DACSF2025_54

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Wandel der Macht

„Und du bist dir da ganz sicher?“, fragte Wagora, während sie mit zitternden Händen das Multispektrum-Teleskop bediente.

Kokorti sah auf das Display.

„Es ist perfekt, Wagora. Die Kaiserfamilie dieser Spezies erwartet ein Kind.“ Kokortis Stimme bebte vor Aufregung. „Taktisch — perfekt“, hauchte er begeistert.

„Schalte zur Gravitationslinse“, befahl er.

Ein Tastendruck Wagoras genügte, und die Gravitationslinse wurde aktiviert.

„Ja, aber …“, Wagoras Hände wurden feucht, „… wollen wir unser geliebtes Kind wirklich den Menschen überlassen?“

Wagora sah flehend zu Kokorti. „Das sind unsere erbittertsten Feinde. Sie jagen uns schon seit …“

„Denkst du, ich weiß das nicht!?“, unterbrach Kokorti sie abrupt.

Sein Blick finster und kalt.

„Genau deswegen ja. Das ist die perfekte Gelegenheit, einen taktischen Schlag gegen sie zu landen.“

Seine Mundwinkel zitterten langsam nach oben. Hass spiegelte sich in seinen Augen wider.

„Damit werden sie nicht rechnen.“ Sein Blick ging ins Leere.

„So werden wir sie endlich vernichten.“

Wagora sah wieder zum Steuerpult. Sie dachte an ihr ungeborenes Kind. Ein Schauer durchzog sie, als Kokorti plötzlich neben ihr stand und sie sanft berührte. Vorsichtig blickte sie zu ihm.

Der Hass wie weggeblasen, und ein liebevolles Gesicht blickte ihr in die Augen.

„Mach dir keine Sorgen, Wagora. Bei den Menschen wird unser Kind sicher aufwachsen. Sie lieben ihre Kinder so, wie wir unsere.“

Wagora blickte tief in seine Augen und erkannte, dass er es ernst meinte. Ein schwaches Lächeln zog sich über ihr sanftes Gesicht.

„Ok, Kokorti. Ich bin einverstanden.“

Kokorti lächelte und gab ihr einen Kuss. Mit einem Satz drehte er sich um seine Achse und ging zu seinem Kommandosessel. Von dort steuerte er die wichtigsten Systeme des Raumschiffes.

„Also gut. Dann beginnen wir den Bruttransfer.“

Zwanzig Jahre später.

Arilas Blick ankerte fest auf ihrem Gegner. Ein groß gewachsener Mann mit einem Schwert. Er machte einen kurzen Schritt nach vorne und schwang sein Schwert von oben. Mit einer schnellen Drehbewegung wich sie zur Seite, sodass das Schwert knapp an ihr vorbeirauschte.

Kinderspiel.

Sie nutzte den Schwung und schleuderte ihm ihren Zopf entgegen. Eine Klinge an ihrer Spitze fuhr ihrem Gegner durch die Wange.

Überrascht über diesen Angriff, zog sich ihr Gegner etwas zurück. Die Wange brannte, das erkannte sie an seinem Gesicht. Dabei sollte es nicht bleiben, da war sie sich sicher.

Arila setzte ihr Bein weit nach vorne und stach mit ihrem Schwert zu. Ihr Gegner schlug es mit seinem zur Seite, doch nutzte Arila die übertragene Kraft, um sich auf dem Boden zu drehen und ihm die Beine wegzufegen.

Mit aufgerissenen Augen beobachtete er, wie sich der Raum um neunzig Grad drehte und er plötzlich am Boden lag. Schweiß und Blut liefen ihm das Gesicht herunter, als er ihre Klinge an seinem Hals spürte. Er wagte es nicht zu schlucken, da sonst sein Kehlkopf über die scharfe Klinge schaben würde.

Mit einem selbstsicheren Grinsen stand Arila auf und hielt ihm die Hand hin.

„Komm, Baske. Du bist doch hoffentlich nicht schon fertig?“, fragte sie und zwinkerte ihm zu.

Baske griff nach der Hand.

