Resonanzfenster
Chronik einer adressierten Passung
Abschnitt 1 – Protokoll eines unvollständigen Phänomens
Es gehört zur unglücklichen Eleganz der Wissenschaft, dass sie mit Vorliebe jene Ereignisse registriert, die sich ihrer Messung entziehen, und so begann auch die Dokumentation dessen, was später unter dem provisorischen Etikett der „extraterritorialen Brutablage“ Eingang in die Kataloge bekam, mit einem Verzeichnis winziger Abweichungen in Geburtenregistern, morphologischen Kennzahlen und neurophysiologischen Basiswerten, die einzeln betrachtet als harmlose Streuung gegolten hätten, zusammen jedoch – in einer nur durch geduldiges Übereinanderlegen von Datenschnitten sichtbaren Kohärenz – eine Signatur ergaben, die niemandem gehörte, den wir kannten, und dennoch, auf irritierende Weise, niemandem fremd erschien.
In den frühen Aufzeichnungen, die von Provinzkliniken, Raumhafenpforten, Grenzstationen und universitär angebundenen Ambulanzen eingespeist wurden, fand sich kein einziger Hinweis auf ein Ereignis, das man mit den dramatischen Vokabeln der Literatur belegen könnte – keine Lichter am Himmel, keine Ankunft aus den Tiefen, keine Geräuschkulissen außerhalb des üblichen meteorologischen Zufalls –, sondern nur ein sachte anschwellender Chor administrativer Anomalien, in dem die Stimmen der Hebammen, Geburtshelfer und Amtsnotare, jede für sich korrekt und pflichtbewusst, im Zusammenklang jedoch eine Melodie ergaben, deren Töne außerhalb der gewohnten Tonleitern lagen und deshalb zunächst als Rauschen ausgefiltert wurden.
Die Kinder, die später in unseren Akten als Individuen der Klasse C auftauchten, wurden in Familien geboren, die sich in ihrer unaufgeregten Normalität dadurch auszeichneten, dass sie keinerlei Raum für Sensationen ließen, weshalb die ersten Jahre dieser Biografien von Einträgen geprägt sind, die statistisch beruhigen – regelmäßige Entwicklungsschritte, unauffällige Krankheitsbilder, eine Vorliebe für technisch nicht erklärungsbedürftige Speisen und Beschäftigungen –, und wenn sich doch einmal eine Abweichung zeigte, dann von jener Art, wie sie jeder Kinderarzt mit einem abwinkenden „Wächst sich aus“ beschwichtigt und die Eltern dankbar wieder in den Fluss der Verrichtungen entlässt.
Dass wir überhaupt aufmerkten, verdankten wir nicht dem einzelnen Fall, sondern der Akkumulation von Maßlosen im Maßhaltigen: Es waren die milchglasigen Ränder in den Netzhautscans, die ein Kollege im Archiv zunächst für Artefakte der Kompressionssoftware hielt; es waren die minimalen Verschiebungen in den Reaktionszeiten auf mehrdeutige Reize, die in einem Labor für kognitive Basiserregung als Versucherwartung fehlinterpretiert wurden; es waren die Blutbilder, die an keiner Stelle deutlich waren, aber an allen Stellen hinwiesen, sodass erst die Summation vieler Informationen – und die Beharrlichkeit einiger weniger, die Informationen ernst zu nehmen – den Eindruck einer Erkenntnis ergab, dessen Bedeutung wir erst rückwirkend verstehen konnten.
Die Hypothesen, die in dieser Phase gewälzt wurden, sind im Rückblick lehrreich, weil sie die Grenzen des jeweils Denkbaren markieren: Manche sprachen von einer verborgenen Bevölkerungsgruppe mit eigener Diätetik und damit einhergehenden Mikronährstoffprofilen, andere von einer somatischen Anpassung an neue, aus der Kolonialexpansion zurückfließende Allergene, wieder andere von einer kaum verstandenen Korrelation zwischen urbanen Schlafmustern und neuronaler Plastizität im Vorschulalter – alles in sich geschlossene Erklärungen von jener Ordnung, die beruhigt, weil sie das Ungewöhnliche in das Gewöhnliche rückübersetzt, und dennoch, auf eine schwer zu benennende Weise, zu glatt und dabei viel zu reibungsfrei und damit zu bequem für die Daten selbst.
Die erste koordinierte Erhebung – ein Versuch, der mit der bescheidenen Ambition antrat, Ordnung in Metadaten zu bringen und nichts weiter – verband die Identifikatoren der Geburtskliniken mit den anonymisierten Schuluntersuchungen und den routinemäßigen Vorsorgeprofilen, und aus dieser triangulierten Perspektive ergaben sich Kurven, die auf keiner bekannten Karte verzeichnet waren: eine schwache, aber robuste Tendenz zur Synchronisierung bestimmter Hormonspiegel in Schüben, die nicht mit den üblichen Entwicklungsfenstern deckungsgleich waren; eine seltsame, gleichwohl reproduzierbare Vorliebe für kausal mehrdeutige Bilderrätsel; eine, wenn auch im Alltag unsichtbare, außergewöhnliche Stabilität gegenüber akustischem, „weißem“ Störpegel, als hätten manche Ohren gelernt, das Rauschen liebzuhaben, aus dem die Signale kommen.
