DACSF2025_50

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Ein Blick wie Bernstein

Der Tag startete wie die meisten anderen, grell. Ein Sonnenstrahl quetschte sich durch die kleine Lücke zwischen meinen olivgrünen Vorhängen, als wollte er bei einem Konzert in die erste Reihe. Die Position meines Bettes war so ungünstig gewählt, dass das Sonnenlicht jeden Morgen genau meine Augen traf. Dennoch war es die einzige Stelle, an der es stehen konnte, sofern man die Tür noch öffnen möchte. Das Bett zu drehen war ebenfalls keine Option, da ich sonst mit dem Kopfende an der Tür schlafen müsste. Wie jeder weiß, sinkt dadurch die Lebenserwartung bei einem Einbruch drastisch. „Theo!“ hallte es aus dem Nebenzimmer. „Bin wach!“ antwortete ich meiner Mutter genervt. Gegen die Sonne gab es eine Decke, die ich über mein Gesicht ziehen konnte, doch gegen meine Mutter waren noch keine Maßnahmen erfunden worden. Es nützte ja doch nichts. Etwas störrisch aufgerichtet, saß ich also in meinem Bett und wartete darauf, dass mein Körper hochfuhr.

Nach etwa einer Minute stand ich auf und öffnete meine Schranktür. Ich tastete nach dem obersten Shirt und einer Hose und zog mich an. Der Actionheld, auf dem Poster an meiner Wand, sah mir bei einer einbeinigen Akrobatiknummer zu, mit der ich meine Hose anzog. Mein Rucksack stand noch neben der Tür, bestimmt hatte ich alles eingepackt. Ich ging in die Küche und wurde endgültig wach, als ich den Geruch von Pfannkuchen wahrnahm. „Guten Morgen, Liebling.“, sprach meine Mutter über die Schulter, während sie in der Pfanne herumstocherte. „Der erste ist gleich fertig. Sirup steht auf dem Tisch.“ Die Polster der Stühle waren fast so gemütlich, wie mein Bett. Einschlafen war aber ausgeschlossen, die Pfannkuchen hatten Vorrang. Wartend sah ich ihr beim backen zu. Sie war zwar meine Mutter, aber ich sah ihr kaum ähnlich. Ihre Haare waren fast so rot, wie die Flamme, die unter der Pfanne empor schoss. „Ups!“ lachte sie. Meine Haare waren dunkel und lockig. Auch ihre Augen waren anders, klar und grünlich, wohingegen meine tief braun waren. Früher wunderte ich mich oft, wieso ich nicht wie sie aussah, mit der Zeit konnte ich mich jedoch freuen, da ich so erahnen konnte, wie mein Vater aussehen musste. Mama erzählte nicht oft von ihm. Wieso auch? Er war ja in unserem Leben nicht relevant. Zudem kann man schlecht über jemanden sprechen, den man selbst kaum kennt. Die wenigen Geschichten die ich ihrem Gedächtnis entlocken konnte schmückte ich gerne großzügig mit eigenen Vorstellungen aus. Folglich war mein Vater ein echt netter Kerl. Hauptberuflich bekämpft er Verbrecher und nebenbei stoppt er den Klimawandel. Ein echt netter Kerl eben.

Endlich! Der erste Pfannkuchen war fertig. Wie ein Raubtier wollte ich mich auf den Leckerbissen stürzen, als es klingelte. Abgelenkt stopfte ich einen großen Bissen in meinen Mund und rannte zur Tür. „Daf if befümmt Maffi.“, versuchte ich meiner Mutter zuzurufen. Ich öffnete die Tür und wurde von einem Grinsen geblendet, dass die Sonne erblassen lies. „Guten morgen du Langschläfer!“ .Vor der Tür stand ein Junge mit blonden Haaren und haselnussbraunen Augen. Er trug einen blauen Rucksack mit grünen Streifen, passend zu seinen knalligen Sneakern. „Komm herein, Mama macht Pfannkuchen“, bat ich ihn mit einem Winken ins Haus. „Hammer!“, rief er, sowie er die Tür schloss. „Hallo Maxi!“, rief Mama zeitgleich aus der Küche. „Guten Morgen, Sabine!“, hallte es ihr zurück.

Maxi saß sich zu mir und tat gut daran, meinen Heißhunger zu imitieren. Pfannkuchen waren eben unsere Leibspeise.