„Ihre Kampfkunst sucht ihresgleichen, Prinzessin“, erwiderte er, während er sich wieder aufrichtete.

Prinzessin Arila rollte ihre Augen. „Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du nicht so förmlich mit mir reden sollst? Sieh mich einfach …“, Arila tippte sich gegen ihr Kinn und sah ihn schräg an.

„… als eine Art Freundin. Zwei Kumpel, die einfach ein bisschen üben.“

Baske verbeugte sich leicht. „Natürlich, Prinzessin Arila.“

Kurz bevor die Augen wieder zu rollen begannen, stieß ein kaiserlicher Soldat die Tür zum Waffensaal auf. Sofort stellte er sich mit geradem Rücken hin und sah schwer atmend auf die Wand.

„Kaiser Tareda wünscht sofort Ihre Anwesenheit, Prinzessin Arila“, schrie er atemlos.

Ohne Worte rannte sie los. Konnte es wirklich sein? Wie ein Sturm fegte sie von Gang zu Gang. War es heute endlich so weit? Der Sturm riss den Bediensteten alles aus den Händen, als er an ihnen vorbeifegte. Schon längst verschwunden war sie, als sie ihr hinterherblickten.

Vor einer großen Tür kam der Sturm zum Erliegen. Die goldenen Verzierungen unterstrichen die Wichtigkeit dieser. Noch einmal tief durchatmen.

Nun nickte sie den überraschten Wachen zu, und sie öffneten die Tür.

Arila trat hinein. Ein großer, prunkvoller Tisch befand sich in der Mitte des Raumes.

Kaiser Tareda erwartete sie schon und bedeutete ihr, sich neben ihn zu setzen.

Alle Entscheidungsträger des Reiches befanden sich nun an diesem Tisch. Vertreter jedes Ministeriums standen Förmlichkeits halber auf, als Arila sich neben ihren Vater setzte.

Erst durch ein Zeichen Taredas setzten sie sich wieder.

„Also gut. Da die Prinzessin nun auch anwesend ist, sollten wir beginnen“, entschied der Kaiser.

Sein Blick fuhr zu Madesan, einem schmächtigen Mann, der sich um die wissenschaftlichen Dinge des Reiches kümmerte.

Der Blick reichte, und Madesan stand ruckartig auf. In der Hand sein Hut, an dem er mit feuchten Händen zupfte.

„Oh … o … ok“, begann er stotternd.

Er hustete einmal in die Hand und räusperte sich.

„Wie ihr alle sicherlich wisst“, begann er seine Rede, während er keinen direkt ansah, „waren wir in den letzten Jahren damit beschäftigt, das neue Quantenradar-System im Sonnensystem zu positionieren.“ Die mangelnde Sauerstoffsättigung in seinem Kreislauf zwang ihn zu einer kurzen Pause.

„Nun … kann ich mit Freude verkünden, dass dieses Vorhaben gestern erfolgreich abgeschlossen wurde.“ Er lächelte etwas stolz in die Runde, bis ihm plötzlich auffiel, dass das nicht die wichtige Information war, für die er herkam. Wieder räusperte er sich.

„Als wir nun dieses System hochfuhren, staunten wir nicht schlecht. Und zwar konnten wir deutlich erkennen, dass sich jemand in unserem Sonnensystem befindet.“ Madesan wusch sich mit seinem Hut den Schweiß von der Stirn.

Arila war sich unsicher, ob er das Bewusstsein verlieren würde, wenn er noch weiter sprach.

„Natürlich haben wir sofort alle uns zur Verfügung stehenden Tests durchlaufen lassen, um sicherzustellen, dass alles vollumfänglich funktionstüchtig ist.“

„Madesan“, mahnte der Kaiser ungeduldig mit fester Stimme.

„Oh … natürlich“, überschlug sich seine Stimme. „Auf dem Mond befindet sich ein Raumschiff der Kukor!“

Aufgeregte Stimmen hallten durcheinander im Raum.

Ein Raumschiff der Kukor? Arila wartete immer ungeduldiger auf eine echte Mission für sich, doch ein Raumschiff der Kukor hatte sie nicht erwartet.

