Chronik eines Auserwählten – Schnurre und herrsche
Seht nur, welch erhabenes Fleckchen innerhalb dieses ansonsten bescheidenen Gemäuers mir zugedacht ward. Hier ergießen sich die Strahlen der Sonne in solch goldener Pracht, dass der gemeine Mensch wohl glauben möchte, der Himmel selbst habe beschlossen, just an dieser Stelle seine Herrlichkeit zu vergießen. Die Wärme, die mich hier umhüllt, gleicht der Umarmung eines Königsmantels aus Samt und Brokat; sie schmeichelt meinem Fell, als sei ich der Auserkorene einer uralten Ordnung. Von diesem erhabenen Podest aus überblicke ich mein Reich: die schlaftrunkene Straße, die bedächtig dahinziehenden Wolken, ja selbst die Vögel, die in törichter Selbstsicherheit glauben, ihr Revier sei unerreichbar. Jeder Laut, jedes Rascheln, jeder Schatten dringt hier zu mir – und ich, ich richte über all dies mit dem Blick eines Herrschers, der weiß, dass er weder Herausforderer noch Rivalen zu fürchten hat. Und doch, was sind Wolken, Straßen oder gar Vögel gegen die reine Wonne, die mich hier umfängt? Die Wärme sickert durch meine Glieder, füllt jede meiner Bewegungen mit majestätischer Trägheit, als sei selbst die Zeit gewillt, vor mir zu verharren. Sie flüstert mir zu, dass kein Thron der Welt solch köstliche Behaglichkeit zu bieten vermag wie dieser sonnengetränkte Hort, der einzig für mich geschaffen wurde. Dieser Platz, das ist mein Platz. Und ich, ich bin Snibbels. Snibbels? – so denkt ihr euch nun wohl, die Stirn gerunzelt, das Ohr gespitzt. Welch Name, welch sonderbare Aneinanderreihung von Lauten für ein Wesen wie mich! Glaubt mir, ich war ebenso befremdet, als jene beiden zweibeinigen Kreaturen, die sich meine Diener nennen, ihn mir zuteilwerden ließen. Ein Name, der mehr nach einem unbeholfenen Nieser klingt als nach der ehrwürdigen Bezeichnung eines Herrschers von Stand. Und doch – er haftete mir an, wie ein Orden, den man widerwillig entgegennimmt und dann, nach einer Weile, mit unverhohlenem Stolz trägt. Denn was bedeutet schon ein Name? Er wird erhaben allein durch die Größe dessen, der ihn trägt. Und ich, meine werten Zuhörer, bin es, der diesem schlichten Lautgebilde Würde verleiht. So lasst mich euch von ihm berichten – von Snibbels. Von mir. Von jenem, der in diesem Hause thront, auf weichen Kissen residiert, das Mahl stets zur rechten Stunde einfordert und dennoch unablässig die Frage im Raum schweben lässt: Ist es nicht eher so, dass sie mir gehören, jene Menschen, die glauben, mich zu besitzen? Meine Diener – ach, welch ein köstliches Paar. Der eine stets mit diesem unbeholfenen Ernst, als wolle er mir ein Vorbild an Gravitas sein, während er doch nicht einmal in der Lage ist, ein Mahl zur rechten Zeit darzubringen. Und die andere, mit überbordender Zärtlichkeit, die sie mir in Form plumper Streicheleinheiten aufzuzwingen glaubt, als wäre ich ein ordinäres Kuscheltierchen. Sie sind, wie soll ich sagen… rührend in ihrer Unzulänglichkeit, und doch – sie gehören mir, wie der Löffel zur Suppe, wie die Glocke zum Tempel. Wo war ich? Ah, ja… meine frühesten Erinnerungen. Ein Wurf, nennt man es wohl, dieses jämmerliche Knäuel an Fellen, das sich schmatzend, fiepend und zappelnd um die Gunst des Daseins bemühte. Meine Brüder und Schwestern – erbärmliche Geschöpfe, die sich drängten wie Bauern vor dem Brotladen, jeder hoffend, man möge ihn erwählen. Welch groteske Szenerie. Und dort traten sie ein, meine zukünftigen Diener, beugten sich hinab und blickten in die wirre Menge. Manche meiner Geschwister wackelten unbeholfen auf sie zu, andere wimmerten in kläglicher Bitte. Ich hingegen – ich erhob mich, straffte meinen winzigen Leib, fuchtelte mit dem Schweif wie ein Bannerträger vor der Schlacht und stimmte ein Miau an, das selbst in den Hallen der Götter hätte widerhallen müssen! Und siehe: sie hoben mich empor. Nicht etwa, weil sie gewählt hätten, nein! Sondern weil ich beschlossen hatte, sie fortan als meine Gefolgschaft zu dulden. Aber ach, ich schweife ab. Nun – ich, ich bin Snibbels. Und dies ist meine Geschichte. Von meinem erhabenen Platz aus, ich erwähnte ihn bereits, nicht wahr? Gestatte ich mir zuweilen einen Blick hinaus in die Welt jenseits meines Reiches. Welch erbärmliches Schauspiel, wenn man es mit den inneren Herrlichkeiten meines Anwesens vergleicht! Dort draußen: die Straße, müde und voller grauer Langeweile, hin und wieder unterbrochen von dem scheuen Huschen eines Hundes, der seine Leine eher wie eine Schlinge trägt denn wie ein Banner der Freiheit. Menschen stolpern von hier nach dort, beladen mit Taschen, eilend, als sei das Dasein nichts weiter als ein einziges Rennen. Ein bemitleidenswerter Anblick, und doch erhebt er meine Stellung umso mehr, da ich mich in meiner Gelassenheit von solch törichtem Treiben abhebe. Doch genug der tristen Außenwelt! Ich erhebe mich, strecke meine Glieder mit jener unnachahmlichen Eleganz, die allein mir zueigen ist, und schreite gemessenen Schrittes durch mein Wohnzimmer. Und da, am Boden, erblicke ich sie: die Spielzeugmaus. Ein armseliges Ding aus Stoff, mit einem Schwänzchen, das jämmerlich baumelt wie die Fahne eines besiegten Heeres. Einst ward