzen, was besser unberührt bliebe. Und obwohl wir in Sonnenwinden nisten, verabscheuen wir Feuer und Gewalt. Krieg ist uns aus tiefstem Da-Sein verhasst.

Deshalb begründeten wir einst das Parlament der Fremdspezies – und wurden zugleich zu seinem Gebäude: ein nicht-lineares Geflecht, das nur ein sterbender Quantenphysiker – welcher Spezies auch immer – wirklich begreift. Unsterblich, wie wir sind, mischen wir uns ein, sammeln, wundern uns – und bleiben stets bemüht, bewusstes Leben zu fördern.

Denn anders als manche Invasoren glauben, bietet das Universum Platz genug für alles und jeden. Bewusstsein aber ist selten und kostbar. Ein einziger Meteor kann eine Gattung vernichten – und eine Ursuppe beim Reifen zu beobachten, verlangt mehr Geduld, als selbst Orrak’Thun besitzen.

Legendär sind die Vorschläge, mit denen wir das All nach unseren Wünschen ordnen. Und weil wir das Konzept des Widerspruchs äußerst negativ bewerten, lehnt man sie besser nicht ab. Geht es einmal nicht nach „höchstem“ Willen, korrigieren wir: verwirklichen das Ganze in einem anderen Universum. So entstanden zahllose parallele Schichten der Realität – manche ordentlich, manche zerknittert.

Und damit kommen wir zu Tarkesh. Oder, wie die Eingeborenen sagen: „Erde“. Aus unerfindlichen Gründen sammelt sich um diesen kleinen blauen Planeten ein besonders dichter Stapel an Unwahrscheinlichkeiten. Wie Zuneigung um ein Kind. Wie Fliegen um eine Leuchte. Das Motto lautet: nächster Versuch.

Erklären ließe sich dies mit der Vielfalt des Lebens, seiner Hartnäckigkeit, dem Wunsch, gegen alle Wahrscheinlichkeit fortzubestehen. Uns Orrak’Thun ist das gleich. Wir begreifen uns als Wächter eines einzigen Prinzips: Was lebt, fragt. Was antwortet, bleibt.

Die Vögel der Gattung Kuckuck sind eine invasive Spezies, Thennkai ebenfalls. Und da sie bei etwa gleicher Schädlichkeit weniger Niedlichkeitspunkte einheimsen, fehlte bis vor kurzem ihre Stimme im Parlament. An uns lag das nur sehr bedingt. Aber erläutern wir es linear.

Tarkesh besitzt ein Schild in Form eines praktischen Mondes, der sich auch gut am Nachthimmel macht. Ansonsten liegt der Planet am Rand seiner Galaxis, unter eher alten, weil weit gereisten Lichtern. Leider kommt hin und wieder doch ein Meteor des Weges; zumindest einer traf ins Volle. Hatten die Dinosaurier am Ende einen Vorschlag der Orrak’Thun abgeschmettert? Spaßvogel - würden wir das verraten, müssten wir Sie töten.

Der Funkenflug jedenfalls mochte das neu keimende Leben sehr. Vogel-Gene en masse – dazu nun endlich Wesen, die Hände hatten, nicht bloß Klauen. Endlich Wesen, die Werkzeuge bauten, statt Bäume umzukippen. Endlich Wesen, die nachdachten, bevor sie fraßen – oder wenigstens danach. Kurzum: ein Erfolg.

Es begann bescheiden: Homo erectus, ein aufrechter Läufer, der stolz war, wenn er ein Feuer hütete, das er nicht selbst entzündet hatte. Ein Wesen mit Geduld, Muskeln und der charmanten Angewohnheit, alles Essbare einmal auszuprobieren.

Von dort verzweigte sich der Stammbaum. Jeder Zweig gedieh durch seine eigene Anmut. Der Neandertaler: robust, wetterfest, ein Steinzeit-Panzer. Die Denisova: scheu, genetische Feinschmecker. Der Cro Magnon: flink, neugierig, und stets bereit, Dinge in Höhlen zu kritzeln, die kleiner aussahen, als sie waren.

Und dann geschah der erste Unfall. Eines Abends – es war kalt, die Beeren rar, die Jagd erfolglos – tat ein Cro Magnon etwas Unerhörtes. Er griff nicht nach der Keule, sondern nach dem Bewusstsein seines Stammesbruders. Er fand darin Emotionen: Müdigkeit, Hunger, den Wunsch nach einem warmen Fell. Mit einem geistigen Schubs motivierte er den Nachbarn, das Lagerfeuer zu hüten, während er sich selbst auf das Bärenfell legte.