„Ruhe!“, rief der Kaiser. Sofort herrschte Stille.

Krahwik ergriff nun das Wort, was Madesan dazu veranlasste, erschöpft und erleichtert in seinem Stuhl zu versinken.

„Was wissen wir über dieses Schiff?“

Madesan erschrak, als er begriff, dass diese Frage an ihn gerichtet war.

„K … Königs … klasse“, stotterte er.

Stille.

Königsklasse! Genau das richtige für sie.

„Was zum Teufel machst du hier, Kokorti“, dachte der Kaiser laut.

„Das ist unsere Chance. Wir müssen es sofort vernichten“, blaffte Krahwik.

„Also bitte doch“, schnitt eine schnippische Stimme durch den Saal. „Und das soll der Kopf unseres ach so tollen Verteidigungsministeriums sein?“

Ibertiem stellte sich mit hochgezogener Nase auf. Krahwik hingegen begnügte sich damit, seine Brauen zusammenzuziehen.

„Kokorti, der, nennen wir ihn mal Anführer dieser lästigen Kukor, befindet sich garantiert nicht auf einer Spionagemission in unserem Sonnensystem. So lästig wie die Mehlmotten in unserer Speisekammer, vermute ich, dass sie ihre Brut platzieren wollen.“

Wieder aufgeregtes Hallen im Raum.

Ibertiem räusperte sich extra laut, um die Kontrolle wieder an sich zu reißen.

„Ich persönlich“, er hielt seine gestreckten Finger an die Brust, „empfehle eine Infiltration des Raumschiffes. Immerhin haben wir den Vorteil, dass sie nicht wissen, dass wir sie sehen können.“

„Und was soll das bringen?“, knurrte Krahwik ihn an.

„So erfahren wir, ob sie ihre Brut bereits unter uns verteilt haben“, sagte der Kaiser nachdenklich.

Ibertiem verneigte sich lächelnd und setzte sich wieder.

„Auf keinen Fall werde ich es zulassen, dass einer dieser widerlichen Kukor auf der Erde großgezogen wird. NIEMALS!“ Ein Schlag auf den Tisch verdeutlichte seinen Hass.

Der Kaiser blickte zu Krahwik. „Wir brauchen die Besten für diese Operation.“

Krahwik nickte.

„Ich bin die beste Kämpferin der Erde. Ich werde mitkommen“, stellte Arila fest.

Der Kaiser schloss seine Augen und atmete tief durch.

„Das ist zu gefährlich, mein …“

„Nein, Vater! Ich weiß, dass du dir Sorgen machst, doch wie soll ich irgendwann die Menschheit führen, wenn du mich vor jeder Kleinigkeit beschützt? Ich muss dem Tod ins Auge blicken, um ihn in Zukunft zu befehligen.“

Der Kaiser rieb sich sein müdes Gesicht. Im Grunde hatte sie recht, das wusste Tareda.

„Prinzessin Arila ist tatsächlich die beste Kämpferin, die ich in meinem Leben gesehen habe“, half ihr Krahwik.

Ein fast tödlicher Blick durchfuhr ihn, als der Kaiser zu ihm blickte. Hitze stieg ihm in den Kopf, je länger der Kaiser ihn ansah.

Er hatte sie tatsächlich viel zu lange vor jedweder Gefahr beschützt. Arila war sein einziges Kind. Währe sie ein Junge, hätte er sie anders behandelt, das war ihm klar.

Sein Blick wechselte nun zu seiner Tochter.

Er wusste genau, wie stark sie war. Es wurde Zeit, loszulassen.

„Du hast recht. Du bist mittlerweile zwanzig Jahre alt. In deinem Alter war ich bereits Kaiser. Ich kann … nein … ich darf dich nicht mehr kleinhalten. Ich muss, und ich werde dich ab heute nicht mehr vor der Welt verstecken. Ich lege diese Operation in deine Hände. Kümmere dich darum, dass die Führung der Kukor vernichtet wird, und finde heraus, ob die Brut bereits unter uns weilt.“

Mit diesen Worten stand der Kaiser auf, nickte ihr zu und verließ den Raum.