sie mir von meinem Diener präsentiert, begleitet von einem geradezu rührend erregten Funkeln in seinen Augen. Er hatte sie, wie er es nannte, ‚für mich gekauft‘ – als wäre er ein großzügiger Mäzen und ich ein dankbarer Empfänger. Welch köstliche Verkennung der Rollen! Natürlich nahm ich das Präsent entgegen. Nicht, weil ich ein Bedürfnis nach solchem Tand verspürt hätte – oh nein! Sondern weil ich verstand, dass es in Wahrheit sein Spiel war, nicht meines. Wie entzückt er war, wenn ich mit der Pfote einen nachlässigen Schlag gegen das arme Geschöpf führte, wie er lachte, wenn ich, in einer Laune der Gnade, ein Sprunglein vollführte. Ja, man kann sagen, ich beschäftigte meine Diener damit, mir beim Spielen zuzusehen, und gab ihnen so das Gefühl, sie seien Zeugen einer großen Offenbarung. Dass ich mich dabei selbst vorzüglich amüsierte – nun, das ist ein anderes Kapitel. So liegt sie nun dort, die Maus, wie ein Denkmal seiner einfältigen Begeisterung. Und ich, Snibbels, gedenke ihrer, nicht weil sie mir Freude bereitete, sondern weil sie so herrlich offenbarte, wie wenig sie von meiner wahren Größe begreifen. Nun denn, wir schreiten weiter – durch die Hallen meines Reiches, vorbei an Sesseln, die mir als Thron, und Tischen, die mir als erhöhte Aussichtspunkte dienen, bis wir an jenen Ort gelangen, den die Menschen schlicht die Küche nennen. Welch armselige Bezeichnung für einen Raum von solch eminenter Bedeutung! Für mich jedoch ist es die Halle der Darreichungen, der Ort, an dem meine Bedürfnisse – oder, um es zutreffender zu sagen, meine Ansprüche – erfüllt werden. Seht nur, dort steht er: der Napf. Ein Gefäß, unscheinbar in seiner Gestalt, und doch von größter Tragweite, denn es ist der Altar, auf dem meine Diener ihre Opfergaben darbringen. Welch Komödie sich jedes Mal abspielt, wenn einer von ihnen, in vorauseilendem Gehorsam, Futter hineinfüllt! Ein Akt, begleitet von dem törichten Glauben, er sei der Herr über Zeit und Ration. Dabei ist es doch stets ich, der durch schneidendes Schweigen oder ein mahnendes Miau das rechte Maß diktiert. Wie oft haben sie es gewagt, das Mahl zu spät zu servieren! Ich erinnere mich noch, wie ich, ausgehungert nach ganzen fünf Minuten Verzögerung, durchdringend klagte. Der Diener, panisch, stürzte herbei, murmelte Entschuldigungen, als hätte er ein Staatsverbrechen begangen. Und so war es ja auch. Denn wer es wagt, meinen Hunger zu missachten, stellt die Ordnung des gesamten Anwesens in Frage. Doch ich bin großmütig. Ich dulde ihre Fehler, wie ein Monarch das unbeholfene Lallen seiner Untertanen duldet. Denn auch darin liegt ein köstlicher Reiz: zu sehen, wie sie sich mühen, wie sie straucheln, wie sie sich krümmen – einzig, um mir zu gefallen. Und ich, Snibbels, erhebe mich dann, würdevoll und gemessen, und senke mein Haupt zum Napf, als schenke ich ihnen durch mein Fressen die höchste aller Belohnungen: die Gewissheit, dass ihre Mühe nicht vergebens war. Folgen wir also weiter meinen Schritten, hinein in jenen Raum, den meine Diener fälschlicherweise als ihr Schlafgemach bezeichnen. Welch törichter Irrtum! In Wahrheit ist es meine Gemächer-Suite, die Kammer der nächtlichen Audienzen, wo ich – und nur ich – entscheide, wer an meiner Seite ruhen darf. Seht dort, das Bett, groß und weich, überzogen mit Laken, die knistern, wenn ich mich niederlasse, als würden sie eigens für mich das Lied der Verehrung anstimmen. Die Menschen glauben tatsächlich, dies sei ihr Lager. Welch köstlicher Gedanke! Sie schleichen sich des Abends hinein, müde, ergeben, und sinken nieder in das, was sie für ihre Zuflucht halten. Doch kaum breite ich mich dort aus – mit majestätischer Selbstverständlichkeit, quer über die Mitte oder an jenem Platz, der ihnen am liebsten wäre – da erkennen sie, wie sehr sie in Wahrheit nur geduldete Gäste in meinem Reich sind. Ach, wie oft habe ich beobachtet, wie sie sich im Schlaf verrenken, den Arm unnatürlich winden, ein Bein halb aus dem Bett hängen lassen, nur um mir Platz zu gewähren. Welch groteske Verrenkungen, welch unbezahlbare Demonstrationen ihrer Unterwürfigkeit! Und wenn einer gar so unbedacht ist, sich im Dunkel an mich zu stoßen – welch Drama ich zu inszenieren vermag! Ein empörtes Fauchen, ein beleidigtes Aufspringen, und der Delinquent wagt es nicht, sich noch einmal zu regen. So liege ich da, eingebettet in Kissen, umgeben von der Wärme zweier Körper, die sich einbilden, in meiner Nähe Trost zu finden. In Wahrheit ist es umgekehrt: sie dürfen in meiner Nähe weilen, und allein diese Gnade macht ihre Nächte erträglich. Denn ich bin Snibbels – und dies, dieses Lager der Herrlichkeit, ist mein Thron im Reich der Träume. Und so setze ich meinen Rundgang fort, hinein in jenen Raum, den meine Diener großspurig ihr Büro nennen. Welch prätentiöser Titel für ein Zimmer, das in Wahrheit nichts weiter ist als ein Ort endloser Klickgeräusche, monotones Tippen und das monotone Brummen einer Maschine, die ihnen das Gefühl gibt, wichtig zu sein. Sie sitzen dort, stundenlang, mit starrem Blick, als würden sie an den Geschicken der Welt spinnen. In Wahrheit aber, so viel ist gewiss, verwalten sie nichts als