Auf gesellschaftlicher Ebene blieb all dies ohne Effekt, weil kein Alarmton erklang, der eine Bürgermeisterin oder einen Minister hätte aufschrecken können, und so wuchsen die Kinder – begabt, höflich, manchmal eigensinnig, nie bedrohlich – in jene Rollen hinein, die jedes Gemeinwesen bereithält, um sich selbst zu bestätigen, während in den stilleren Domänen der Verwaltung und Forschung die Terminologie zu wandern begann: Aus „auffällig unauffällig“ wurde „kohärent nichtklassifizierbar“, aus „marginal verschoben“ wurde „systematisch moduliert“, aus „rätselhaft“ wurde, über das Umwegwort „komplex“, das Eingeständnis, dass wir einem Phänomen gegenüberstanden, das unsere Begriffe kannte und ihnen auswich, ohne sie zu verhöhnen.
Als wir schließlich die ersten Intervallberichte verfassten – Dokumente, die zwischen Leitartikel und Laborjournal oszillierten und in ihrer nüchternen Sprache eine Unruhe nicht verbergen konnten, die im Text keine Stelle fand –, fehlte uns noch jedes belastbare Modell, ja, es fehlte uns die Entscheidung, ob es eines biologischen, sozialen oder informationstheoretischen Modells bedürfe, denn die Zeichen ließen sich, je nach Blickrichtung, in jeder dieser Logiken anordnen, und doch, so sehr wir auch rotierten, blieb im Zentrum ein leerer Platz, der in seiner Leere mehr sagte als unsere Formeln, nämlich, dass hier ein Wille zur Passung am Werk war, der unsere Messwerkzeuge wie Höflichkeitsbesuche behandelte: man empfängt sie, aber man verrät nichts.
Die Ethikkommission, die man frühzeitig und vielleicht zu früh in das Verfahren einzubinden suchte, verfasste ein Memorandum, dessen nüchterne Sätze in der Erinnerung ein leises Vibrieren behalten haben, weil sie, ohne es auszusprechen, einen Verdacht umkreisten: dass wir es nicht mit einer zufälligen Drift zu tun hätten, nicht mit einem emergenten Muster aus Umweltreizen und genetischen Lotterien, sondern mit einer Absicht, deren Form wir nur erkennen konnten, weil sie perfekt darin war, ihre Absichtlichkeit zu verbergen, und deren Erfolg sich gerade daran maß, dass Eltern, Lehrkräfte, Ärzte und die Kinder selbst sich in einem Spiegel betrachteten, der das Gesehene bestätigte, indem er alles andere ausblendete.
In dieser Lage, die zwischen wissenschaftlicher Geduld und administrativem Fatalismus balancierte, trafen wir eine Entscheidung, die weniger heroisch war, als sie im Nachhinein klingt, nämlich die Entscheidung, weiter zu zählen, weiter zu protokollieren und weiter zu vergleichen – in der Hoffnung, dass sich das unsichtbare Gitter, das wir zu spüren glaubten, eines Tages in den Staub der Zahlen abdrücken würde –, und wenn ich heute, da die Chronik fortgeschrieben ist, die frühesten Tabellen betrachte, dann sehe ich in ihnen nicht die Ohnmacht, die uns später vorgeworfen wurde, sondern eine Art vorbereitende Demut, mit der man die eigene Theoriearmut akzeptiert, um das Fremde lange genug anzuschauen, bis es sich an den Rändern verrät.
Abschnitt 2 – Fallstudie „Elian“, aufgezeichnet in longitudinaler Perspektive
In der Sammelakte erscheint der Name „Elian“ zunächst wie jeder andere Eintrag, erfasst von einer unauffälligen Geburtsstation in einem Küstenbezirk, koordiniert durch eine Registrarin, die in dreißig Dienstjahren nie eine Schlagzeile produziert hat und gerade deshalb verlässlich ist, und so lesen wir, nach dem obligatorischen Apgar und den routinemäßigen otoakustischen Emissionen, eine Reihe wohltemperierter Normalitäten, die erst in der Aggregation eine eigentümliche Saite anschlagen: eine Retina mit minimal milchigen Rändern, die der Augenarzt einem Filter der Kamera zuschreibt, eine Schlafpräferenz für gleichförmigen Lüfterlärm, der die Wiegenlieder der Mutter überblendet, sowie ein frühes, gelassenes Interesse an mehrdeutigen Bilderbüchern, als sei die Unentschiedenheit der Gestalten kein Störfall, sondern ein Ort der Ruhe.
Die ersten Lebensjahre des Kindes bestehen, der Chronik nach, aus jenen unspektakulären Verrichtungen, in denen Gesellschaften ihre Selbstähnlichkeit garantieren – Impfserien, Tetanustests, die klebrige Prozession der Kinderkrankheiten und die unzähligen Nachmittage in Sandkästen, die wie niedrige Archäologien aussehen –, und doch fallen in den Kommentaren der Betreuungskräfte Fußnoten an, die in ihrer Diskretion bemerkenswert sind: Elian ordnet Bausteine nicht nach Farbe, nicht nach Größe, sondern nach Winkeln der Schatten, baut Türme, die stabil bleiben, wenn andere Kinder die Luft vor ihnen verwirbeln, und antwortet auf Rufenamen in jener halbsekundigen Latenz, die nicht Zerstreutheit ist, sondern die Geste eines Systems, das Rückbestätigungen schätzt, bevor es handelt.
