Funken in der Nacht
vonZero Alala
Es begann mit einem Flackern am Himmel über Bochum. Ein seltsames, fremdes Licht, wie es keiner der Einwohner je zuvor gesehen hatte. Manche hielten es für einen Kometen, andere für einen Satelliten, der aus der Umlaufbahn geraten war. Schon bald wurde klar, dass es etwas ganz anderes sein musste. Etwas Unbekanntes, etwas, das nicht zur Erde gehörte. Innerhalb von Stunden verbreiteten sich Gerüchte, Videos und verschwommene Bilder auf den sozialen Medien. Sie zeigten ein riesiges, schwarzglänzendes Objekt, das hoch über der Ruhrstadt schwebte, ein gewaltiges Raumschiff. Ein Raumschiff, das nicht von dieser Welt stammte.
Die Menschen in Bochum, die oft im Schatten der glanzvolleren Städte des Ruhrgebiets standen, staunten über den Anblick, doch schon bald wich die Faszination der Angst. Was wollten diese fremden Besucher? Waren sie friedlich oder kamen sie mit bösen Absichten? Es dauerte nicht lange, bis sie Antworten bekamen.
In den ersten Tagen nach der Ankunft des Raumschiffs herrschte absolute Stille. Die Regierung reagierte zögerlich, gab keine offiziellen Stellungnahmen ab und während in den Nachrichten über nichts anderes berichtet wurde, schien niemand wirklich zu wissen, was vor sich ging. Das Raumschiff blieb einfach hängen – wie eine gigantische Wolke, die sich nicht bewegte, ein schwarzer Monolith am Firmament.
Dann, ohne Vorwarnung, öffneten sich an den unteren Seiten des Schiffes mehrere riesige Luken. Zuerst stiegen metallische Sonden herab, die sich an verschiedenen Stellen im Ruhrgebiet niederließen, auch in der Nähe des Stadions von Bochum. Die Sonden bewegten sich schnell, sammelten Proben, untersuchten die Landschaft, machten sich an den Straßenlaternen, an den Gleisen der Straßenbahnen und den Bäumen zu schaffen. Es war unheimlich – die Art und Weise, wie sie scheinbar alles analysierten, studierten, kartografierten.
Diese Sonden bildeten jedoch nur die Vorhut.
Bald darauf folgten sie: Wesen, die so fremdartig waren, dass die Menschen sie kaum begreifen konnten. Sie waren groß, etwa drei Meter, mit glatten, perlmuttartigen Hautplatten, die den gesamten unbekleideten geschlechtslosen Körper überzogen und im Sonnenlicht glänzten. Ihre Gesichter waren so anders als die menschlichen, dass es unmöglich war, sie zu lesen – sie hatten keine Augen, wie man sie kannte, sondern lichtdurchlässige Membranen, die sich über ihren Kopf spannten. Sie kommunizierten nicht mit Worten, sondern mit Licht, das durch ihre Membranen pulsierte. Sie schienen friedlich, zumindest zu Anfang.
Die Medien tauften sie bald die Novovi. Warum dieser Name gewählt wurde, wusste keiner genau, aber es passte: Es klang fremd, majestätisch und bedrohlich zugleich.
Leonie war keine außergewöhnliche Frau. Sie unterrichtet Deutsch und Religion an einem Gymnasium, fuhr mit dem Fahrrad zur Arbeit und kümmerte sich allein um ihren kleinen Sohn, seitdem ihre Frau vor zwei Jahren gestorben war. Für sie war das Leben in Bochum in vielerlei Hinsicht Routine. Sie war zufrieden, aber oft fühlte sie sich auch wie ein Schräubchen in einer riesigen Maschine, die sich drehte, ohne dass sie wirklich Einfluss auf die Richtung hatte.
Die Ankunft der Novovi veränderte alles. Als sie zum ersten Mal eine von ihnen sah, war es in der Innenstadt, in der Nähe des Bermudadreiecks, wo sie mit ihrem Sohn Elias Eis essen gegangen war, er Erdbeer und Schokolade, sie Basilikum-Marakuja und Kokos-Krokant. Die Straßen waren gesäumt von Menschen, die teils neugierig, teils ängstlich die Ankunft der fremden Wesen verfolgten. Es herrschte eine Mischung aus Staunen und Panik.