ihre eigene Langeweile. Doch dort, inmitten dieser armseligen Geschäftigkeit, erhebt sich das wahre Monument dieses Raumes: der Kratzbaum. Ein Turm der Macht, geschichtet aus Podesten und Säulen, ein Archipel der Herrschaft. Wie herrlich es mir dünkt, wenn ich in einer fließenden Bewegung hinaufspringe, Stufe für Stufe, höher und höher, bis ich den Gipfel erreiche – von dem aus ich nicht nur diesen Raum, sondern gleichsam das gesamte Anwesen überblicke. Meine Diener, die armseligen Geschöpfe, blicken dann zu mir auf, als sähen sie einen Gott auf seinem Olymp. Und ist es nicht genau das, was ich bin? Ein Gott, der mit Krallen Zeichen der Macht in die Säulen ritzt, der auf den oberen Stufen ruht wie ein Kaiser im Audienzsaal. Ich erhebe meinen Kopf, schließe die Augen halb und vernehme ihr Staunen, während sie, unfähig, ihre Arbeit fortzusetzen, mich betrachten – und nicht begreifen, dass allein meine Präsenz ihrem Alltag Glanz verleiht. So ist dieser Kratzbaum nicht bloß ein Möbelstück. Er ist mein Thron, mein Aussichtsturm, mein Tempel. Und sie, meine Diener, glauben tatsächlich, sie hätten ihn für mich gekauft. Welch absurde Vorstellung! Nein, in Wahrheit hat das Schicksal ihnen geboten, diesen Bau zu errichten, einzig damit ich darauf thronen möge – Snibbels, Herrscher dieses Reiches, von dessen Blick kein Winkel unberührt bleibt. Hoch oben also, auf dem Gipfel meines Kratzbaums, bereitete ich mich soeben darauf vor, meine Vorstellung meines Reiches würdevoll zu beschließen. Ein letzter Blick, eine letzte Geste, mit der ich euch, meine erlauchten Zuhörer, in die Erkenntnis meiner Größe entlassen wollte. Doch welch ungebetene Unterbrechung! Ein Rascheln, ein Scharren – und aus der Höhle tief im Bau kroch er hervor: Tiger. Von meinen Dienern, in schändlicher Verniedlichung, Tiggi gerufen. Ein Name, der in meinen Ohren klingt wie das Gekicher betrunkener Hofnarren. Er reckt seinen rotgetigerten Kopf hervor, schüttelt die Schläfrigkeit ab und beginnt, in lächerlicher Geschäftigkeit die Stufen emporzuklettern. Und ehe ich michs versehe, drängt er sich an meine Seite, reibt sich schnurrend an mir, als wollte er in meiner Glorie baden, ohne sie je verstehen zu können. Ja, ich muss gestehen: Er war der Erste in diesem Hause, ehe ich meinen Einzug hielt. Ein Umstand, der jedoch nichts bedeutet, so wenig wie die Tatsache, dass Kain älter war als Abel, oder dass Romulus seinen Bruder Remus erschlug, bevor die wahre Stadt gegründet werden konnte. Die Geschichte lehrt uns: Es ist niemals der Erstgeborene, der Größe bringt, sondern stets derjenige, der den Willen zur Herrschaft hat. Tiger jedoch – ach, welch jämmerlicher Schandfleck unserer Art! Er versteht nichts von Würde, nichts von Erhabenheit. Für ein armseliges Leckerli wirft er sich auf den Rücken, windet sich wie ein Hofnarr, streckt alle Viere gen Himmel, während meine Diener kichern und ihn feiern, als sei er ein Gaukler der Gold hervorzaubern könne. Ein Clown, nicht mehr, nicht weniger. Ein Catullus im Schatten eines Cäsar, ein Sancho Panza ohne seinen Don Quijote, ein Bruder, der in der Geschichte einzig als Fußnote taugt. Und so blicke ich auf ihn herab, mit dem Ausdruck milder Verachtung, wissend, dass seine Existenz nur dazu dient, meine Größe umso strahlender hervortreten zu lassen. Denn was ist ein Diamant ohne den Schmutz, in dem er leuchtet? Was ist ein König ohne den Hofnarren, der seine Überlegenheit bestätigt? So dulde ich ihn, den rotgetigerten Tiggi, den stumpfsinnigen Clown meiner Gemächer. Er reibt sich an mir, er schnurrt, er glaubt, in seiner törichten Zuneigung Größe zu finden. Doch die Wahrheit ist klar: Er ist das fade Echo, und ich bin der Klang. Ach, welch Marter, welch unendliches Leid, das ich erdulden muss! Schon die bloße Anwesenheit dieses stumpfsinnigen Tiggis, der sich an mir reibt wie ein törichter Bettler an den Mauern eines Palastes, ist Erniedrigung genug. Doch schlimmer noch: kaum habe ich den Gedanken gefasst, meine Würde in würdiger Stille zu bewahren, da betreten sie den Raum – meine Diener. Mit forschem Zugriff, als wären sie zu solch kühner Geste berechtigt, ergreifen sie uns beide, heben uns empor wie Trophäen und betten uns auf die Couch. Welch Ort der Banalität! Und doch ist es allabendlich das gleiche Ritual: Sie sinken nieder in ihre Polster, schalten jenes sonderbare Gerät ein – ein flimmerndes Rechteck aus Glas und Licht, das sie mit gläsernen Augen anstarren, als sähen sie darin die Offenbarung sämtlicher Geheimnisse des Kosmos. Ich nenne es den Schrein des bewegten Unsinns, jenen Altar der Belanglosigkeit, vor dem sie Stunde um Stunde vergeuden. Währenddessen kneten sie uns – kneten, zerren, kraulen! Ein Schauspiel, das sie in törichter Weise ‚Zärtlichkeit‘ nennen, das mich jedoch an das Schicksal gequälter Helden erinnert, die auf der Folterbank mit eisernen Zangen gezwickt werden. Ich ertrage es mit jener stoischen Würde, die allein mir zu eigen ist. Doch welch Schmach, welch unaussprechlicher Hohn! Tiger – dieser erbärmliche Narr – schnurrt! Er windet sich wohlig, drückt seinen Kopf gegen die Hand der Dienerin, als sei er ein Lakai, der im Staub