Maxi war nicht nur mein bester Freund, sondern auch mein Einziger. Ich tat schon immer schwer daran, mich anderen Kindern anzunähern. Ich war eben anders. Vor ein paar Jahren, war Mama mit mir bei einem Arzt, der auf den Geist spezialisiert ist. Dieser sprach von einer Krankheit namens Autismus. Seitdem hatte ich eine praktische Ausrede, nicht mit Leuten reden zu müssen, die ich nicht mochte. Maxi war der einzige Freund den ich brauchte. Ihn störte meine Krankheit nicht. Er hatte kein Problem damit, alleine Comics mit mir zu lesen und über Superhelden zu sprechen, während andere zu Übernachtungspartys gingen oder den Jugendtreff belagerten. Er sagte mir oft, wie sehr er es mochte, dass ich so komisch war wie er.

Gut genährt, machten wir uns auf den Weg zum Bus. Den größten Teil des Weges hatte Maxi hinter sich, wenn er bei mir war, danach waren es keine fünf Minuten. Die typischen zwei Minuten Verspätung des Busses hatten wir perfekt kalkuliert, sodass wir nicht lange warten mussten.

Wir saßen vorne, denn die lauten Kinder saßen immer hinten. Eine ruhige Busfahrt war eine gute Busfahrt.

Die anderen Kinder interessierten sich nicht für Maxi und mich, wir waren die komischen beiden, mit denen keiner etwas zu tun haben wollte. Im Sportunterricht wurden wir als Letzte gewählt und in Gruppenprojekten arbeiteten wir zu zweit. Zwar betitelten wir uns, aus Spaß, oft selbst als die komischen Kinder, aber insgeheim wusste ich, dass es an mir lag. Ich hatte schon vielen Leuten etwas gemeines ins Gesicht gesagt, weil ich nicht verstand, dass es gemein war. In solchen Momenten merkte ich, dass ich anders war, immerhin sah ich als einziger meinen Fehler nicht. Meine Mutter sagte mir immer, Ehrlichkeit wäre wichtig. Wieso also meine Ehrlichkeit oft nicht gut ankam, verstand ich nicht. Man sagte mir, ich solle die Emotionen der Menschen aus ihren Gesichtern lesen. Nur wie sollte ich das anstellen, wenn ich diese Sprache nicht verstand? Maxi hatte zwar keinen Autismus wie ich, doch das in Andere Hineinversetzen, viel ihm trotzdem schwer. Er war anders als die anderen Kinder, die ich bislang getroffen hatte. Für jemanden wie mich, der in jedem Menschen die gleiche Fassade sah, war Maxi etwas besonderes. Ich konnte es nicht genau beschreiben, doch irgendetwas machte ihn speziell. Für mich jedenfalls. Er ging an viele Dinge mit einer angenehmen Gleichgültigkeit heran. Ich hatte nie erlebt, dass ihn etwas aus der Fassung brachte. Jedes Problem, dass sich ihm in den Weg stellte, sah er als Chance.

Vermutlich störte ihn meine spezielle Art deshalb nicht. Ich nahm mich selbst oft als Maßstab für Sonderbares, schließlich wurde ich ständig als Solches betitelt.

Die Busfahrt verlief standardmäßig ruhig. Wir hatten Übung darin, die Geräusche der restlichen Fahrgäste auszublenden. Uns interessierte sowieso mehr, wie der Comic weiter ging, den wir gestern angefangen hatten. Die Geschichte handelte von einem Kind, welches von Aliens entführt wird, und auf einem fremden Planeten aufwachsen muss. Die Handlung war besonders für mich spannend, da der Protagonist natürlich nicht gut mit den Bewohnern eines anderen Planeten klar kam. Er hatte Probleme, die Aliens zu verstehen und wusste oft nicht, wer nett zu ihm war und wer böse Absichten hatte. „Das ist doch vollkommen unlogisch“, bemerkte Maxi beim Lesen, „wie kann es sein dass der Junge auf einem Planeten ohne Atmosphäre lebt, ohne einen Raumanzug zu tragen?“. Er kritisierte gerne die Logik in Comics. Er war der festen Überzeugung, dass auch eine Fantasie-Geschichte gewissen physikalischen Gesetzen folgen musste. „Vielleicht haben die Aliens seinen Körper verändert, und er muss gar nicht mehr atmen, so wie sie.“, erwiderte ich trocken. „Aber das wurde noch kein mal erwähnt. So etwas wichtiges müsste man doch zeigen.“ Maxi schüttelte den Kopf.