„Mamileo, was sind das für welche?“, fragte Elias, die Augen weit aufgerissen vor Neugierde.
Leonie schaute zu den Novovi, die langsam die Straße entlang schritten. Sie bewegten sich nicht wie Menschen – ihre Schritte waren fließend, als würden sie Eislaufen, die Luft unter ihren Füßen kontrollieren. Ein ständiges Summen, wie das Geräusch elektrischer Entladungen, begleitete sie.
„Ich weiß es nicht, Elias“, antwortete sie, hielt seine Hand fest und beobachtete die Kreaturen, wie sie durch die Menge schritten. „Aber wir sollten vorsichtig sein und sie im Auge behalten.“
Die Novovi begannen, Kontakt mit den örtlichen Behörden aufzunehmen. Sie kommunizierten über ihre leuchtenden Membranen, die in rhythmischen Lichtimpulsen aufleuchteten, was von Geräten, nicht größer als Hemdknöpfe, in menschliche Sprache übersetzt wurde. Sie gaben sich als Entdecker aus, als Reisende, die durch das Universum zogen, auf der Suche nach Erfahrungen und Wissensaustausch.
Die Ruhe täuschte. Hinter den freundlichen Worten verbarg sich eine tiefere Agenda, die die Menschen erst später begreifen sollten.
Während die Novovi sich in den nächsten Wochen in verschiedenen Teilen Bochums und des Ruhrgebiets niederließen, um ihre Geräte zu installieren und ihre Forschungen voranzutreiben, wuchs das Unbehagen in der Bevölkerung. Einige Menschen begannen, gegen die Außerirdischen zu protestieren. Sie trauten Fremden nicht und forderten die Regierung auf, die Erde vor einer möglichen Invasion zu schützen.
Die Novovi aber schienen gelassen zu bleiben, als hätten sie alles unter Kontrolle. Ihre Maschinen, die sie auf der Erde installierten, schienen Energiequellen und Bodenschätze zu kartografieren und abzubauen. Besonders interessiert waren sie am Kohleabbau und den alten Bergwerken, die längs stillgelegt waren. Es schien, als hätten sie eine Vorliebe für die tiefsten und verstecktesten Ressourcen der Erde.
Leonie hatte in der Zwischenzeit ihre eigenen Sorgen. Elias begann, seltsame Fragen zu stellen. Er sprach oft über merkwürdige Träume, die er hatte, in denen er mit den Novovi sprach – nicht mit Worten, sondern durch Lichter, genau wie sie es taten.
„Mamileo, ich glaube, sie versuchen, mir etwas zu zeigen“, sagte er eines Abends, während er in sein Bett kroch. Seine Augen waren schwer, aber wachsam. „Ich sehe in meinen Träumen, wie sie durch den Weltraum reisen und sie zeigen mir Planeten, die so anders sind als die Erde, mit fremdartigen Tieren und Pflanzen. Echsen, die eine Hornplatte auf dem Kopf tragen, die sie färben können wie ein Chamäleon und die ihre Gedanken wiedergeben wie ein Bildschirm. Fische, die an Stränden von Inseln Käfer verschlucken, tagelang mit ihnen zu andern Inseln schwimmen und sie dort wieder ausspucken, wo sie weg krabbeln, als wär nichts passiert. Bäume, die nachts die Wurzeln aus der Erde ziehen und herumwandern.“
Leonie war besorgt, aber sie versuchte, Elias Fantasie mit einer leichten Hand zu lenken. „Es sind nur Träume, Schatz“, sagte sie und strich ihm sanft über das Haar. „Mach dir keine Sorgen. Du bist sicher.“
Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass es mehr war als das. Die Novovi hatten begonnen, auf seltsame Weise mit den Menschen in Kontakt zu treten, insbesondere mit den jüngeren. Elias war nicht das einzige Kind, das von diesen Träumen berichtete.