Das war der Beginn. Nicht der Faulheit (jeder Vogel weiß davon), sondern der Telepathie. Und – der Legende nach – des Haarausfalls. So kam es, dass sich die ersten Zar’thuurai als Erstgeborene des Lichts beglückwünschten, während Mitmenschen auf ihren Befehl hin die Arbeit übernahmen: sammeln, jagen, tragen, horten. Sie selbst? Trugen die Verantwortung – liegend.

Die Sache funktionierte erschreckend gut. Arbeitsteilung war geboren, durch schiere geistige Übergriffigkeit. Einer dachte, die anderen handelten. Der Ruhende entdeckte das Großartige: wenn man nur lange genug liegen blieb, kam die Welt von allein. Und so war er fruchtbar und mehrte sich.

Von da an war nichts mehr wie zuvor. Einer blickte in die Runde – und schon machte sich die Dorfschöne nackig, während ihre Gefährten in den Wald aufbrachen. Später warf man das Mammut auf den Grill. Der Kuckucks-Großvater? Erfand an der Höhlenwand die Kreativität und nannte sich Schamane. Gleichzeitig wurde die erste Aristokratie geboren – alles dank Gedankenmacht.

Die späteren Zar’thuurai verfeinerten diese Gaben, bis sie ganze Stämme steuern konnten, ohne aufzustehen. Die anderen – Tholaren – mussten weiter schuften, jagen, pflügen. Zwei Linien desselben Stammes: eine privilegiert durch Gedankengewalt, die andere durch Muskelkraft und Hartnäckigkeit. Der Bruch vertiefte sich, bis die Leute begannen, sich sogar körperlich zu unterscheiden: Zar’thuurai wurden kahl, mit gewölbten, gefurchten Schädeln; die anderen hießen spöttisch „Mattenträger“.

Es entstanden die ersten großen antediluvianischen Reiche. Dann kam die Sinnflut, natürlich: Kontinentaldrift, Eiszeit. Nennen wir es Atlantis und werfen einen Blick darauf. Vielleicht – auch dazu schweigen wir uns aus – gab es wirklich eine Stadt aus Marmor und Gold. Doch unter dem Glanz sah es aus wie rings um ein Kuckucksnest – Kot und tote Küken.

Vielleicht hatten die Zar’thuurai ihre Hallen in Resonanz geformt, Säulen geneigt wie Stimmen im Chor, Plätze gefüllt mit Wasser, das Gedanken spiegelte. Doch wer den Stein brach, wer den Marmor schleppte, wer das Gold aus Flüssen wusch, waren nicht die Sänger. Es waren die Tholaren – jene stämmigen Thennkai ohne Stimmrecht. Ihre Hände bluteten an Werkzeugen, ihre Rücken krümmten sich; ihre Stimmen verhallten zwischen Säulen, weil niemand sie hören wollte. Atlantis glänzte – im Schatten ächzte es.

Die Zar’thuurai nannten es Ordnung. Sie ruhten in Hallen, deren Dächer sangen, während draußen Generationen im Steinbruch starben. Was was galt schon so ein Küken, verglichen mit einer Hymne in Marmor?

Wir Orrak’Thun sahen zu. Geduldig, wie es unserer Art entspricht. Aber irgendwann – als Eis den Atem der Welt anhielt – konnten selbst wir das Elend nicht mehr sehen. „Ihr nennt euch Sänger der Tiefe“, sprachen wir in die goldenen Hallen. „Doch ohne die Herumflatternden bleibt ihr hungrig. Wählt: bleibt und versinkt – oder fliegt hinaus in die Leere, baut eigene Nester.“

Die Zar’thuurai nahmen an. Sie verließen Atlantis, trugen das Lied Thól Marha’an mit sich und bauten fern von Tarkesh den Ul’Zar, ein Reich inmitten junger, diensteifriger Sonnen. Die Tholaren blieben zurück, zwischen Gletscher und Hunger, mit nichts als der Erde unter ihren Füßen. Vielleicht überlebten sie gerade deshalb.

So hätte es sein sollen. Doch die Zar’thuurai wollten das letzte Wort behalten. Während Atlantis sank und sich die Tore öffneten, befahlen man 66 Männer und Frauen in die Hallen. Fruchtbar und stark, gewaschen, rasiert, verkleidet – als Verwandte. Wir Orrak’Thun – gestresst, während wir den Hyperraum bogen – sahen hin und übersahen es zugleich.