Interessanterweise ging er Probleme, die Fantasie-Geschichten betrafen, nicht so gelassen an, wie das tatsächliche Leben. Er konnte stundenlang darüber diskutieren, wie unwahrscheinlich es war, dass Aliens auf unsere Erde kamen. Aber wenn wir den Bus verpassten, und eine Stunde warten mussten, lachte er nur. Er sprach den Dingen eine unlogische Wichtigkeit zu. Zumindest war sie für mich unlogisch. Ich empfand diese Art aber als sehr erfrischend. Ich sprach gerne über irgendwelche Fantasiewelten und wenn wir den Bus verpassten, war der nächste schön leer. Wir hatten die gleichen Ansichten, aus verschiedenen Gründen.

Quietschend kamen die Reifen des Busses zum halten. Die meisten Kinder standen bereits vor den Türen und warteten darauf, endlich hinaus stolpern zu dürfen. Ganz gemächlich blieben wir sitzen und sprachen kurz mit Hermann, dem Busfahrer. Seine kugelrunde Figur erinnerte mich immer an einen Pfannkuchen. Das allein reichte, um ihn mir sympathisch zu machen. Seine strahlende Glatze sah ich mir meistens durch den Rückspiegel des Busses an. Mama sagte immer, man starre nicht direkt auf andere Leute. Da wir immer ganz vorne saßen, hatten wir uns ein wenig mit ihm angefreundet. Während die Meute von Gleichaltrigen der Hysterie verfiel, erzählten wir von unserem Wochenende und wie es unseren Familien ging. Maxi hatte nette Eltern, wohlhabend und bodenständig. Sein Vater war ein Vorarbeiter in einer großen Firma und seine Mutter Rechtsanwältin. Dennoch erzogen sie ihren Sohn zur Bescheidenheit und dazu sich nicht auf ihrem Erfolg auszuruhen, was er auch nicht tat. Maxi wollte schon immer Astronaut werden, den Sternen entgegen fliegen. Für ihn war das etwas sehr ernstes, und kein leerer Traum seiner Kindheit. Hermann öffnete uns die Vordertür des Busses und wir wünschten einander einen schönen Tag.

In den ersten Stunden hatten wir Mathe. Ich liebte die Mathematik. Sie war logisch und es gab immer ein eindeutiges Ergebnis. Genau das waren die Bedingungen, unter denen ich aufblühen konnte. Mein Freund jedoch tat sich schwer mit solchen Dingen. Maxi war begabter in Sprachen. Sie flossen in sein Gehirn, wie Wasser in einen Schwamm. Als Klassenbester gab er mir regelmäßig Nachhilfe und ich zeigte ihm im Gegenzug, wie man eine Formel auflöste. Wir ergänzten unsere jeweiligen Schwächen perfekt. Sichtlich überfordert, ermahnte unsere Lehrerin, Frau Kleine, zwei Jungs in der hinteren rechten Ecke. Jonas und Michel waren die beiden unverschämtesten, und in meinen Augen auch dümmsten, Jungs in unserer Klasse. Michel musste die siebte Klasse bereits einmal wiederholen und es würde mich nicht wundern, wenn er die Runde ein weiteres Mal drehe. „Sind sie doch ruhig!“, brüllte Jonas Frau Kleine an. Beide Jungs lachten. Sichtlich frustriert, ging Frau Kleine hinaus, um einen Lehrer mit mehr Rückrad zu holen. Bereits vor ein paar Wochen hatte sie weinen müssen, als ihr die Gemeinheiten zu viel wurden. Ich würde nicht in ihrer Haut stecken wollen. Mama hatte mir mal erklärt, dass sich so Mitgefühl anfühle. Nach einer Minute kam Frau Kleine wieder. Im Schlepptau hatte sie den Berg von einem Mann, Herrn Harne. Ruhig, aber bestimmt, ging er auf die beiden zu und wies sie in Ihre Schranken. Es bedurfte nicht vieler Worte seinerseits. Das Duo wusste, dass stille Wasser tief sind, und Herrn Harne war windstill. Ganz brav gingen sie mit ihm mit und bereiteten sich mental darauf vor, dem Schulleiter überstellt zu werden. Die Genugtuung war stark genug, um mir ein kleines Kichern zu entlocken. „Was lachst du so blöd?“, warf mir Michel im Vorbeigehen an den Kopf. Unsere Blicke kreuzten sich. Selbst ich konnte die Wut in seinem Blick sehen, denn Wut war eine sehr eindrucksvolle Emotion. Für mehr reichte sein Mut nicht aus. Er wollte das Wasser nicht aufscheuchen, indem er noch einen Stein hinein warf.