Einige Wochen später änderte sich alles. Die Novovi, die sich bisher relativ passiv verhalten hatten, begannen plötzlich, ihre wahren Absichten zu offenbaren. Die Stadtteile von Bochum und die Umgebung, die unterhalb des großen Raumschiffes lagen, wurden abgeriegelt. Niemand konnte herein oder hinaus. Überall tauchten seltsame Maschinen auf, die scheinbar aus dem Nichts entstanden. Sie begannen damit, den Boden zu analysieren, tiefere Schichten aufzubrechen und etwas aus dem Erdinneren zu extrahieren, das die Menschen nicht verstehen konnten.
Leonie und Elias waren in ihrem Zuhause, als es geschah. Durch die Nachrichten erfuhren sie, dass die Novovi nicht nur auf der Suche nach Bodenschätzen waren. Sie waren auf der Suche nach etwas Tieferem, etwas Ursprünglicherem, das in der Erde verborgen lag – einer Energiequelle, die weit älter war als die menschliche Zivilisation selbst. Diese Energie war der Grund, warum sie überhaupt hierhergekommen waren.
„Es ist so, als hätten sie die Erde als eine Art Tankstelle angesehen“, sagte ein Regierungssprecher in einer Talk-Show. „Sie suchen nach einem spezifischen, seltenen Element, das sie in ihren Warp-Antrieben verwenden können. Und es gibt nur wenige Planeten, die es in so hoher Konzentration haben.“
Während die Menschen um ihre Freiheit kämpften, gab es auch solche, die die Novovi unterstützten. Sie argumentierten, dass die Technologie und das Wissen, das die Novovi mitbrachten, der der Menschheit weit überlegen seien und eine Zusammenarbeit nur von Vorteil sein könne.
Leonie wusste nicht, was sie glauben sollte. Alles, was sie wusste, war, dass sie Elias beschützen musste.
Inmitten des Chaos fand Leonie etwas, das ihr Hoffnung gab. Eines Nachts, als Elias schlief und die Stadt in eine unheimliche Stille gehüllt war, wurde sie von einem Läuten an ihrer Tür geweckt. Sie öffnete und fand dort einen alten Mann, der in verschlissene Kleidung gehüllt war, mit tiefen, weisen Augen. Er stellte sich als Johann vor, er sei ein ehemaliger Bergarbeiter, und wüsste mehr über die Novovi und deren wahre Pläne. Es dauerte eine Weile, ehe sie in ihm einen Freund ihrer lang verstorbenen Großmutter erkannte.
„Sie haben vor Jahrtausenden schon einmal die Erde besucht“, sagte Johann mit leiser, aber bestimmter Stimme. „Damals waren wir noch nicht bereit, sie zu verstehen. Aber sie haben etwas hinterlassen. Etwas, das tief unter der Erde verborgen liegt. Es ist nicht nur eine Energiequelle – es ist das Herz der Erde selbst.“
Leonie spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog. „Was meinst du damit?“
„Die Novovi glauben, dass sie uns mit ihrer Technologie retten können“, fuhr Johann fort. „Aber in Wirklichkeit saugen sie uns aus.“
Leonie spürte die Schwere der Worte des alten Johann auf ihren Schultern lasten. Es klang wie ein Märchen und doch war es in einer Welt, in der ein außerirdisches Raumschiff über Bochum schwebten, schwer, etwas völlig auszuschließen. War er ernstzunehmen oder nichts als ein alter Heiopei? Er sprach von einem Erbe der Erde, von einer Energiequelle, die älter war als jede menschliche Zivilisation. Wenn das wahr war, wenn die Novovi tatsächlich so tief in die Erde eingreifen wollten, bedeutete das nicht nur eine Gefahr für die Stadt, sondern für den gesamten Planeten.
„Woher weißt du das alles?“, fragte Leonie
Er zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es eben“, antwortete er,
„Was können wir tun?“, fragte Leonie leise, während Elias drinnen noch friedlich schlief. „Wie kann man sie aufhalten, wenn sie so mächtig sind?“
Johann blickte ihr fest in die Augen. „Es gibt einen Ort. Unter dem Wald. Einen alten Schacht, den die Bergleute vor Jahrhunderten entdeckten, bevor sie ihn versiegelten. Sie sagten, es sei ein Tor zu etwas Uraltem, zu einer Kraft, die der Mensch nicht verstehen konnte. Aber ich glaube, genau danach suchen die Novovi.“
Leonie spürte eine Gänsehaut ihren Rücken hinaufkriechen. Tief in den Wäldern südlich der Stadt gab es verlassene Stollen aus den frühen Tagen des Kohleabbaus, lange bevor das moderne Ruhrgebiet entstand. Es war ein Ort voller Geheimnisse, vergessen und überwuchert.