In der Vorschule, so notiert die Pädagogin in sauberer, etwas altmodischer Hand, zeigt das Kind eine Höflichkeit, die nicht einstudiert wirkt, vielmehr wie die präzise Reproduktion sozialer Vektoren, die es aufnimmt und spiegeln kann, ohne sich darin zu verlieren, was im Alltag als Reife gelobt wird und in den Testreihen als eine eigenartige Stabilität gegenüber Störsignalen aufscheint: Während andere Kinder beim Versuch, gleichzeitige Reize zu sortieren, die Fehlerquote mit der Lautstärke ihrer Umgebung erhöhen, bleibt Elian überraschend konstant, als hätten Gehör und Aufmerksamkeit sich auf eine heimliche Übereinkunft geeinigt, das Rauschen als Träger und nicht als Feind zu behandeln.
Das häusliche Milieu, das in Hausbesuchen und Elterngesprächen mit protokollarischer Geduld vermessen wird, bietet keine Sensationen an; der Vater, ein Mechaniker, der die Sprache der Lager und Riemen beherrscht, führt das Kind an das geduldige Zerlegen einfacher Geräte heran, während die Mutter, in rotierenden Nachtdiensten einer Klinik verpflichtet, ausgerechnet dann die größte Ruhe ausstrahlt, wenn die Wohnung voll kleinster Geräusche ist, und so lernen wir Elian nicht als Wunderkind kennen, sondern als jemanden, der in Konstellationen gedeiht, die andere ermüden, indem er die Wiederkehr des Immergleichen nicht flieht, sondern sie als eine Art taktiles Alphabet benutzt, in dem die Welt ihre verlässlichen Silben bildet.
In den schulischen Basisdiagnostiken werden die üblichen Paradigmen angewandt – Stroop-Varianten, Navon-Figuren, serielle Positionseffekte in Listen und die notorisch tückischen „Schwan oder Elefant“-Bildtafeln –, und die Auswertung bestätigt, was im Alltag nur als sympathische Verschrobenheit registriert wird: eine leicht überdurchschnittliche Geschwindigkeit in der Auflösung visueller Ambiguitäten bei gleichzeitiger Abwesenheit jener impulsiven Korrekturen, die gewöhnlich aus der Ungeduld resultieren, recht zu haben, ergänzt um eine abrufbare Gedächtnisleistung für leise Geräuschsequenzen, als hätte das Kind die Angewohnheit, die Muster hinter den Mustern als Erstes zu hören und erst danach die Töne, die wir für die Musik halten.
Mit Beginn der Vorpubertät registrieren die longitudinalen Reihen einen Schub, der die Biochemiker zunächst nicht beunruhigt, dann aber, angesichts seiner Synchronität mit anderen Fällen, die Notiz „beobachten“ verdient: Hormonpegel, die in kurzen, geordneten Wellen überschießen, ohne die typischen Nebengeräusche von Stimmungslabilität zu erzeugen; eine leichte Verschiebung des Schlafbeginns um exakt dieselbe Zahl von Minuten an drei aufeinanderfolgenden Tagen; eine auffällige, wiewohl harmlose Zuneigung zu Aufenthaltsorten, die durch gleichmäßige Vibrationen geprägt sind, wie der Tisch über dem alten Kühlschrank, der Rand einer Brücke über dem Fernzug, der Windschutz vor dem Transformatorhäuschen, und immer wieder die Fähigkeit, in diesen Umgebungen zu lesen, zu lernen, zu verlangsamen, als atme der Körper mit etwas mit, das nicht wind- oder strombetrieben ist, sondern regelhaft im Hintergrund pulst.
Im sozialen Gefüge wird Elian derweil so gesehen, wie Gesellschaften es lieben – als freundlich, hilfreich, mit einem Instrumentenkasten an Nachahmungen, die keine Maske, sondern eine Emphase sind –, und wenn gelegentlich jemand vermerkt, dass das Kind in Gesprächen die Pause, diesen schmalen Grat zwischen Antwort und Gegenantwort, metronomisch präzise trifft, dann gilt das als gutes Benehmen und nicht als Marker eines Systems, das auf Resonanz angewiesen ist.
Aus der Perspektive unserer Sammlung ist Elian kein Ausreißer, eher ein Musterexemplar der Klasse C in jenem Stadium, das die Kliniker „vollständige Passung bei partieller Eigenfrequenz“ nennen, eine Formulierung, die so bürokratisch klingt, dass sie die eigentliche Pointe fast verdeckt, nämlich, dass sich hier ein Leben der Umgebung so perfekt anlegt, dass nur in den Pfaden des Rauschens, in den Gewohnheiten des Gleichförmigen oder in den kleinen Entscheidungen für Ambivalenz und gegen Eile eine Signatur sichtbar wird, die nicht schreit, sondern wartet, als lausche sie auf einen Ruf, der, wenn er kommt, nicht von außen her an das Trommelfell schlägt, sondern im Inneren als Übereinstimmung spürbar sein wird.
Abschnitt 3 – Erste Evidenzkaskade unter Laborbedingungen und im Feld
Der Anlass für die zweite Erhebungswelle – die in den Akten als Evidenzkaskade A geführt wird und in ihrer Konzeption zugleich bescheiden und überambitioniert erscheint – war kein spektakulärer Befund, sondern die auffällige Wiederkehr winziger Synchronitäten in voneinander unabhängigen Datensätzen, wobei jene unscheinbaren Gleichzeitigkeiten, die man im Alltag einer Großpopulation getrost als Zufall ablegt, in ihrer Summe ein Muster ergaben, das sich quer durch Zeitzonen, institutionelle Routinen und Gerätegenerationen fortsetzte, als habe eine vorsichtige Hand in unsere Messpläne hineinkorrigiert, ohne eine einzige Regel explizit zu brechen, und so beschlossen wir, für einen streng begrenzten Zeitraum sämtliche Reiz-Reaktions-Messungen der Klasse C zentral zusammenzuführen.