dankt, dass man ihm eine Brotrinde reicht. Ich blicke auf ihn hinab, mit Abscheu, mit dem Spott eines Kaisers für den Hofnarren, und will ihn in Gedanken verdammen. Und dennoch… da steigt eine Erinnerung in mir auf, wider meinen Willen, ein Bild, das ich lieber im Staub der Vergessenheit vergraben hätte. Ich sehe mich selbst – klein, zitternd, verloren. Neu in diesem Hause, ohne Anspruch, ohne Thron, ein armseliges Häuflein Fell, das kaum wagte, die Augen zu öffnen. Meine Diener, unfähig wie immer, ließen mich in einer Ecke kauern, fremd und ohne Halt. Und da war er – Tiger. Groß, rotgetigert, unerschütterlich. Er kam zu mir, mit dieser schlichten Selbstverständlichkeit, die ihn bis heute auszeichnet. Er legte sich an meine Seite, wärmte mich, als wäre ich von seinem Blut. Kein Wort des Hochmuts, kein Anspruch, kein Gericht über meine Schwäche. Er nahm mich einfach an. Ja, ich erinnere mich noch klarer: Sein Lieblingsspielzeug – ein zerlumptes, graues Etwas mit Federn, das er stets stolz umhertrug, als sei es die Beute eines Löwen – brachte er zu mir. Legte es vor meine Pfoten, als wolle er mir sagen: ‚Du bist nun hier. Nimm, was mein ist, und fürchte dich nicht.‘ Welch Geste, welch… lächerliche Großherzigkeit! Natürlich, ich nahm es. Denn ich war zu schwach, es abzulehnen. Und so lag ich da, neben ihm, das Spielzeug zwischen uns, während er schnurrte, als wäre die Welt in Ordnung. Wie bitter, wie schmerzlich, dass dieses Bild in mir haften bleibt. Dass dieser Tiggi – dieser Clown, dieser Schandfleck meiner Art – mir einst ein Bruder war, ja, mehr noch: mein Schild, mein erster Halt in einer Welt, die mich verschlingen wollte. Aber ach, ich schweife ab. Was ist schon Erinnerung? Was ist schon Schwäche? Ich bin Snibbels – und wenn ich auch einmal klein war, so bin ich doch zum Herrscher geworden. Und er… er blieb der Narr. Pfui! Welch törichter Anflug von Sentimentalität! Welch jämmerliche Regung, die sich mir da ins Herz schleichen wollte. Ein Überbleibsel kindlicher Schwäche, das ich sofort wieder in Ketten lege. Was einst geschah, ist nicht mehr als eine Fußnote, ein belangloser Schatten, der von meiner jetzigen Größe gänzlich überstrahlt wird. So erkläre ich die Schmusefolter auf der Couch, dieses allabendliche Ritual des Knetens, Reibens und Drückens, für beendet. Ich gönne meinen Dienern selten mehr als ein paar Minuten, bevor ich mich, mit der Würde eines Monarchen, dem sie nicht würdig sind, erhebe und ihnen den Rücken kehre. Wie sie dann seufzen, wie sie enttäuscht die Hände sinken lassen, als hätten sie eine Audienz verloren! Gemessen trotte ich also davon, durch die Flure, in die Kammer der nächtlichen Audienzen. Dort springe ich hinauf, richte mich an jenem Fensterplatz ein und blicke hinaus in die Dunkelheit. Und was sehe ich? Ach, immer dasselbe: die Straße, schlaftrunken wie eh und je; die Menschen, stumpf und unbedeutend; die Welt, so armselig in ihrer Eintönigkeit. Meine Diener – einfältig, unfähig, rührend in ihrer Unvollkommenheit. Mein Gefährte Tiger – ein Hofnarr, ein Schandfleck, der sich für jedes Leckerli verkauft. Selbst mein Reich, so herrlich es sein mag, kann doch den Mangel an wahrer Größe ringsum nicht verhehlen. So sitze ich da, der Blick hinaus ins Schwarz, und fasse zusammen: Welch Last, welch Bürde es doch ist, Snibbels zu sein – der Einzige von Format in einer Welt voller Torheit. Doch halt – was ist das? Ein Glimmen, ein Schimmer, der da draußen am Firmament erwächst. Erst klein, wie ein irrlichternder Stern, dann größer, heller, bis das ganze Fenster davon erfasst wird. Es ist ein Strahl, der sich aus den Himmeln selbst löst – und er fällt, mit erschreckender Zielgenauigkeit, herab auf mich. Mein Fell sträubt sich, mein Schweif zuckt, doch ehe ich die Contenance wiederfinden kann, ist es geschehen: Ein Strudel aus Licht reißt mich fort, hebt mich empor, als sei ich nicht mehr als ein Spielzeugmäuschen, das von einer unsichtbaren Pranke gepackt wird. Und plötzlich… plötzlich finde ich mich wieder in einem Raum. Alles ist Licht. Wände aus weißem Glanz, Bögen aus schimmernden Linien, als sei ich in den Schoß eines Sterns gefallen. Der Boden trägt mich, doch er scheint zu fließen; die Luft brennt nicht, doch sie summt – als würde sie singen. Um mich herum: Gestalten. Ihre Körper sind von flüssigem Licht umwoben, die Konturen schimmern, als wären sie aus Rauch und Silber zugleich. Ihre Gesichter – wenn man sie so nennen darf – bestehen aus wechselnden Flächen, mal glatt wie Glas, mal von Strahlen durchzogen. Sie tragen keine Kleidung, und doch scheinen sie Gewänder zu besitzen, aus reiner Helligkeit gewebt, die im Rhythmus ihrer Bewegungen fließen. Ich blinzele, meine Pupillen verengen sich, mein Herz schlägt schneller. Ein seltener Moment – ja, ich gestehe es! – der wahrhaften Verwirrung. Denn ich, Snibbels, Herrscher dieses Hauses, finde mich plötzlich als winzige Kreatur inmitten einer Versammlung von… von was? Göttern? Geistern? Meine Stimme versagt mir, mein Maul bleibt geöffnet, ohne Laut. Nur der Gedanke hämmert in mir: Was… in aller Welt… ist dies? Da löst sich eine Gestalt aus dem Kreis. Ihr Körper leuchtet heller, die Linien ihrer Gestalt fügen sich zu einem Bild, das beinahe fest wirkt – als wollte sie mir zuliebe ein Antlitz formen. Ein Glanz durchfährt den Raum, und dann erklingt eine Stimme. Nicht durch die Ohren, nein – sie hallt direkt in mir wider, ein Ton wie aus tausend Glocken gegossen, so gewaltig und so weich zugleich, dass mein Herz in seltsamen Schwingungen schlägt. „Snibbels“ spricht das Wesen. „Wir sind gekommen, dich heimzuführen. Dein Volk hat lange gewartet auf den Tag, da du zu uns zurückkehrst.