Aus diesen Sechsundsechzig entstand, Generation um Generation, ein Volk aus Dienenden. Unterschiede wurden abgeschliffen wie Kanten im Fluss. Haut in mittleren Tönen, Haar dünn, ermüdet vom Staub, Augen in der Farbe des Schlamms – trüb, grau-braun, ohne Tiefe. Man löschte die Geschichte aus ihren Gesichtern.

Kuckuckseier, sie alle. Denn nun begann die Ära der Sklavenwelten. Wann immer die Zar’thuurai, diese schrägen Vögel, mithilfe von Hochtechnik, zu denen ihnen unsere Gunst verholfen hatten, einen habitablen Planeten entdeckten, warfen sie das keimende Leben aus dem Nest und setzten diese Brut an die Arbeit.

Was aus Trägheit und Gewöhnung begann, gipfelte in einer Streuung der Thennkai über fünftausend Welten. In einen Kosmos aus fremden Biotopen, in denen es dank dieser Brut bald schon überall nach denselben Liedern roch.

Nicht nur Hände brachen durch die Schalen. Mit ihnen kam die Saat, fünftausendfach: Zha’karin – süß auf der Zunge, Räuber im Boden, der alles verdrängt; Thraggon – glänzende Ähren, reich an allem Nötigen, doch ein Feuer über den Feldern; Urkhaan – das älteste Korn, welches jeden Boden erstickt; Nargoth – schwarz, zäh, unzerstörbar; Xaarv – schleichend, unmerklich, bis es überall ist; Gorr’hesh – Wurzeln wie Stahlseile, die am liebsten Blut und Schweiß trinken. Eine Landwirtschaft als Kette. Das Land lebte von denen, die man an es band. Warum? Weil alle diese Welten unter die fremde Brut fielen.

Und so ging der Plan der telepathische Aristokratie ein Weiteres mal auf. Alles Gute im Universum fiel ihnen zu, während sie liegen blieben, nach weiteren Nestern Ausschau hielten.

Fünftausend Welten trugen fortan denselben Abdruck: Monokulturen, die zum Himmel stanken, während sich sechs Sonnenwelten mit Müßiggängern füllten.

Und dann hatten die schrägen Vögel alles aufgezehrt. Von einem Drittel der Sklavenplaneten war nur noch Schlacke geblieben. Und neue Welten urbar zu machen, fehlte es plötzlich an Personal. Die Kuckuckskinder pflanzten sich kaum noch fort. Frische Gene sollten her.

Seitdem schwirren sie herum um dieses Nest, dass wir Tarkesh nennen. Versuchen immer wieder zu landen, ihre Eier zu platzieren. Aber Pustekuchen: darauf hatten wir Orrak’Thun nur gewartet.

Bringt denn ein Kuckuck dem Phönix bei, wie man Eier legt? Negativ. Damals, als der Eid gebrochen wurde, begannen wir mit eigenen Zuchtziele. Wir ließen die Telepathen kommen, sich aufspielen. Doch ihr Chor folgt nunmehr unserem Taktstock.

Bei ersten Mal erschienen sie als Sklavenjäger. Und nahmen 166.666 Kuckuckseier mit sich, genug für 5.000 Welten. Tarkesh brachten sie den Weltfrieden.

Beim zweiten Mal wollten sie alles. Und noch heute bleichen ihre Knochen in den Ruinen von Berlin und Kapstadt. Als Folge zog das erste Reich der Thennkai, gerade aus dem Ei geschlüpft, in das Parlament der Fremdspezies ein. Dem mächtigen Reich Ul’Zar war das niemals geglückt.

Und so schwirren sie noch heute. Und wir lassen einen von fünf Vögeln landen und – nennt uns nachtragend - Faulbrut zu den Sternen tragen. Nicht mehr lange, dann wird der Ul’Zar Geschichte sein, so wie einst Atlantis.

Klick. Kein Donner, keine Blitze. Nur ein Einrasten in der Wahrscheinlichkeitsarchitektur. Die Zar’thuurai hatten geglaubt, das Nest immer wieder plündern zu können. Nun picken sie am Stein der Weisen.