Die restliche Stunde war wundervoll produktiv und entspannend. Keine lauten Zwischenrufe, kein nervtötendes Lachen, keine Störungen. Das Klingeln der Glocke riss mich aus meinen meditativen Berechnungen und erinnerte mich daran, dass ich mein Comic weiter lesen musste. Maxi und ich gingen hinaus auf den Schulhof und suchten uns eine unserer Lieblingsecken aus. Unter einem recht zierlichen Kirschbaum, auf einer steinernen Bank, nahmen wir Platz. Wir blätterten auf Seite siebzehn und lasen weiter. Der Baum schirmte die Außenwelt mit seinem Schatten von uns ab, während der warme Sommerwind versuchte, uns zu ärgern, indem er Seiten umblätterte. „Du hattest Recht!“, stellte Maxi begeistern fest. Er bezog sich auf meine Idee, die Aliens könnten den Körper des Protagonisten verändert haben. Auf seinem Körper bildeten sich Schuppen, welche das Licht der dortigen Sonnen in Sauerstoff umwandelten. „Glaubst du, dass sein Körper noch in anderer Weise verändert wurde?“, fügte ich hinzu. „Vielleicht hat er, durch die Energie der Sonnen, Superkräfte bekommen!“, mutmaßte Maxi begeistert. „Es könnte auch sein, dass...“, versuchte ich unsere Konversation zu ergänzen. „...ihr komisch seid?“ beendete Michel meinen Satz, während er mir den Comic aus der Hand riss.

„Gib ihn zurück!“, rief Maxi, und unterstrich damit meinen Versuch, unseren Schatz zurück zu erobern. „Das kommt davon, wenn man uns auslacht!“, motzte Jonas großkotzig. Machtlos sahen wir dabei zu, wie Michel das Papier in kleine Fetzen zerriss. Wieso tat er das? Ich verstand nicht, was das sollte. Ich hatte doch nur ein wenig gekichert. Wieso musste er dafür etwas von mir kaputt machen. Die Fetzen fielen hinab und verschwammen mit dem Asphalt. Meine Sicht verwischte zu einem wirren Meer aus Farben und Mustern. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und plumpste auf die harte die Bank. Rein logisch gab es für mich keinen Grund so zu weinen. Ich konnte einfach einen neuen Comic kaufen, teuer war er nicht gewesen. Doch Dieser war nun mal kein normaler Comic gewesen. Es war Meiner gewesen. Mein Schluchzen vermochte es kaum, das Gelächter der Fieslinge zu übertönen. Sie genossen förmlich meinen Schmerz. Ihr Lachen schallte in meinen Ohren, wie der Donner. Dann plötzlich, mit einem Mal, verstummte es. Ich blickte empor und versuchte meinen Blick zu fokussieren. Michel lag am Boden, seine Lippe blutig. Wie ein Raubtier erhob sich Maxi über ihm, mit einem Ausdruck in seinem Gesicht, den ich sofort erkannte, obwohl ich ihn nie zuvor sah. Hass. Er versteinerte Michel mit seinem Blick, während sich seine Faust weiter verkrampfte. Ich hätte nicht erwartet, dass Maxi den Comic genug mochte, um gewalttätig zu werden. Michels Schluchzen ersetzte das meine bevor sie rannten. „Sie werden einen Lehrer holen!“, rief ich besorgt. „Ich weiß. Und wir werden weg sein.“, sprach Maxi ruhig, als er meine Hand nahm und mich hinter sich her zog. Wir rannten über den Schulhof Richtung Sporthalle. Wir hatten Erfahrung darin, uns vor anderen Kindern zu verstecken. Wieso sollte das nicht auch bei Lehrern klappen? An der Sporthalle vorbei, durch ein paar Büsche gekrabbelt und über einen Zaun geklettert, waren wir endlich in Sicherheit. „Hier findet uns Niemand.“, verkündete Maxi stolz. Wir waren in einem kleinen Wäldchen hinter der Halle, das schon beinahe gänzlich zugewachsen war. Ich brauchte einen Moment, um zu Atem zu kommen. „Du hättest ihn doch nicht schlagen müssen.“ begann ich Maxi zu tadeln. „So wichtig war der Comic nicht.“ Maxi nahm einen Stein vom Boden und betrachtete ihn in seiner Hand. „Das stimmt natürlich.“ flüsterte er, und ritzte einen Strich in die Mauer der Sporthalle. Mit diesem waren es ganze acht. Er lies seine Hand sinken und musterte noch einmal die blutigen Knöchel. „Aber du bist so wichtig!“ Ich wusste nicht was ich antworten sollte. Mir ging es doch gut. Eine Weile sagten wir kein Wort. Die Pause dauerte eine gefühlte Ewigkeit, in der ich mich fragte ob ich mich bedanken oder es dabei belassen sollte. Eine Frage musste ich ihm aber stellen. „Wie hast du das eigentlich geschafft?“ Maxi guckte verwundert. „Was meinst du?“ „Michel zu Boden zu schicken. Er ist zwei Jahre älter, und einen Kopf größer als wir. Zudem bist du nicht besonders sportlich.“ Ich hatte noch nie erlebt, dass Maxi irgendwas Körperliches gut konnte. Wie also brachte er es zustande, einen fünfzehn Jahre alten Jungen wie Michel, so zu schlagen, dass er blutete. „Ich kann es nicht genau sagen. In dem Moment ist es einfach über mich gekommen. Als wäre ich ein anderer.“ Sein Akt des Heldentums schien ihn selbst zu verwirren.