Die erste Struktur, die aus dieser Harmonisierung hervortrat, ließ sich, da wir auf Metaphern angewiesen sind, vorläufig als Resonanzfenster benennen, womit jene schmalen Intervalle gemeint sind, in denen die Summe der Reaktionszeiten vieler Probanden auf breitbandige, inhaltlich bedeutungslose Reize nicht nur enger wurde, als die Normalverteilung uns gestatten würde, sondern sich in einer Weise verdichtete, die auf eine gemeinsame Taktung schließen ließ, welche weder mit den üblichen zirkadianen Parametern korrelierte noch mit schulischen Tagesrhythmen oder städtischen Verkehrsflüssen, vielmehr in ihrer Sturheit so indifferent gegen menschliche Organisation war, dass man sie, wäre man mutiger gewesen, sogleich als externen Taktgeber bezeichnet hätte.
Zur Absicherung gegen methodische Artefakte – eine Sorge, die uns zu Recht mehr beschäftigte als jede spektakuläre Interpretation – erweiterten wir die Datengrundlage um Quellen, die ursprünglich nicht für kognitive Messungen gedacht waren, nämlich die anonymisierten Sensorstreams gängiger Gesundheitsarmbänder, deren Herzfrequenzvariabilität und Bewegungsvektoren in hinreichender Auflösung vorlagen, und fanden, nach Entfernen individueller Routinen und Umgebungsstörgrößen, dieselben schmalen Verdichtungen in der zeitlichen Nachbarschaft der Laborfenster, als ob der Körper, unbefragt und unbelehrt, in jenen Minuten Entscheidungen über die Sortierung seiner inneren Geräusche getroffen hätte, die mit unseren Tests nichts zu tun hatten und doch auf sie antworteten, woraus weniger ein Ergebnis als eine Verpflichtung folgte, die Feld- und Laborspuren miteinander sprechen zu lassen.
Ein Teil der Kohorte – auf Freiwilligkeit und nach ausführlicher Aufklärung beruhend, wie die Ethikkommission es in präzise Formeln gefasst hatte – wurde daraufhin in eine Sequenz von Feldmessungen eingebunden, deren Konstruktion so harmlos wie anspruchsvoll war: Wir setzten die Probanden in definierte Umgebungen, die sich durch gleichmäßige, technisch nicht codierte Hintergrundvibrationen auszeichneten, wie Brückenköpfe über Fernzügen, Wartesäle mit beständig arbeitenden Klimageräten oder die betonierten Vorfelder von Trafostationen, und ergänzten dies durch einen Laborteil, in dem breitbandiges Rauschen in pseudorandomisierten Sequenzen dargeboten wurde, wobei alle Parameter – Lautheit, Spektralverteilung, Dauer, Pausen – vorab registriert, versiegelt und für Dritte einsehbar gemacht wurden, um späteren Einwänden bezüglich selektiver Auswertung die Grundlage zu entziehen.
Die Ergebnisse, so nüchtern sie sich in Tabellen und Konfidenzintervallen präsentieren, zeigen, in der Zusammenschau, eine Eigenart, die schwerlich mit Gewöhnung, Erwartung oder Placebo zu erklären ist, denn in den Protokollen der Klasse C findet sich, über mehrere Orte und Geräte hinweg, ein schwach ausgeprägtes, aber robuste Phasenverhalten in den ereigniskorrelierten Potenzialen, dessen periodische Komponenten in einem Verhältnis zueinander stehen, das nicht nur herausfällt aus den bekannten Resonanzen des Hör- und Gleichgewichtssystems, sondern auch aus jenen schlichten rationalen Verhältnissen, wie sie typischerweise in technischen Störquellen auftreten, sodass – dies sei betont – nicht von einer Quelle die Rede sein kann, sondern von einem Ordnungsprinzip, das sich auf die Reihenfolge der Unordnung bezieht und innerhalb dieser Ordnung ein Ja und Nein markiert, ohne Information zu tragen, wie ein Händedruck, der nur die Verbindung prüft.
Im eng gefassten Einzelfall, der uns als Kontrollnarrativ dient und in dem Elian – nach Zustimmung der Sorgeberechtigten und mit dem ausdrücklichen Recht auf Abbruch zu jeder Zeit – als Proband erscheint, zeigt sich das gleiche stille Einrasten: An zwei aufeinanderfolgenden Tagen, jeweils in einem der identifizierten Fenster, fällt im Rauschtest die Varianz der Reaktionszeiten abrupt unter den individuellen Median, die Fehlerquote sinkt, ohne dass die Geschwindigkeit auf Kosten der Genauigkeit steigt, und das Heimprotokoll registriert in zeitlicher Nachbarschaft eine kurze, ausgesprochen gleichmäßige Phase der Herzfrequenzvariabilität, in der die ansonsten lebendige Mikrounruhe des vegetativen Systems einer Gelassenheit weicht, die nicht Müdigkeit ist, sondern das, was Kliniker, wenn ihnen die Worte fehlen, „stabil“ nennen, woraufhin der Alltag ohne sichtbaren Wandel fortsetzt, als sei nichts geschehen.