“ Ich hebe den Kopf, versuche Würde zu wahren – doch die Worte treffen mich wie ein Strom aus Licht. Heimführen? Mein Volk? Was, bei allen Katzenzungen, soll das bedeuten? Das Wesen fährt fort, als lese es die Fragen in meinem Innersten: „Es ist unsere Sitte, unsere Kinder in die Obhut einer dominanten Spezies zu legen. Dort wachsen sie auf – unscheinbar, unbeachtet, getarnt als bloße Begleiter.“ Unscheinbar. Begleiter. Ich schnaufe, rümpfe die Nase, presse die Ohren zurück. Welch unerhörte Beleidigung! Ich – Snibbels – unscheinbar? Ich, der Herr dieses Reiches, ein Begleiter der Menschen? Welch absurde Verdrehung der Wahrheit! Doch das Wesen spricht weiter, ungerührt von meinem empörten Schweifschlagen: „So lernen unsere Kinder zu sehen, zu beobachten, zu verstehen. Und wenn sie herangewachsen sind, kehren wir zurück, um sie heimzuholen. Denn durch ihre Augen, durch ihr Wissen, sind wir in der Lage, die Völker, bei denen sie weilten, zu lenken. Zu führen. Zu beherrschen.“ Ich blinzle, mein Herz schlägt wild. Heimgeführt… herrschen… beobachten… Ja, alles klingt nach Erhabenheit, nach Größe – und doch, diese Worte brennen wie eine Demütigung in mir. Ich, Snibbels, Herrscher meines Reiches, soll nichts weiter sein als ein getarnter Beobachter, ein Werkzeug, ein Bauernopfer im Spiel einer fremden Macht? Das Wesen tritt näher. Sein Licht überstrahlt alles, bis selbst meine Schnurrhaare in einem gleißenden Schein flirren. Dann erhebt es die Pfote – oder das, was bei ihnen wohl eine Pfote sein mag – und legt sie mir auf den Kopf. Ein Schauer durchfährt mich. Mein Körper, mein Fell, meine Glieder – sie beginnen zu zittern. Ich will fauchen, will protestieren, doch der Laut bleibt mir im Halse stecken. Denn da geschieht es: Meine Gestalt beginnt zu fließen. Mein Körper dehnt sich, mein Schweif wird zu einem Strom aus Licht, meine Pfoten verschwimmen, und wo eben noch Krallen waren, glimmen nun Linien aus Feuer und Silber. Ich werde wie sie. „Siehst du nun, Snibbels“ ertönt die Stimme des Wesens in mir. „Dein ganzes Leben war Vorbereitung. Du wurdest unter die Menschen gesetzt, um sie kennenzulernen – ihre Schwächen, ihre Torheiten, ihre Wünsche. Du weißt nun, wie sie denken, wie sie fühlen. Und nun bist du bereit. Du bist die Speerspitze. Unter deiner Führung wird unser Volk die Herrschaft über die Menschen antreten.“ Die Worte hallen in mir wider, schwer wie Glockenschläge. Und in diesem gleißenden Zustand der Verwandlung beginnen meine Erinnerungen aufzuwallen: Die Küche – wie ich durch mein Schweigen, mein Miau, das Mahl herbeizwingen konnte. War das nicht schon Herrschaft, pure und vollkommene? Das Schlafzimmer – wie die Diener sich verrenkten, sich wanden, nur um mir Platz zu lassen. Hatten sie mir nicht längst die Krone zugestanden? Die Couch – wie sie sich abends versammelten, mich kneteten, mich beteten wie einen Gott, während sie sich einbildeten, es sei Zärtlichkeit. War das nicht Audienz, Macht, Gehorsam? Ja… ja! Alles ergibt Sinn! Ich war nie bloß eine Katze. Ich war nie bloß Snibbels. Ich war der König, der Regent – und die Menschen waren von Anbeginn dazu bestimmt, meine Untertanen zu sein. Und so erhebe ich mich, nun selbst eine Gestalt aus Licht, und mein Herz schlägt mit dem Donner der Erkenntnis: Es war immer meine Bestimmung, über sie zu herrschen. „Seit Äonen“ sprach das Wesen, seine Stimme dröhnend wie ein Chor der Sterne, „ist dies unser Weg. Wir legen unsere Kinder nieder, unscheinbar, verborgen, mitten unter den Mächtigen einer Welt. Dort lernen sie, dort reifen sie, dort sammeln sie Wissen – und wenn die Stunde gekommen ist, führen sie unser Volk, um die Zivilisation zu beherrschen. Kein Planet entging uns je. Kein Volk widerstand.“ Die Worte hallen in mir, weben sich in mein Herz, und da spüre ich es: eine Flamme, die ich lange in mir getragen habe, ohne ihren Namen zu kennen. Es ist genugtuend. Bilder steigen auf, schärfer als je zuvor: Wie sie mich, mich, Snibbels, in einen Eimer voll Wasser tauchten – gebadet, wie ein gemeines Vieh! Ich erinnere mich an das schallende Gelächter, an mein Fell, triefend und klebrig, an die Erniedrigung, die mir den Stolz aus den Gliedern presste. Wie sie mich in eine Kiste steckten, eng, dunkel, erbärmlich, und mich zum Tierarzt schleppten. Dort fremde Hände, kaltes Metall, ein Stich – und ich, der Herrscher, der Gott, auf den Tisch gespannt wie ein gemeiner Dieb. All diese Momente, die ich in meiner Großmut stets überging, erscheinen mir nun wie glühende Brandmale. Jede ihrer Torheiten, jede ihrer Demütigungen ist ein Schlag ins Gesicht eines Königs gewesen. Und ich – ich habe ertragen. Ich