Mit großen Augen blickte sie ihrem Vater nach. Sie hatte sich eigentlich darauf eingestellt, dass alles Betteln und Flehen nichts nützen würde. Doch hatte sie damit noch gar nicht begonnen.

Nur Stunden später befand sich Arila mit einem kleinen Trupp in einem Frachter im All. Die Menschen nutzten diese, um Material aus den Asteroiden- und Mondminen zu transportieren. Unzählige dieser Frachter waren im Sonnensystem unterwegs, somit würden sie nicht sonderlich auffallen.

Arila blickte auf ihre Kameraden. Krahwik saß mit fester Miene da und wartete ruhig. Baske, der ebenfalls an Bord war, spielte nervös an seinem Handschuh. Arila wusste genau, dass ihn die Tatsache, dass sie mit auf der Mission war, nervös machte.

Baske hatte schon viele heroische Schlachten sowohl im All als auch auf fremden Planeten geschlagen. Mit fester Hand hatte er unzählige Missionen im Feindesgebiet geleitet. Nur durch seine selbstlosen Taten schaffte es sein gesamter Trupp, im Kampf gegen die Vechdrone zu überleben. Durch ihn konnten die gigantischen Gravitationskanonen dieser Spezies außer Gefecht gesetzt werden und somit die zweite Sternenflotte der Menschen vor VP2-Ion ankern. Es dauerte nicht lange, und die Vechdrone kapitulierten bedingungslos.

Diese Aktion verlieh Baske eine Menge Orden und großes Ansehen auf der Erde. Leider schützten ihn die Orden keineswegs gegen die Nervosität, die ihn während der Anwesenheit der Prinzessin durchfuhr. Arila verstand nicht, wie die bloße Anwesenheit einer Frau bedrohlicher als eine Gravitationskanone hinter Feindgebiet sein konnte.

Als Letzte befand sich Brunhilde an Bord. Sie war muskulöser als so mancher Mann und übersät von tiefen Narben – das Ergebnis langjähriger Militärzugehörigkeit. Dem hatte sie ihr gesamtes Leben verschrieben. Ein massiges Zweihandschwert war ihr lieber als kleine abhängige Blagen.

Arila war das vollkommen recht, denn sie war alleine schon wie eine kleine Armee.

„Chet hier“, ertönte es durch einen Lautsprecher, „Ziel in fünf Minuten.“

Sofort griffen sie nach ihren Helmen und zogen sie auf.

Baske musste grinsen. Die neuesten Kampfanzüge der Ryan-Klasse. Das Beste, was die Menschheit zu bieten hatte. Durch multispektrale Kameras konnten sie so um einiges mehr sehen, als das menschliche Auge vermochte. Durch die zusätzliche Graphenbeschichtung musste man schon so einiges aufbringen, um diesen Anzug ernsthaft zu beschädigen.

Nun, da sie die Helme trugen, würde die komplette Kommunikation über eine sichere Quantenverbindung laufen. Das konnte von dem Kukor-Raumschiff nicht abgefangen werden.

„Team Alpha, hier Chet, könnt ihr mich hören?“

„Chet, hier Team Alpha, laut und deutlich.“

„Alles klar. Starte Druckausgleich der Kabine in drei, zwei, eins“, zählte Chet herunter.

Mit einem lauten Zischen entwich die Luft aus der Kabine.

„Ich öffne jetzt die Außenluke“, informierte Chet.

Ein unheimliches Gefühl zog sich durch Arilas Nervensystem, als sich die Luke öffnete und sie dem tödlichen Vakuum aussetzte. Vor ihr befand sich die Mondoberfläche. Fast hätte sie versucht, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, doch realisierte sie im letzten Moment, dass das jetzt nicht mehr möglich war.

„Team Alpha, es ist Zeit.“

„Ja“, antwortete Arila knapp.

Ihr Herz pumpte.

Arila war die Erste, die aus der Luke kletterte. Vorsichtig stellte sie sich an die Außenwand des Frachters. Elektromagnete an den Füßen hielten sie in Position. Nun folgte ihr Team.