Die methodische Gemeinde – zu Recht misstrauisch gegenüber wunderbaren Kurven, die zu schön sind, um wahr zu sein – verlangte Replikation unter Fremdaufsicht, und so wurden die Stimulusfolgen, die Zufallsseeds, die Verstärkerwege und die Auswertepipelines in drei voneinander unabhängigen Laboren wiederholt, wobei Kontrollgruppen, die in Alter, Geschlecht, sozioökonomischem Status und Schlafprofilen sorgfältig gematcht waren, keine entsprechenden Muster zeigten, während die Klasse C – mit individuellen Schwankungen in der Ausprägung und ohne jegliche pathologische Begleiterscheinungen – die charakteristische Phasenbindung erneut abbildete, woraus streng genommen nur folgt, dass eine Synchronisierung ohne erkennbare Quelle und ohne erkennbaren Inhalt stattfindet, und doch ist es schwer, in der Praxis nicht von einem Ruf zu sprechen, wenn die Angerufenen, ohne Worte zu hören, zur gleichen Zeit stiller atmen.
Zur theoretischen Einordnung wurde, mangels geeigneter Metaphern, ein minimales Modell vorgeschlagen, das auf der Idee beruht, dass die beobachteten Verdichtungen nicht durch ein extern aufgeprägtes Signal entstehen, sondern durch eine dynamische Reduktion der frei verfügbaren Zustandsräume im Hintergrundrauschen, wodurch in kurzen Intervallen die Zahl der günstigen Reaktionsbahnen steigt und gleichsam die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass heterogene Systeme – Gehirne, Herzen, Muskeln, Messgeräte – für einen Moment so tun, als hätten sie sich verabredet, was weniger eine Erklärung als eine Form ist, das Unerklärte aufzubewahren, bis bessere Begriffe bereitstehen, und was im Übrigen die praktische Konsequenz hat, dass man diese Fenster vorhersagen kann, indem man nicht nach Signalen sucht, sondern nach Löchern im Zufall.
Als die erste Vorhersage – eine vorsichtige, mit breiten Fehlerbalken versehene Angabe eines Intervalls in der folgenden Woche – mit den Messungen übereinlief, ohne dass es eines Nachjustierens bedurft hätte, stand fest, dass wir es uns nicht mehr leisten konnten, die Beobachtungen als Kuriositäten zu behandeln, zugleich aber, dass jede voreilige Namensgebung das Tatsächliche verriegeln würde, weshalb die Kommission, flankiert von Fachgutachten und nicht ohne Widerspruch in den eigenen Reihen, beschloss, die Öffentlichkeit vorerst mit einer neutralen Notiz zu informieren, in der von vorübergehender Reaktionsverdichtung in breitbandigen Testumgebungen die Rede war, während wir intern, nüchtern und etwas bleich, akzeptierten, dass hier eine Ordnung um unsere Ordnung kreiste, die nichts verlangte, als dass die Betreffenden anwesend seien, wenn der Takt wiederkehrt.
Abschnitt 4 – Erstkontaktprotokoll ohne Emissionssignatur
Dass die Rückkehr derjenigen, die in unseren Akten erst als Vermutung und dann als statistisch belastbare Abwesenheit einer bekannten Ursache geführt worden waren, nicht in der Form optischer, akustischer oder thermischer Übergriffe stattfinden würde, sondern als eine Ordnung, die sich über die bereits identifizierten Resonanzfenster legte wie eine zweite, präzisere Taktung, ließ sich im Nachhinein als zwingend darstellen, doch in der Gegenwart des Ereignisses bestand sie zunächst aus einem Bündel von Unauffälligkeiten – geringfügige Driftkorrekturen in den Referenzoszillatoren der orbitalen Vergleichstaktgeber, minimal veränderte Fehlerraten in den Vorhersagemodellen breitbandigen atmosphärischen Rauschens, eine handbreit abweichende Stabilität von GNSS-Differenzkorridoren und, im unbeachteten Untergrund der Infrastruktur, eine verlässliche, wenn auch schwache Reduktion des algebraischen Mittels städtischer Mikrovibrationen, als würde jemand den Teppich nicht heben, sondern einen Moment lang das Flimmern aus dem Gewebe nehmen.
Die Sensorik, die wir in den vorangegangenen Phasen noch als flankierende Beweisführung betrachtet hatten, lieferte in dieser Etappe das eigentliche Bild: In den Daten der Wetterradare tauchten Segmente auf, die nicht durch reflektierende Objekte, sondern durch eine systematische Abwesenheit jener zufälligen Rückstreuung gekennzeichnet waren, auf die unsere Filter eigentümlich empfindlich reagierten; die seismischen Stationen der Region meldeten, synchron zu zuvor berechneten Fenstern, eine für menschliches Empfinden unmerkliche Harmonisierung der Hintergrundgeräusche nahe bestimmter Brückenköpfe und Transformatorvorfelder; und mehrere voneinander unabhängige Zeitbasen in Laboren, die sich der Klasse C widmeten, zeigten eine winzige, wiederkehrende Koinzidenz in der Korrektur ihrer Disziplinierung, als ob ein externer Taktgeber nicht gesendet, sondern für Sekundenbruchteile die Notwendigkeit des Sendens abgeschaltet hätte, wodurch die Uhren, ihres Rauschens kurz enthoben, aufeinander hörten.