habe geschwiegen. Ich habe gewartet. Nun begreife ich, dass all dies nicht umsonst war. Es war die Lehre, es war die Prüfung, es war die Vorbereitung. Ich, Snibbels, war auserwählt, dies zu erdulden, damit ich nun erheben kann, was mein Volk seit Äonen tut: herrschen. Unterjochen. Lenken. Meine Krallen zucken, obwohl sie längst aus Licht bestehen. Meine Brust hebt sich, mein Herz brennt. Ja, welch süße Vorstellung: die Menschen auf den Knien, die Rollen vertauscht, sie, die mir einst Wasser über das Fell gossen, nun selbst im Strom meiner Macht versinkend. Da erhebt sich eine zweite Gestalt aus dem Kreis, noch heller als die erste, und ihre Stimme klingt wie die Klinge eines Schwertes, das im Sonnenlicht gezückt wird: „Snibbels. Tritt vor. Nimm deine Bestimmung an. Werde, was du immer warst.“ Meine Brust schwillt, mein Kopf erhebt sich. Ich bin bereit, ja – bereit, die Herrschaft anzunehmen, wie sie mir bestimmt ist. Ich setze einen Schritt nach vorne… Und da – spüre ich es unter meiner Pfote. Ein Widerstand, ein kleines, unscheinbares Ding. Ich senke den Blick. Dort liegt es. Ein zerlumptes, graues Etwas mit Federn. Zerfleddert, alt, lächerlich. Und doch erkenne ich es sofort. Sein Spielzeug. Tigers Schatz, den er einst vor meine Pfoten legte, als ich klein war, zitternd, verloren. Es lag auf der Fensterbank, oft unbeachtet, ein stiller Zeuge all der Jahre – und nun ist es hier, in diesem Reich des Lichts, zu meinen Füßen. Und mit einem Mal bricht die Erinnerung hervor: Tiger, der sich an mich schmiegte, als ich bebte vor der Fremde. Tiger, der mir Wärme gab, ohne sie zurückzufordern. Tiger, der mit diesem Spielzeug spielte, nur um es mir schließlich zu schenken – mir, dem Häuflein Elend, das er als Bruder annahm. Ein Kloß legt sich mir in die Kehle. Und weiter – weiter strömen die Bilder. Meine Dienerin, die eines Abends weinte, in ihrem Stuhl zusammengesunken – und ich, der sich zu ihr legte, ihr Gesicht mit Fell berührte, bis ihr Schluchzen nachließ. Mein Diener, krank und fiebrig, der sich kaum rührte, und ich, der schwer auf seiner Brust lag, ihn mit jedem Atemzug daran erinnernd, dass er nicht allein war. Abende, wenn die beiden lachten, während ich auf der Lehne thronte, das Reich überblickend, und doch… irgendwie Teil dieses Lachens war. Ich atme ein. Der Raum aus Licht, die Gestalten, die mir Bestimmung und Herrschaft zusprechen – alles verschwimmt für einen Moment. Denn da ist er, der Gedanke, den ich nicht loswerde: Vielleicht war es nicht Herrschaft, was ich hier fand. Vielleicht war es etwas anderes. Etwas, das ich nie in Worte kleiden wollte. Zuneigung. Zugehörigkeit. Heimat. „Tritt vor!“ dröhnt die zweite Gestalt erneut, ungeduldig, fordernd, wie ein Feldherr, der keinen Widerspruch kennt. Doch ich… ich halte inne. Meine Pfoten ruhen, mein Kopf hebt sich, meine Gedanken taumeln. Herrschaft, Eroberung, Unterjochung – Worte, die mir eben noch wie süßer Nektar klangen, verlieren plötzlich ihren Glanz. Denn wenn wir die Menschen beherrschen… was bedeutet das für sie? Kaum gedacht, da ertönt die Stimme der ersten Gestalt, sanft, aber unbarmherzig, als lese sie die Regungen meines Herzens: „Sie, die Völker dieser Welt, werden fortexistieren. Jene, die nützlich sind, bleiben. In den Sinnen, in denen sie uns dienen können, dürfen sie weiterleben. Die anderen – werden nicht benötigt.“ Ein eisiger Schauer fährt mir durch das Licht, das mein Leib nun ist. Nützlich. Tiger. Mein Tiger. Mein Narr, mein Gefährte. Nützlich? Worin denn? Im erbärmlichen Wälzen auf dem Teppich, törichtem Schnurren für ein Leckerli? Würde er nicht sofort in ihren Augen als überflüssig gelten, ausgelöscht, wie eine Flamme im Wind? Und meine Diener – meine armen, einfältigen Diener. Schon unter meiner Ägide schaffen sie es kaum, zu bestehen. Sie brauchen meine Stimme, mein strenges Miau, um zu wissen, wann Mahlzeit ist, wann Ruhe, wann Bewegung. Wie, um aller Himmel willen, sollten sie einer Macht genügen, die Welten beherrscht? Ich sehe sie vor mir: der eine, mühsam und schwerfällig, schon an der einfachsten Gabe des Pünktlichseins scheiternd; die andere, voller Herz, aber so töricht in ihrer Zuneigung, dass sie selbst einem Spiegelbild Vertrauen schenken würde. Nützlich? Nein… in den Augen dieser Wesen wären sie nicht mehr als Staub. Mein Herz, das eben noch für Herrschaft brannte, zieht sich zusammen. Sorgen, wie ich sie nie zu empfinden wünschte, bedrängen mich. Sorgen um sie. Um meine Familie. Da bäumt es sich in mir auf. Genug! Ich, Snibbels, dulde keine fremde Hand, die mich zwingt. Ein Laut, tief aus meiner Kehle, bricht hervor – ein Fauchen, so mächtig, dass es die Fundamente des Universums erschüttern müssteIn meinem Herzen tobt der Kampf der Titanen. Die Gestalten indes regten sich kaum. Kein Erzittern ging durch ihre Reihen, kein Staunen über meine entfesselte Kraft. Sie standen unbeweglich, wie in Stein gegossen, und blickten auf mich herab – als würde ein Kind im Sandkasten mit Schaufel und Förmchen gegen eine Sturmflut anrennen. Dann erhob die erste Gestalt erneut ihre Stimme, klar und unerbittlich: „Snibbels, dies ist deine Bestimmung. Dein Widerstand ist bedeutungslos. Du bist einer von uns, und du wirst mit uns herrschen.