Er klingelte. „Na komm!“, stöhnte Maxi, als er sich aufrichtete. „Wir sollten wieder zurück...“ Ein lautes Knarren, wie das einer alten Holztreppe, unterbrach seinen Gedanken. Erschrocken drehte sich mein Freund zu dem Geräusch. Einer der Bäume bewegte sich. Das Holz schien sich zu wandeln, in eine raue, lederähnliche Haut. Das Vieh ähnelte einer zwei Meter großen Gottesanbeterin, vermischt mit einem Krokodil. Es erinnerte mich an die Aliens, die den Protagonisten entführten. Seine Augen waren orange und gläsern und in ihnen funkelte eine Mischung aus Neugier und Mordlust. Maxi wirkte wie in einer Trance. Er starrte in die Augen des Wesens und rührte keinen Muskel. Er stand zwischen mir und der Bestie, während sie fortlaufend näher kam. Das Monster beachtete mich interessanterweise kaum. Es war total fixiert auf Maxi, als hätten die beiden einen Anstarr-Wettbewerb.

„Lauf!“, schrie ich, als ich auf die Beine kam. Maxi reagierte nicht, er war wie angewurzelt. „Maxi! Komm schon!“. Keine Reaktion. Es nützte nichts. Dieses Mal war es an mir, meinen Freund zu retten. Ich schob meine Angst zur Seite, und packte Maxi an der Schulter. Wie er in diesem Moment wohl gucken musste? Sein Gesicht würde sicher voller Angst und Verzweiflung sein. Ob ich das erkennen würde? Ich riss an seiner Schulter und löste seinen Fokus mit Schwung von der Kreatur. Sein Blick traf den meinen und mir stockte der Atem. Er schaute kalt und gefühllos und seine Augen glänzten. In einem strahlenden Orange.

8 Kommentare

  1. Ich finde die Geschichte stilistisch wirklich stark – vor allem die Erzählperspektive von Theo ist sehr authentisch und glaubwürdig umgesetzt. Die Freundschaft zu Maxi wirkt echt und ungekünstelt, das hat mir gut gefallen.

    Allerdings bezieht sich die Handlung für meinen Geschmack zu lange fast ausschließlich auf Alltagsabläufe. Dadurch entsteht erst sehr spät Spannung. Erst mit der Mobbing-Szene und dem Monster gibt es einen wirklichen Bruch. Der Cliffhanger am Ende ist gelungen, fühlt sich aber eher wie der Anfang einer größeren Geschichte an als wie ein abgeschlossener Beitrag.

    Was die Wettbewerbsvorgabe (Kuckucks-Aliens / untergeschobene Kinder von einem anderen Planeten) betrifft, ist der Bezug für mich noch zu vage. Es lässt sich zwar vermuten, dass Maxi ein Kuckuckskind sein soll, aber das bleibt nur angedeutet und wird nicht klar genug aufgegriffen.