Die Kommission, die den Übergang vom Beobachten zum Handeln mit jener Vorsicht koordinierte, die aus vielen kleinen Irrtümern und wenigen großen Skandalen gelernt hatte, klassifizierte das zu Erwartende als „Ereignisklasse R“ – R wie Resonanzgestützte Kontaktaufnahme ohne Primärsignatur – und gab in einem Rundschreiben Vorgaben heraus, die in ihrer Bescheidenheit die Lage am besten beschrieben: Die Probanden der Klasse C sollten, ohne Änderung ihres Alltags, in den prognostizierten Intervallen idealerweise an den Orten verweilen, an denen sie sich ohnehin gern aufhielten und die durch gleichförmige Umgebungsgeräusche geprägt waren; die Aufsicht führenden Stellen sollten messen, dokumentieren und nichts erzwingen; und die Familien sollten informiert, aber nicht instruiert werden, weil jede Form von Isolation, Quarantäne oder Zwang die entscheidende Eigenschaft des Phänomens – sein Vertrauen auf Übereinstimmung statt Gewalt – nicht nur missverstanden, sondern vermutlich zerstört hätte.
Als die Fenster einsetzten, verdichtete sich das zuvor nur als Korrelation Vermutete in eine Form, die man, um ein verführendes Wort in die Nähe des Tatsächlichen zu bringen, „Adressierung“ nennen könnte, denn es zeigte sich, dass nicht die gesamte Kohorte, sondern je nach Intervall wohldefinierte Teilmengen derselben in eine synchronisierte Ruhe traten, die sich im vegetativen System als nacktes Plateau der Herzfrequenzvariabilität und im Verhalten als unspektakuläre Präferenz für den Verbleib an ein, zwei Lieblingsorten manifestierte.
Von „Schiffen“ zu sprechen wäre, als wollte man ein Geräusch malen, und doch verdanken wir der Pflicht zur Beschreibung einige Umrisse einer Antriebsarchitektur, die sich nicht über Emission, sondern über Elimination kenntlich macht, denn wo unsere Radare, Lidar-Arrays und thermischen Kameras üblicherweise ein Spektrum banaler Artefakte einsammeln, entstand in den entscheidenden Momenten eine topologisch zusammenhängende Zone reduzierter Rückantwort, die sich mit unseren Kontrastmitteln nicht füllen ließ, während gravimetrische Pendel der älteren Bauart, unökonomisch, aber in ihrer Ehrlichkeit unübertroffen, eine flache, bewegliche Umkehr der alltäglichen Uneinigkeit der Masseverteilungen anzeigten, als werde Trägheit für Zeitfenster kleiner als die Aufmerksamkeit kurz entprivilegiert, wodurch Bewegung nicht erzwungen, sondern die Notwendigkeit des Bewegens aus der Rechnung genommen wurde.
Die Kommunikation, sofern der Begriff ohne Missverständnisse benutzt werden kann, bestand nicht aus kodierten Signalen im Raum der Bedeutungen, sondern aus Negationen im Raum der Zufälle, indem, in kurzen, voraussehbaren Intervallen, die Zahl der schlechten Reaktionsbahnen durch eine strukturelle Verarmung des Hintergrundrauschens sank, sodass eine binäre Interaktion möglich wurde, die kein Alphabet und keine Grammatik voraussetzt.
Der Übergabemechanismus – in den Papieren als gradientenarmer Korridor bezeichnet, um nicht „Schacht“ zu sagen, wo keiner war – zeigte in mehreren dokumentierten Fällen dasselbe Muster: In der Zone der reduzierten Rückantwort entstand für Minuten ein Bereich, in dem die Summe der mikroskopischen Gegenkräfte auf beobachtbare Weise geringer wurde, wodurch Fortbewegung nicht leichter, wohl aber folgenreduzierter erschien, und die Betroffenen, die bereits in Passung waren, setzten, ohne sichtbare Aufforderung und ohne äußeren Zwang, zwei, drei Schritte in einen Raum, der im Bild nicht anders aussah als der Rest der Welt, aber im Körper die Entscheidung bestätigte.
Für die Institutionen, deren Logik auf Zuständigkeit beruht, war diese Form des Kontakts eine Zumutung, weshalb man eilig Formulare erfand, die das Nichtverfügbare zu erfassen suchten – vorläufige Aufenthaltsbescheinigungen ohne Aufenthaltsort, Sorgerechtsvermerke mit beidseitiger Zustimmung zwischen Pflegefamilien und Unbekannt, ärztliche Atteste über den Befund „stabil ohne Befund“ –, und die Kommission, nunmehr gezwungen, Öffentlichkeit und Verantwortung in ein Gleichgewicht zu bringen, gab knappe Hinweise heraus, die weder warnen noch locken sollten: In den nächsten Wochen seien, mit einer Periodizität, die sich an den früheren Fenstern orientiere, weitere Intervalle zu erwarten; Betroffene sollten ihren Alltag unbeeinträchtigt fortführen; Beobachtende sollten messen, aber nicht hindern; und alle übrigen sollten verstehen, dass ein Erstkontakt stattgefunden habe, der ohne Dialog auskomme, weil Einverständnis hier die Sprache sei.