„Warum erzählst du mir das?“, fragte Leonie skeptisch. „Warum gehst du nicht einfach selbst dorthin?“
Johann senkte den Kopf, ein schweres Atmen entwich seinen Lungen. „Ich bin zu alt, um noch zu kämpfen. Aber du ... und dein Sohn ... ihr habt noch das, was notwendig ist. Besonders Elias. Die Novovi kommunizieren mit den Kindern, weil sie wissen, dass ihre Geister noch rein und unbeschwert sind. Sie suchen nach dem einen Kind, das den Zugang zu der Energie öffnen kann. Elias könnte der Schlüssel sein – entweder zur Zerstörung oder Rettung der Erde.“
Leonie musste sich an der Tür festhalten. Die Worte klangen unmöglich, zu fantastisch, um sie zu fassen. Und doch wusste sie, dass sie die Wahrheit enthielten. In Elias Träumen, in seinen seltsamen Erlebnissen mit den Novovi, lag mehr, als sie hatte begreifen können.
„Wie kommen wir dorthin?“, fragte sie schließlich, ihre Stimme schwach, aber entschlossen.
„Ich werde euch führen“, sagte Johann leise. „Aber wir müssen uns beeilen. Die Novovi sind nicht mehr weit davon entfernt, den Ort zu finden.“
Die folgende Nacht war klar und kalt. Der Himmel über Bochum war von den Lichtern des großen Novovi-Raumschiffs erhellt, das wie ein riesiges Auge über der Stadt hing. In der Ferne hörte Leonie die Sirenen der Polizei und die lauten Geräusche von Demonstranten, die gegen die Anwesenheit der Fremden protestierten. Es waren auch Maschinen zu hören, die an den Stollen im Süden arbeiteten. Es war die letzte Stunde der Ruhe vor dem Sturm.
Johann führte Leonie und Elias durch die dunklen Straßen der Stadt, weg von den wachsamen Augen der Drohnen, die immer wieder patrouillierten. Die Novovi schienen alles unter Kontrolle zu haben, aber noch war der Wald am Stadtrand ein unberührter Ort, der in seinem eigenen Geheimnis lag.
Sie erreichten den Wald nach einigen Stunden Fußmarsch. Die Bäume standen still und schienen die Gruppe zu beobachten, als wüssten sie, dass sie nicht willkommen waren. Johann führte sie immer tiefer in das Unterholz, bis sie vor einem alten, überwucherten Stolleneingang standen, der fast vollständig von der Natur zurückerobert worden war.
„Das ist es“, sagte Johann heiser, als er die schwere Metalltür an der Seite des Berges freilegte. „Hinter dieser Tür liegt der Eingang zu den tieferen Kammern. Dort, wo die Energiequelle liegt. Dort, wo die Novovi hinwollen.“
Elias trat näher heran, sein Gesicht voller Neugierde, aber auch einer seltsamen Ruhe. „Ich kann es spüren“, flüsterte er, fast zu leise, um es zu hören. „Es ist, als würde etwas mich rufen.“
Leonie zögerte. Sollte sie ihrem Sohn wirklich erlauben, so nah an diese mysteriöse Energiequelle heranzukommen? Aber was war die Alternative? Die Novovi würden sie so oder so finden und dann wäre alles verloren. Johann nickte ihr aufmunternd zu und sie wusste, dass sie keine Wahl hatte.
Mit einem metallischen Knarren schob Johann die schwere Tür auf und ein kalter Luftzug schlug ihnen entgegen. Vor ihnen lag ein dunkler Tunnel, der ins Erdinnere führte, gesäumt von rostigen Schienen und verfallenen Stützpfeilern.
„Bleibt dicht bei mir“, sagte Johann und sie machten sich auf den Weg in die Dunkelheit, die nur von den Taschenlampen ihrer Handys durchbrochen wurde.