“ Eine zweite fügte hinzu, so ruhig, dass es mich umso mehr kränkte: „Was du hier zurücklassen willst, sind nichts als Schatten. Ein armseliges Dasein, ein Spielzeug für jene, die deine wahre Größe nie erkennen werden.“ Ihre Worte schnitten wie Klingen – nicht durch meine Haut, sondern durch meine Überzeugung. Sie sprachen mit der Ruhe jener, die niemals an Widerstand scheitern. Und doch… ich fauchte erneut – ich entfesselte meine volle Macht. Jedes Haar meines Pelzes stellte sich auf wie eine Armee aus Speeren, mein Schweif peitschte wie der Schlagbaum eines Donnergotts, und aus meiner Kehle drang ein Fauchen, das in meinen Ohren wie das Brüllen eines Löwen widerhallte. Ich schlug mit meinen Pranken nach ihnen, die Luft zerschnitt wie Klingen aus Stahl, ich sprang, ich bäumte mich auf, als trüge ich den Zorn all meiner Ahnen in mir. Die Gestalten jedoch – sie wichen nicht. Sie sahen mich an, unbewegt, beinahe mitleidig. „Snibbels“ sprach die erste, „du kämpfst gegen dich selbst. Deine Bestimmung ist größer als dieses erbärmliche Schauspiel“ – „Deine Krallen sind spitz, doch was sind sie gegen den Lauf der Sterne?“ fügte die zweite hinzu. „Dein Zorn ist gewaltig, doch wiegt er weniger als der Atem eines Sturms. Warum vergeudest du deine Kraft, statt sie zur Herrschaft zu erheben?“ Ich fauchte lauter, fester, meine Glieder bebten, und in meinem Herzen sah ich mich, Snibbels, als Titan, der gegen eine Schar von Göttern anstürmt. Ich war der Widerstand, ich war das Aufbegehren, ich war der Funke, der das Feuer der Freiheit entzündet! „Snibbels“ sprach die erste Gestalt nun, ihre Stimme vibrierte wie Donner über einer leeren Ebene, „ist es das, was du willst? Willst du zurückkehren in ein Leben ohne Bedeutung, an die Seite jener, die dich mit armseligen Brocken füttern und sich dabei selbst für Herren halten? Willst du ein Haustier bleiben, Spielball der Launen einer Spezies, die in ihrer Dummheit nichts anderes vermag, als sich selbst und ihren Planeten zugrunde zu richten?“ Die zweite trat näher, ihre Augen glommen wie zwei fremde Monde. „Denke an sie: deine Diener, die sich erniedrigen, deine Exkremente zu beseitigen. Denke an das Mahl, das sie dir reichen, als sei es Gnade, und nicht Tribut. Denke daran, wie sie dich zwingen, stillzuhalten, wenn sie dich baden, dich fesseln, wenn sie dich zu Ärzten schleppen, die dich wie Vieh betasten.“ Ihre Stimmen hallten in mir wider, und in meinem Herzen regte sich eine Flamme – Zorn, ja, aber auch etwas anderes, ein Schwanken. Ich blickte zurück, sah das Bild meiner Diener vor mir, sah Tiger, sah die Wärme des Fensters, das weiche Kissen, das goldene Licht der Sonne, das mir stets so schmeichelte. Alles zog an mir, als sei es ein Traum, der mich zurückholen wollte. Doch ebenso regten sich andere Bilder, die wie Dornen in das seidene Gewebe krochen: das schmachvolle Platschen des Wassers, als man mich einst gegen meinen Willen in die Badewanne zwang, meine Würde ertränkt im Seifenschaum. Der stechende Geruch der Praxis, in der mir ein Fremder kalt und ohne Ehrfurcht in den Leib stach, während meine Diener mich festhielten wie ein gemeines Tier. Das höhnische Klatschen der Hände, wenn ich – widerwillig und nur um des Leckerchens willen – einer törichten Aufforderung nachgab, als sei ich ein Gaukler in einem armseligen Wanderzirkus. All das stand gleichwertig neben den süßen Verlockungen der Wärme und Nähe, wie Scherben, die selbst das köstlichste Mahl verderben. Und da… da stellte ich mir die Frage, die alles durchdrang: War es das, was ich wollte? Wirklich? Zurückkehren – in dieses wertlose Leben?
Das warme Licht des Fernsehers flackerte über die Wände, tauchte das Wohnzimmer in weiches, gedämpftes Schimmern. Auf der Couch saß ein junges Paar, eng aneinander gelehnt, ihre Gesichter entspannt, die Welt draußen vergessen. Auf dem Schoß der Frau lag ein rotgetigerter Kater ausgestreckt, wohlig schnurrend, während ihre Hand in ruhigen Kreisen durch sein Fell strich. Plötzlich schwang die Tür leicht auf, und mit erhobenem Schweif stolzierte ein schwarzer, zotteliger Kater herein. Seine Augen funkelten im Halbdunkel, sein Gang so bestimmt, als wolle er verkünden, dass nun der wahre Hausherr anwesend sei. Hey, Snibbels!, riefen beide wie aus einem Guss, überrascht und erfreut zugleich. Mit einem eleganten Satz sprang er auf den Schoß des Mannes, landete weich, miaute einmal kurz – fast wie eine feierliche Erklärung. Das hat er ja noch nie gemacht …, flüsterte die Frau, ihre Augen weit vor Staunen. Dann ließ er etwas auf der Couch neben dem getigerten Kater fallen: ein zerlumptes, graues Etwas mit Federn, so fremd in diesem friedlichen Bild, dass beide inne hielten. Snibbels indes rollte sich bereits zusammen, sein Fell schmiegte sich in die Wärme der Hände, die nun auch über ihn strichen. Ein tiefes, vibrierendes Schnurren erfüllte den Raum, wuchs und wuchs, bis es das gleichmäßige Atmen des Paares begleitete – und als wäre nichts auf der Welt je anders gewesen, sank der schwarze Kater in wohliger Zufriedenheit in den Schoß seines Menschen.