    Insgesamt gut geschrieben, aber die Verbindung zur Vorgabe müsste deutlicher sein und der Spannungsaufbau früher einsetzen.

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  2. Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, die Erzählperspektive aus Sicht eines autistischen Jungen ist was Neues und sehr gut gelungen. Atmosphärisch ist die Story ebenfalls dicht, und das Ende überraschend. Es ist allerdings sehr abrupt und kurz. Da hätte ich mir noch ein bisschen mehr Text gewünscht.
    Was bei dieser Geschichte der Fall ist, wie bei ganz vielen hier in der Ausschreibung:
    Interpunktion, Rechtschreibung und Ausdruck müssten gründlich überarbeitet werden.
    Aber bei dieser Geschichte würde es sich meiner Meinung nach auf jeden Fall auch lohnen, weil sie wirklich gut ist.

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    1. Dem stimme ich absolut zu! War toll zu lesen und mit einem Lektorat hätte der/die Autor*in vielleicht Lust, eine längere Geschichte zu schreiben? Mir gefällt auch der Anfang sehr gut, aber es stimmt, im Rahmen der Kurzgeschichte ist er zu lang. Würde mich freuen, noch weiterzulesen :)

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  3. Das Ende kommt total sprunghaft. Vorher wird alles so detailliert ausgewalzt, und dann geht es hopplahopp. Leider ein paar dicke Rechtschreibfehler, z. B. "Rückrad" statt "Rückgrat". Aber diese Geschichte ist mal ein wenig anders, irdischer. Das finde ich gut.

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  4. Die Geschichte war schön zu lesen. Gute Atmosphäre, glaubwürdige Charaktere und ein flüssiger Schreibstil. Nur die Tatsache, dass sich der Anfang etwas zieht und dafür genau dann endet, wenn es endlich spannend wird, ist etwas unglücklich. Als Roman hätte die Geschichte bessere Chancen! Mich persönlich würde es auf jeden Fall interessieren, wie es mit den beiden Freunden weitergeht und was hinter dem Alien steckt.

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  5. Das ist mal eine andere Perspektive, sozusagen die Zeugenperspektive.

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  6. In die beiden Jungs konnte ich mich sehr gut hineinversetzten. Ich bin zwar kein Autist, war aber ebenfalls ein Außenseiter, der gerne Comics gelesen hat (und immer noch liest). Die Alltagssituation der beiden wird sehr detailliert und einfühlsam beschrieben. Ich habe mich die ganze Zeit über gefragt, wer von den beiden das Kuckuckskind sein könnte, da es bei beiden Anzeichen dafür gibt.

    Leider kommt die Auflösung zu plötzlich und bleibt daher sehr vage. Wie eine Mischung aus Gottesanbeterin und Krokodil ein Menschenkind gezeugt haben soll und vor allem warum, wird nicht erklärt. Plötzlich hat einer Jungs orangerote Augen und Schluss. Nichts bereitet darauf vor und nichts resultiert daraus.

    Der Schreibstil ist okay und sehr farbenfroh. Es gibt allerdings zwei große Kritikpunkte. Zum einen müssen da mehr Absätze rein, sonst wird man von den Textwänden visuell erschlagen. Zum anderen hapert es mit der Rechtschreibung und Grammatik. Neben den bereits genannten Fehlern fällt mir vor allem das Problem mit der Substantivierung von Verben und Adjektiven auf. Zum Beispiel: „beim backen“, „zum halten“, „etwas sehr ernstes“ – das Backen, das Halten, etwas Ernstes. Auf der anderen Seite werden dann Wörter großgeschrieben, die kleingeschrieben werden müssen: „Doch Dieser war nun mal kein normaler Comic gewesen. Es war Meiner gewesen.“ – dieser und meiner klein.

    Bezüglich der Grammatik sind mir folgende Fehler sofort aufgefallen: „Herrn Harne war windstill“ und „dass ich mein Comic weiter lesen musste“. Es muss heißen: „Herr Harne“ und „meinen Comic“. Talent ist zweifelsohne vorhanden, aber ein Lektorat bitter nötig.

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  7. Du bist ein ähnlicher Erbsenzähler wie ich. Was meinst du, sollen "wir zwee bede" nächstes msl ein Vorkorrektorat auf uns nehmen? Natürlich nur mit Einverständnis der Autoren/Autorinnen?
    Sie könnten etwas lernen und ihnen bliebe manche Scham erspart.
    www.andreasbleibtimmerandas.de

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