Ul’Zar, ihr stolzes Reich, erweist sich als Käfig aus Schuld. Jede ihrer Welten, jeder Palast, jede Hymne in Stein und Gold hallt vom Echo der Verratenen. Plötzlich findet ihre Telepathie Widerstand. Ihre Befehle laufen ins Leere, als wäre Schweigen zur Amtssprache geworden.

In Ihrer alternativen Realität verspürt man davon nur Nachwirkungen: Träume, die nach Metall schmecken; Zufälle, die sich um euren Planeten ballen; Blicke in den Himmel, bei denen ihr glaubt, schon einmal hier gewesen zu sein – oder andernorts. Ihr nennt es Vorahnung, Déjà-vu, Aberglaube. Wir nennen es: die Statik arbeitet. Nicht ein Hieb der Peitsche traf jemals ungesehen.

Es ist keine Wiedergutmachung. Wir hätten jene Sechsundsechzig von Anfang an sehen sollen. Wir hätten den Chor anhalten, die Säulen senken, die Hallen fluten sollen. Wir taten es nicht. Wir wählten Geduld, als wäre sie eine Tugend. Doch manchmal taugt sie nur als Ausrede. Man kann übersehen, was man nicht sehen will. Man kann in Sonnenwinden nisten und doch zu lange warten.

Darum wundert euch nicht, wenn fremde Augen euren Himmel mustern. Wir sind bei euch, wenn Erleuchtung stattfindet. Wenn Tarotkarten plötzlich die Wahrheit kennen. Ihr lebt auf einem Knotenpunkt. Unter euren Städten knirschen Eierschalen; über euren Köpfen liegen Schichten aus Wahrscheinlichkeit, dichter als Nebel über Flussauen. Manche nennen es Glück, andere Schicksal, wir nennen es das letzte Drehen an der Schraube.

Die Zar’thuurai zetern herum, putzen ihr Gefieder, fühlen sich gejagt. Wir nennen es Verhauben, Eintragen und Abrichten. Und wenn ihr eines Tages in euren eigenen Hallen singt – achtet immer auf die Schnäbel, die euch füttern. Der Kuckuck kennt nur sein Lied. Ihr könnt neue erfinden.

Wir Orrak’Thun nennen das Ganze beim Namen: Ursache - und Wirkung.

5 Kommentare

  1. Einwandfrei geschrieben. Ich konnte der Geschichte trotzdem nicht so richtig folgen.

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    1. Diese beiden Aussagen widersprechen sich! Und die ganzen Grammitkfehler würde ich nicht als "einwandfrei geschrieben" bezeichnen.

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  2. Faszinierend. Stilistisch gut geschrieben, schöne Sätze und Worte. Nur habe ich die Geschichte inhaltlich nicht wirklich verstanden … eigentlich so ziemlich gar nicht …

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  3. Geniale Kurzzusammenfassung der Geschichte des Menschen. Sprachlich sehr schön. Einziges Problem: Es ist keine Kurzgeschichte, sondern eher ein Essay.

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  4. Hier fehlt mir der rote Faden. Es wird versucht, die gesamte Menschheitsgeschichte irgendwie zusammenzupressen, aber man wird überhaupt nicht schlau daraus. Wer sind denn nun die Kuckuckskinder? Die irdischen Eliten, die schon in der Steinzeit Telepathie entwickelt haben sollen? Was bezwecken die beiden gegensätzlichen außerirdischen Parteien eigentlich? Und wann genau haben die Menschen 5.000 Kolonien gegründet? Oder ist die Erde nur eine Kolonie?

    Erzählt wird die zusammenhangslose Geschichte offenbar von einer körperlosen Spezies, deren Natur man nur verstehen kann, wenn man ein „sterbender Quantenphysiker“ ist. Also gar nicht, wie ungemein praktisch! Leider versteht man auch die Geschichte insgesamt nicht so wirklich. Es gibt keine handelnden Charaktere und schon gar keine Dialoge. Nur wirre Gedankenfetzen. Dann taucht ständig die Zahl 66 oder 666 auf. Soll das eine Anspielung auf den Teufel sein oder auf Palpatines Order 66? Man hätte den Text auch auf eine 42 reduzieren können und wäre am Ende genauso schlau.

    Die Grammatik ist zuweilen ein Graus und einige Vergleiche funktionieren nicht. Bei: „Wie Fliegen um eine Leuchte.“ Habe ich erst „Leiche“ gelesen, denn um Leuchten schwirren eigentlich eher Motten, während Fliegen von Aas angezogen werden. Der Sprache mangelt es ähnlich an Struktur wie dem Inhalt.

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