Wenn man, was geboten ist, einen wissenschaftlichen Satz am Ende dieser Etappe verlangt, dann vielleicht den, dass eine fremde Zivilisation eine Trägheits- und Rauschökonomie beherrscht, in der Mobilität, Adressierung und Zustimmung als drei Aspekte desselben Vorgangs erscheinen, sodass Schiffe nicht zeigen, indem sie senden, sondern verbergen, indem sie das Rauschen für einen Augenblick ordnen; dass Kommunikation nicht darin besteht, Bedeutungen zu übertragen, sondern Möglichkeiten zu reduzieren; und dass Abholung nicht als Entzug, sondern als Angebot verstanden werden muss, dem nur diejenigen folgen können, die zuvor, aus Gründen, die wir erst in der nächsten Etappe zu benennen versuchen werden, gelernt haben, das Rauschen zu lieben, aus dem die Signale kommen.
Abschnitt 5 – Entscheidung, Mechanismusexplikation und gesellschaftliche Nachträge
Nachdem die Ereignisklasse R in mehreren Intervallen replizierbar geworden war und die Kommission, flankiert von Kliniken, Messstellen und einem zunehmend gelassenen Teil der Öffentlichkeit, akzeptiert hatte, dass die Abholung weder Befehl noch Entführung, sondern eine an Übereinstimmung gebundene Option darstellte, wurde unter dem nüchternen Titel Optionenschema O ein Verfahrensrahmen formuliert, der festhielt, dass jede Teilnahme die freiwillige Gegenwart im Resonanzfenster voraussetzte, dass kein Eingriff ohne dokumentierte Passung zu erfolgen habe und dass vor, während und nach der möglichen Überschreitung ausschließlich protokollarische, nicht dirigistische Handlungen stattzufinden hätten – Messen, Verzeichnen, Bestätigen –, damit aus dem einmaligen Ereignis nicht der Präzedenzfall einer Verfügung über Personen werde, die zuerst Kinder ihrer Familien und Gemeinden waren und erst in zweiter Linie Objekte eines kosmischen Versuchsdesigns.
Die spätere Offenlegung des Anpassungsmechanismus, die mit bewundernswerter Zurückhaltung im gemeinsam unterzeichneten Technischen Anhang P erschien, bestätigte, was zuvor aus indirekten Indizien abgeleitet worden war, ohne den Fehler der Überdramatisierung zu begehen: Die äußere Passung der sogenannten Klasse C beruhte nicht auf dauerhaften genetischen Eingriffen, sondern auf einer während der frühesten Embryonalphase etablierten, feldgebundenen Zusatzstruktur – im Text als paramorphes Interface bezeichnet –, deren mikrometrisch feine, metabolisch sparsame Aggregate an morphogenetische Gradienten andockten, ohne sie zu ersetzen.
Diese Interface-Schicht, deren biophysikalische Kopplung im Labor nur als Veränderung der Zustandsräume unter breitbandigem Rauschen sichtbar wurde, erwies sich als durchgehend abhängig von jener unscheinbaren Ökonomie, die wir bis dahin als Hintergrund behandelt hatten – die Textur zufälliger Mikroreize in Gewebe, Luft und Material –, sodass die Passung nicht als starres Maskenspiel zu verstehen ist, sondern als fortlaufende Übereinkunft zwischen Organismus, Umgebung und einem feldbasierten Korrektor, der weder sendet noch formt, sondern die Zahl der günstigen Lösungen laufend so verschiebt, dass die gewählte Gestalt wahrscheinlicher bleibt als ihre Abweichungen.
Die Abholung selbst, in den Protokollen nun präziser als Übergang über gradientenarme Korridore unter Interface-Neukonfiguration beschrieben, zeigte in mehreren dokumentierten Fällen, dass keine äußere Kraft die Passung löste, vielmehr der Schritt in die Zone reduzierter Gegenkräfte dem paramorphen System die Möglichkeit gab, seine Kopplungen auf einen zweiten, ebenso stabilen Attraktor zu drehen – denjenigen der Herkunftsspezies –, wobei die Entscheidung nicht durch Inhalt, sondern durch Form vermittelt wurde: Wer in der Passung verweilte, blieb in der Alltagsgestalt ohne jede Störung; wer zwei, drei Schritte in den Korridor setzte, bestätigte mit der Handlung das Ja zur Neukonfiguration, die sich nicht als sichtbare Verwandlung, sondern als veränderte Zuordnung von Rauschen zu Körper vollzog, nachweisbar nur in der feineren Topologie des vegetativen Systems und in jener gelassenen Reaktionsverdichtung, die wie eine Unterschrift ohne Buchstaben aussieht.
Im Einzelfall Elian, dessen Langzeitakte uns erlaubt, seltene Dichte und Diskretion zu verbinden, fand die Entscheidung in einer Form statt, die jeder Romanisierung spottet und gerade deshalb dokumentationswürdig ist: Der Jugendliche, von seinen Pflegeeltern begleitet und von uns nicht geführt, stand in einem prognostizierten Fenster an seinem üblichen Ort über dem Fernzug, atmete, nachweislich an den Kurven der Herzfrequenzvariabilität, in jenes Plateau hinein, das wir Passung nennen, und berichtete – später, im schlichten, nicht poetischen Vokabular eines Selbstprotokolls – keine Stimme und keinen Verlust des Selbst, sondern die gleichzeitige Verfügbarkeit zweier Stimmigkeiten, von denen keine die andere bedrohte, woraufhin er, nach einer Pause, die im Diagramm wie ein ruhiger See aussieht, den Korridor nicht betrat, mithin das Nein der bleibenden Gestalt gab, das von den anderen, den Unsichtbaren, weder sanktioniert noch bejubelt, sondern nur registriert wurde.