„Wir sind bereit“, keuchte Arila knapp.

„Alles klar, wir sind gleich da“, antwortete Chet.

„Und … drei … zwei … eins. Go, go, go!“

Gleichzeitig drückten sie sich am Frachter ab. Das Exoskelett in ihren Anzügen verstärkte die Kraft und schleuderte sie mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Mondoberfläche.

Eine weitere Besonderheit der Ryan-Anzüge war das Lichtkrümmungsfeld. Wie der Name schon verriet, krümmte es das Licht um den Anzug herum, sodass sie praktisch unsichtbar wurden.

Arila wusste genau, dass die Kukor ausreichend Technik besaßen, um sie trotzdem ausfindig zu machen, doch hatten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit fast jedes System heruntergefahren. Ansonsten hätten die Menschen sie auch ohne Quantenradar-System entdeckt.

Tja, dumm für sie, dass sie nichts von diesem System wussten. Somit dachten sie, sie wären sicher. Doch kam ihr Irrtum mit hoher Geschwindigkeit bedrohlich auf sie zugerast.

„Krahwik, bist du bereit?“, wollte Arila wissen, als sie dem Raumschiff immer näher kamen.

„Ich kann ihr Triebwerk noch nicht sicher treffen“, antwortete er ruhig.

Sie flogen punktgenau auf das Raumschiff zu.

„Krahwik?“, rief Arila nervös.

Als sie dem Raumschiff immer näher kamen, schoss er keine Sekunde zu früh seine Antimateriegranate ab. Eine winzige Ladung Antimaterie, durch ein Magnetfeld im Inneren der Granate zentriert, machte sich auf ihren zerstörerischen Weg.

Zielgenau landete die explosive Ladung am Triebwerk und detonierte. Eine stille Kraft zog das Triebwerk in seine Einzelteile. Gerade rechtzeitig, blockte Brunhilde ein anrasendes Trümmerteil ab. Kurz bevor sie aufprallten, aktivierten sie einen kurzen entgegengesetzten Schub und landeten in der klaffenden Wunde des Schiffes.

„Team Alpha, Landung erfolgreich. Wir sehen einen Gang vor uns, der in das Schiff führt“, informierte Arila Chet.

„Alles klar. Geht keine unnötigen Risiken ein“, antwortete Chet.

Nach kurzem Marsch durch das fremde Schiff standen sie vor einer geschlossenen Tür. Krahwik zögerte nicht und befestigte eine Ladung daran.

„Abstand!“, rief Krahwik. „Aktiviert eure Elektromagneten und klammert euch an die Wand.“

Es vergingen nur Sekunden, und die Tür war nicht mehr zu erkennen. Das Vakuum sog an dem dahinterliegenden Raum, als wäre er mit Süßem gefüllt. Zwei Kukor wurden dabei in den leeren Tod gesogen.

Sofort machte sich Arila mit ihrem Team auf den Weg. Nach kurzer Zeit standen sie vor der nächsten Tür. Wie zuvor machte Krahwik den Weg frei.

Der nächste Raum war gigantisch. Doch befanden sich hier keine Kukor. Da die Kukor schon mehrfach als ausgerottet galten, war es nur logisch, dass ein Raumschiff dieser Größe unterbesetzt sein musste.

Vorsichtig liefen sie durch den Raum. Noch während Krahwik die nächste Sprengladung platzierte, bewegte sich etwas an der Decke. Große, metallische Gliedmaßen lösten sich und flogen zu Boden. Eine Erschütterung zog sich durch das Schiff, als ein Kampfroboter auf dem Boden prallte. Bedrohlich richtete er sich vor der Truppe auf. Doppelt so groß wie Brunhilde, machte er sich kampfbereit.

„Krahwik, schneller!“, rief Arila angesichts dieses Ungetüms.

Das ließ sich Krahwik nicht zweimal sagen, und eine weitere Erschütterung öffnete den Weg. Sofort rannten sie zu dem engen Gang, doch packte der Kampfroboter Brunhildes Bein im letzten Moment. Sie flog bäuchlings auf den Boden und aktivierte geistesgegenwärtig die Elektromagneten an den Handflächen.