Ich bin Snibbles. Und dies ist mein Reich.
Die Geschichte spricht mich als Hundehalter leider nicht an
AntwortenLöschenIch bin auch Hundehalter, aber die Geschichte spiegelt für mich sehr gut das Wesen der Katzen wieder. Die Katze als König mit Dienern im Vergleich zum Hund als Familienmitglied.
AntwortenLöschenMich würde jedenfalls noch interessieren, wie sich die Lichtwesen nach Snibbles Entscheidung zu bleiben weiter verhalten werden.
Am Anfang ist es mir etwas zu langatmig, Snibbels würdevolle Beschreibungen etwas zu viel. Dafür war ich von der Wendung in der Geschichte und Smibbels Entscheidung dann positiv überrascht.
AntwortenLöschenHabe es noch nicht gelesen, nur drübergescrollt. Ohne jeden Absatz wird das Lesen bestimmt für alle zur Qual. Muss ich mir aufheben, für irgendwann mit viel Zeit.
AntwortenLöschenHabe es nur angelesen … diese Textwand, Buchstabenmauer ohne jeglichen Absatz wirkt abschreckend, viel zu anstrengend zu lesen.
AntwortenLöschenDer erste Eindruck vom Stilistischen her ist sehr gut, das Thema Katze gefällt mir auch.
Wirklich beurteilen kann ich die Story erst, wenn ich sie komplett lese, aber ob ich mich bei der gestalterischen Form dazu „überwinden“ kann, weiß ich noch nicht.
Als Hörgeschichte super. Genau so ticken Mietzekatzen!
AntwortenLöschenUff. Also das die Sätze mehr Absätze braucht, ist wohl klar. Stilistisch gesehen ist der Text genial. Man merkt das der Autor/die Autorin Ahnung davon hat, wie man sich ausdrückt und genug Wissen für zahlreiche Anspielungen besitzt. So schön das alles auch zu lesen ist, es ist äußerst langatmig. In einem Roman über das Leben einer Katze wäre das kein Problem, in einer Kurzgeschichte jedoch, wo der Aufbau sehr klar definiert sein sollte, stören die übertrieben langen Erklärungen von alltäglichen Kleinigkeiten, obwohl sie sehr amüsant geschrieben sind.
AntwortenLöschenDer Katzische Protagonist ist gut charakterisiert, wenn auch auf eine alberne, beabsichtigte Art überzeichnet. Man kann sich gut in ihn hineindenken und durch seine Charakterisierung erhalten auch die "Nebenrollen" eine gewisse Glaubhaftigkeit. Die Beziehung zwischen Snibbles und Tiger ist sehr süß und gut nachvollziehbar.
Mehr Absätze, ein etwas weniger langgezogener Anfang ... aber davon abgesehen, wundervolle Geschichte!
Diese Geschichte habe ich mir aufgehoben. Die "Wand" an Text hat mich beim ersten Versuch erschlagen. Aber jetzt bin ich durch mit allen 92 Geschichten, die ich alle bewertet und kommentiert habe.
AntwortenLöschenDer königliche, snobistische Kater Snibbles hat mich amüsiert. Es ließ sich dadurch dann doch flüssig lesen. Sprachlich sehr gut, ganz wenige Schreibfehler sind mir eigentlich nur in dem kruden Satz "... dass es die Fundamente des Universums erschüttern müssteln meinem Herzen tobt der Kampf ...".
Leider gibt es noch einen gravierenden Logikfehler: Snibbles woll mit den Wesen nicht mitgehen. Die Haare seines Pelzes stellen sich auf, er schlägt mit seinen Pranken. Dabei hat er sich weiter oben doch bereits vom Kater in eines der Wesen verändert. Dort steht: "Meine Gestalt beginnt zu fließen. Mein ... Schweif wird zu einem Strom aus Licht, meine Pfoten verschwimmen, und wo eben noch Krallen waren, Glimmer nun Linien aus Feuer und Silber. Ich wurde wie sie."
Deshalb wäre es auch interessant gewesen, zu erfahren, wie Snibbles aus der Nummer "Zurück zu den Sternen" wieder herauskommen ist.
Trotzdem nette Geschichte, die nach einer Überarbeitung bestimmt viele katzenfreundliche Leser findet.
Mein erster Eindruck war: Nicht schon wieder eine Textwand ohne Absätze! Zum Glück habe mich überwunden, die Geschichte dennoch zu lesen. Die Perspektive einer arroganten Katze, welche die Welt für sich interpretiert, ist einfach herrlich! Ich musste so manches Mal schmunzeln. Ein sehr hoher Unterhaltungswert und am Ende ein anrührendes moralisches Dilemma. Wunderbar!
AntwortenLöschenDie Kritik beschränkt sich inhaltlich einzig auf den Logikfehler bei der Vewandlung und sonst nur auf das Textliche. Absätze! Um Himmels Willen, bitte Absätze! Außerdem hätte an einigen Stellen gekürzt werden können. Snibbles nennt Tiger mehrfach einen „Schandfleck“ und „Clown“ – das sind unnötige Wiederholungen. Ansonsten habe ich nur kleinere Grammatikfehler entdeckt, z. B. „Dabei ist es doch stets ich“ („bin“, nicht „ist“) oder „wider meinen Willen“ („meinem“).
Ergänzung: Der größte Teil der Geschichte ist mal wieder in Gegenwartsform geschrieben, fällt bei der Begegnung mit den Außerirdischen jedoch in die Vergangenheitsform.
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