Die Konsequenz dieser Nicht-Überschreitung, die im Optionenschema ausdrücklich vorgesehen ist und die in öffentlichen Debatten fälschlich als „Verweigerung“ etikettiert wurde, bestand nicht in einem Abbruch der Beziehung, sondern in der Einrichtung einer stabilen Zweifrequenzlage des Interfaces, die, um einen unglücklichen Musikvergleich zu riskieren, einer sauberen Doppeltonigkeit ähnelt, in der beide Attraktoren – Pflegewelt und Herkunftsordnung – wirksam, aber nicht herrisch präsent sind, wodurch dem Individuum, so sagen es die Nachuntersuchungen, eine spätere Entscheidung ohne kumulierten Anpassungsstress offensteht, während im Alltag nichts weiter geschieht, als dass jene Orte, an denen gleichförmige Geräusche dominieren, an Bedeutung gewinnen, weil sie als Kontrollräume fungieren, in denen Parität und Selbstbestimmung überprüft werden können, ohne dass daraus eine Pflicht zur erneuten Teilnahme entstünde.
Gesellschaftlich erwuchs aus dieser Praxis kein Drama, sondern das, was Institutionen können, wenn man ihnen Zeit gibt: eine stille Umstellung der Zuständigkeiten, in der aus dem früher hilflosen Formularwesen ein vorsichtiges Passungsrecht wurde – mit der schlichten Maxime, dass Bürgerinnen und Bürger der Klasse C in allen Belangen wie alle anderen zu behandeln seien, ausgenommen der Unterstützung bei der Wahrnehmung ihrer Option, wozu Gemeinden Brücken- und Trafostationen als freiwillige Messorte lizenzierten, Schulen die Fensterschemata diskret in ihre Pläne integrierten, Kliniken die Protokolle „stabil ohne Befund“ als positiven Zustand anerkannten und Registerämter lernten, Aufenthaltsvermerke ohne Ortswechsel auszustellen, weil Aufenthalt hier eine Funktion der Übereinstimmung und nicht der Bewegung ist.
Im Verlauf der nächsten Zyklen, mit denen diese Chronik ihren stringenten Abschluss findet und deren Periodizität so verlässlich wurde, dass selbst die Skeptikerinnen nur noch mit Fragen der Auslegung beschäftigt waren, zeigte sich das ganze Spektrum der Entscheidungen – manche gingen im ersten verfügbaren Fenster, aus Gründen, die weder heroisch noch erklärungsbedürftig waren; manche blieben, wie Elian, mit dem nüchternen Vertrauen, später ebenso frei zu sein; manche vollzogen eine späte Überschreitung nach einem Jahrzehnt zweier Stimmigkeiten, und alle Fälle, die wir seriös begleiten konnten, bestätigen die Ausgangsthese, dass hier nicht Überzeugung übertragen, sondern Möglichkeit freigehalten wird, indem eine fremde Technik die Verantwortung, die sie technisch ausüben könnte, systematisch zurückweist und stattdessen die geringe, aber robuste Ordnung der reduzierten Zufälle als gemeinsame Sprache anbietet, in der Zustimmung messbar, aber nicht erzwingbar ist.
Ok, was soll ich zu dieser Geschichte sagen… Ich musste mich durchkämpfen. Ich habe ein wissenschaftliches Studium hinter mir und ich kenne einiges an Fremdwörtern. Diese Geschichte verstehe ich aber nur im Ansatz. Fremdwörter aus den Bereichen Medizin, Chemie, Biologie, Physik etc. werden wild durcheinander geworfen und machen das Lesen sehr mühsam. Der Autor zieht dies aber von Anfang bis Ende konsequent durch. Bravo dafür.
AntwortenLöschenEs geht grundsätzlich darum, dass festgestellt wurde, dass eine Gruppe der Menschheit anders ist. Für mich kommt dabei die Aufgabenstellung „ausserirdische Kuckuckskinder“ nicht als gelöst herüber. In den ersten beiden Absätzen von „Abschnitt 5“ könnte man vielleicht erahnen, dass es um Ausserirdische geht. Allerdings wird dieser Eindruck durch die überwiegende Mischung von Fremdwörtern wieder verwischt und vernichtet. Und ging es nicht um Neugeborene, die auf der Erde abgegeben werden und die sich äusserlich anpassen? Dann würde das nicht passen mit „an die menschliche DNS angedockte Zusatzstruktur seit der embryonalen Entwicklung“.
Ging mir genauso. Das liest sich wie ein ellenlanges Gutachten. Kein Lesegenuss. Allerdings muss man die Fach- und Fremdwortkenntnis des Schreibers hochachten.
LöschenDurch die vielen Fachbegriffe hochanspruchsvoll, aber anstrengend zu lesen. Auch ansonsten schließe ich mich der Meinung des vorherigen Bewerters an.
AntwortenLöschenHui! In sich sehr konsequent und gut geschrieben. Ich kann mir diese Geschichte in Abschnitten sehr gut in einem Roman mit wechselnden Stimmen vorstellen, wodurch ein großer Kontrast geschaffen werden könnte und man sich nicht durch eine reine, gut geschriebene Abhandlung kämpfen muss, die auf Dauer sehr anstrengend zu lesen ist.
AntwortenLöschenStellen wie diese: „und berichtete – später, im schlichten, nicht poetischen Vokabular eines Selbstprotokolls – keine Stimme und keinen Verlust des Selbst, sondern…“ hätten ja selbst in der Kurzgeschichte dazu eingeladen, den wissenschaftlichen Text mit Elians Sicht in schlichten Worten anzureichern :)