„Brunhilde!“, rief Arila, als sie sich umdrehte.

Der Kampfroboter bewies seine Kraft und zog sie langsam zu sich.

„Lauft weiter, ich kümmere mich schon um ihn!“, antwortete Brunhilde kämpferisch.

Plötzlich löste sie den magnetischen Halt, packte ihr Schwert und rammte es dem kämpferischen Roboter in die Schulter. Funken flogen durch den Raum.

„Los, Arila!“, überzeugte Krahwik sie.

Ok. Hier durfte nicht gezögert werden. Was war schon ein Kampfroboter gegen Brunhilde.

Schier endlose Gänge hielten sie eine Weile gefangen. Als sie wieder vor einer Tür ankamen, fuhr eine Wand hinter Krahwik zu. Sie trennte Baske von der Truppe.

„Alles gut, verschwendet keine Zeit für mich. Ihr müsstet fast in der Kommandozentrale sein“, rief Baske.

Als Arila zu Krahwik sah, erkannte sie, dass er nichts anderes vorhatte. Mit einer Detonation löste sich die Tür aus ihrer Bestimmung.

Krahwik begab sich als Erster in den Raum. Abrupt zog ihn eine unsichtbare Kraft zu Boden und hielt ihn fest.

„Verdammte … W … was ist das?“, fauchte er wütend. „Arila — komm nicht rein!“, befahl er nun.

Verwirrt sah Arila in den Raum, als plötzlich eine geisterhafte Stimme in ihrem Kopf auftauchte.

„Endlich bist du da.“

Plötzlich öffnete sich die Wand neben ihr.

„Komm hier entlang“, empfahl die bedrohliche Stimme.

Was sollte sie nun tun? Tue niemals das, was der Feind will, dass du tust. Das stand in keinem Lehrbuch, wurde jedoch vom gesunden Menschenverstand geboten.

„Hier ist ein weiterer Gang“, informierte Arila, doch bekam sie keine Antwort.

Was sollte das? Irgendwie lief plötzlich alles schief.

Nun schoss eine weitere Wand hoch und trennte sie von Krahwik, sodass nur noch der eine Gang übrig blieb.

„Brunhilde? Krahwik? … Baske?“

Mit aufgerissenen Augen horchte Arila in die Stille.

Plötzlich setzte sich die gegenüberliegende Wand in Bewegung und schob sie hilflos den Gang entlang. Arila gab ihr Bestes, dagegen anzukämpfen, doch half es nicht.

Gute zehn Meter vor ihr endete der Gang mit einer vermutlich harten Wand. Immer schneller raste sie auf das Ende zu.

Mist. Ob der Anzug das aushalten würde? Gleich würde sie es wissen, falls sie nicht schon vor der Erkenntnis tot war. Vermutlich sollte sie genau darauf hoffen.

Kurz vor dem Aufprall schob sich die Wand nach oben, und Arila schleuderte in die Kommandozentrale hinein.

Sofort richtete sie sich erschrocken auf und erkannte zwei Kukor im Raum.

Sie erkannte sie sofort, Kokorti und Wagora. Ohne Kampfanzug oder irgendeiner erkennbaren Bewaffnung präsentierten sie sich ihr selbstsicher.

Was sollte das?

„Arila hier. Ich stehe vor dem Königspaar.“

Keine Antwort.

„Wiederhole. Ich stehe vor Kokorti und Wagora.“

„Sie können dich nicht hören“, sagte Kokorti.

„Schwachsinn! Unsere Technik ist nicht abschirmbar“, antwortete Arila.

Doch gab ihnen die Stille aus dem Kommunikationsapparat recht.

„Wir haben hier auf dich gewartet, Arila“, sagte Wagora vorsichtig.

„Ja, was solltet ihr auch sonst tun? So ganz ohne Triebwerk. Ich hatte wenigstens auf einen letzten Kampf gehofft.“ Arila hielt ihr Schwert kämpferisch vor sich.

„Hör mir zu, Arila“, sagte Kokorti, während er einen Schritt näherkam.

Arila warnte ihn, noch näher zu kommen.

„Warum sollte ich euch zuhören? Ihr seid unsere Feinde, für euch bringe ich nur den Tod mit.“

„Wir bitten dich nur um drei Minuten, dann wird dir alles klar“, sagte Wagora mit zitternder Stimme.

„Denkt ihr, wir Menschen sind so dumm? Das stinkt nach einer Falle!“

„Denk nach, Arila. Warum sollten wir dich zu uns führen? Wir hätten dich auch wie die anderen außer Gefecht setzen können“, sagte Kokorti vorsichtig.

Es war tatsächlich nicht ganz logisch.

Sollte sie wirklich diese drei Minuten abwarten? Tue niemals das, was der Feind will, dass du tust. Das schrie genau nach diesem Prinzip. Dabei lag die Betonung auf — niemals.

Arila sprang mit einem Satz nach vorne und hielt Kokorti ihr Schwert an die Kehle.

„Es gibt jetzt nur einen Weg, wie du hier lebend herauskommst, Kokorti“, zischte sie wütend.

Sie hatte mehr Gegenwehr erwartet. Komischerweise gab es gar keine. Auch Wagora stand einfach nur da.

„Habt ihr die Menschen bereits mit eurer Brut infiziert oder nicht?“

„Nur zwei Minuten, und dir wird alles klar“, war das Einzige, was er sagte.

Nur zwei Minuten. Wie ein blöder Countdown, der höchstwahrscheinlich ihren Tod bedeuten sollte.

Das Schwert schmiegte sich weiter seiner Kehle an. Ein Tropfen Blut lief ihre Klinge entlang.

„Dein Leben scheint dir nicht viel wert zu sein. Kein Wunder — so als Kukor.“

Am liebsten wäre sie nun ihren Ekel in Form von Spucke auf den Boden losgeworden.

„Tu es nicht“, schrie Wagora mit Tränen in den Augen. „Das ist doch dein Vater, den du bedrohst.“

Kurze Stille.

„Mieser Trick“, antwortete Arila.

„Nur eine Minute, Arila“, zählte Kokorti den Countdown weiter.

Was nun? Er würde wohl nicht mit der Sprache rausrücken.

„Allerletzte Chance“, mahnte Arila.

Die Verwirrung in Arila machte sich in Form eines leichten Zitterns ihres Schwertes bemerkbar. Ihre Manipulationsversuche schienen langsam zu wirken. Das durfte sie nicht zulassen.

Immerhin war sie Prinzessin Arila und würde sich nicht so einfach manipulieren lassen. Vor allem nicht auf ihrer ersten Mission.

Arila führte die Spitze ihrer Klinge an seine Brust. Sie blickte ihn noch einmal an, dann stach sie zu.

Ein Jahr später.

Ein Kukor besitzt immer zwei Formen. Die allgemeine Form ihrer Spezies sowie die ihrer Geburt. Als der Countdown Kokortis ablief, wurde Arila volljährig — volljährig in Kukor-Jahren. Dies ist der Moment, an dem die wichtigsten Informationen das Gehirn fluteten. Wissen über ihre eigentliche Spezies und auch über ihre Eltern. Dieses Wissen war von Beginn an in ihrer DNA gespeichert.

„Jetzt ist es soweit“, sagte Ibertiem, öffnete die Tür und begab sich nach draußen.

„Ihre Kaiserliche Majestät, Kaiserin Arila die Erste!“

Arila blickte noch kurz zu Baske, der ihr aufmunternd zunickte, und begab sich dann auf den Balkon. Menschen, so weit das Auge reichte, standen erwartungsvoll da, blickten zu ihr auf und brachen in ohrenbetäubenden Jubel aus.

Kaiser Taredas Tod war ungeklärt. Als ein schriller Schrei in der Burg umherwanderte, begaben sich seine Wachen sofort in sein Schlafgemach. Die Kaiserin Siena saß verstört und voller Tränen neben ihm. Sie fiel in tiefe Trauer und war nicht in der Lage, das Staatsgeschäft weiterzuführen. Dafür war sie auch nicht ausgebildet. Doch Arila eben schon, und so ging die Kaiserwürde an sie.

Erschöpft von langen formellen Zeremonien ließ sich Arila in ihr Bett fallen.

„Du hast es geschafft“, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf.

Telepathie war der Grund, warum sich Kukor immer fanden.

„Ja, Vater. Ich bin jetzt die oberste Anführerin der Menschen — endlich.“

Sie war ungemein froh, dass Kokorti damals eine hauchdünne Rüstung unter seinem Gewand trug. Hätte sie sich damals dazu entschieden, ihm die Kehle aufzuschneiden, wäre alles anders verlaufen.

Und so wurde der ärgste Feind der Kukor der beste Freund. Nur dass die Menschen nichts davon wussten. Offiziell galten sie abermals als ausgerottet. Und Arila ging in die Geschichte ein. In die Geschichte beider Spezies.

Nur der Tod Taredas stimmte Arila traurig. Doch starb mit ihm der Krieg gegen die Kukor. Damit wurden sowohl Menschen- als auch Kukor-Leben gerettet.

Da war sie nun, dieser blaue, wunderschöne Planet Erde. Wiege aller zukünftiger Kukor.

4 Kommentare

  1. Eine mitreißende Mischung aus Sci-Fi, Action und politischem Drama. Besonders gelungen ist der Ausgangspunkt: Ein Alienpaar überlässt seine Brut aus taktischen Gründen den Menschen – und die Menschheit zieht unwissentlich den Feind als ihr eigenes Kind groß. Damit greift die Geschichte das Thema „Kuckuckskind“ exakt auf, denn alle gehen fest davon aus, dass Arila ein normales Menschenmädchen und leibliche Tochter des Kaisers ist.

    Die Kampfszenen und technischen Details des Raumschiff-Einsatzes sind spannend und bildhaft geschrieben, fast wie in einer Filmsequenz. Arila ist als Protagonistin stark und konsequent dargestellt, ihr rasanter Aufstieg zur Kaiserin bietet einen kraftvollen Schlussbogen.

    Einziger Kritikpunkt: An manchen Stellen wirken Dialoge und Wendungen sehr direkt oder pathetisch, wodurch etwas emotionaler Tiefgang verloren geht – insbesondere beim inneren Konflikt zwischen ihrer menschlichen Identität und ihrer wahren Herkunft. Hier könnte man noch etwas leiser und subtiler erzählen.

    Insgesamt jedoch eine spannende Interpretation des Themas – laut, mutig und filmreif.

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  2. Nette Idee. Arila, die Tochter des Königspaars der ausserirdischen Kukor wird dem menschlichen Kaiserpaar als Kind untergeschmuggelt. Menschen und Kukor sind verfeindet, durch den Coup sollen die Menschen vernichtet werden. Aber es kommt anders. Arila wird Kaiserin und die Kukor die besten Freunde der Menschen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
    Idyllisches Märchen, sehr wenige Schreibfehler. Glatte, gut lesbare, verträumte Geschichte, alle Kriterien m.E. erfüllt.

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  3. Hm, ich fand diese Geschichte leider recht kitschig.

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  4. Obwohl mir nicht ganz klar ist, wie es den Kukor (schönes Wortspiel mit Kuckuck) gelungen ist, ihre Tochter in die kaiserliche Familie zu schmuggeln, ist die Geschichte doch ganz nett. Sie spart nicht mit indirekter Kritik an der Menschheit, welche andere Spezies rigoros ausrottet. Darüber hinaus hat die Story auch etwas Märchenhaftes, samt Happy End. Eine monarchische Zukunft der Menschheit kennen wir bereits aus „Dune“ und in „Star Wars“ gibt es ebenfalls Königreiche. Etwas unrealistisch ist jedoch, dass die Menschheit hier noch mit Schwertern kämpft. Ich dachte erst, dass die Geschichte mit Mittelalter oder auf Mittelerde spielt.

    Handwerklich ist alles in Ordnung, ich konnte keine nennenswerten Fehler finden. Einzig die Charaktere hätten noch etwas mehr emotionale Tiefe vertragen können.

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