Der Tunnel schien endlos. Sie folgten den alten Bergwerkschächten tief in den Untergrund, immer weiter, während die Wände enger wurden und das Licht flackernd über das Gestein huscht. Elias blieb ungewöhnlich ruhig, fast als wüsste er instinktiv, was vor ihnen lag.
Plötzlich begann der Tunnel sich zu erweitern. Sie traten in eine große unterirdische Kammer, deren Wände von einem seltsamen, pulsierenden Licht erfüllt waren. Es war, als würde der Fels selbst lebendig sein und atmen, in einem langsamen, beständigen Rhythmus. Die Luft schien zu vibrieren und ein tiefes, leises Summen erfüllte den Raum.
„Das ist es“, flüsterte Johann ehrfürchtig. „Das Herz der Erde.“
Vor ihnen erhob sich eine gewaltige Felsformation, die von blauen und goldenen Adern durchzogen war. Es war kein gewöhnlicher Stein – er schimmerte und leuchtete von Innen heraus, als würde eine gewaltige Energie darin brodeln. Elias trat näher, seine Augen weit aufgerissen.
„Mamileo“, sagte er mit zittriger Stimme, „ich kann es hören. Es spricht zu mir.“
Leonie trat näher und griff nach seiner Hand. „Was sagt es?“
„Es … warnt uns“, flüsterte Elias. „Es sagt, dass die Novovi nicht hier sein dürfen. Wenn sie diese Energie freisetzen, wird alles zerstört.“
Johann nickte langsam. „Genau das habe ich befürchtet. Diese Energie ist zu mächtig. Die Novovi glauben, dass sie sie kontrollieren können, aber sie täuschen sich.“
Plötzlich ertönte ein lautes Brummen und der Boden unter ihren Füßen begann zu vibrieren. Von den Tunnelwänden drang ein grelles Leuchten und Leonie wusste, dass sie nicht mehr allein waren.
Die Novovi hatten sie gefunden.
Die Novovi betraten den Raum in einer geordneten Formation, ihre perlmuttfarbenen Hautplatten leuchteten in der Dunkelheit. Ihre glatten, augenlosen Gesichter waren nach vorne gerichtet und ihre Membranen flackerten in einem Muster aus Lichtimpulsen. Es war, als würden sie miteinander und gleichzeitig mit dem Raum selbst kommunizieren.
Johann fasste sich an die Brust, sank röchelnd zu Boden, dann rührte er sich nicht mehr. Erschocken kniete Leonie sich neben ihn, um seinen Puls zu fühlen, und presste die Lippen zusammen. Nichts.
„Ihr habt es weit gebracht“, sprach einer der Novovi ungerührt, dessen Lichtmuster von einem ihrer Geräte übersetzt wurde. „Ihr versteht, was hier liegt. Eine Energiequelle von unermesslicher Macht. Wir brauchen sie, um das Universum zu erkunden und zu bewahren.“
Leonie stellte sich schützend vor Elias. „Ihr versteht diese Energie nicht. Sie wird alles zerstören, wenn ihr sie entfesselt.“
„Die Menschheit ist zu primitiv, um diese Macht zu begreifen“, antwortete der Sprecher der Novovi. „Ihr könnt nicht wissen, was für das Universum am besten ist.“
„Das Herz der Erde gehört niemandem“, rief Johann mutig. „Ihr werdet es nicht besitzen.“
Ein Moment der Stille folgte, in dem nur das Summen der Energie zu hören war. Die Novovi schienen die Worte zu verarbeiten, doch ihre Entscheidung stand fest.
„Wir werden die Energiequelle aktivieren“, sagte der Anführer mit endgültiger Stimme. „Ihr könnt euch uns nicht in den Weg stellen.“
Elias, der all die Zeit ruhig geblieben war, trat vor. Seine Augen schimmerten im blauen Licht des Felsens und seine Stimme war fest. „Ich lasse nicht zu, dass ihr die Erde zerstört.“
Das Licht um ihn herum begann zu flackern, als würde es auf ihn reagieren. Die Novovi hielten inne, als würden sie Elias beobachten und analysieren. Leonie spürte, wie ihr Herz raste. Was konnte ihr kleiner Sohn gegen diese überlegenen Wesen ausrichten?
Dann geschah das Unfassbare. Elias hob seine Hand und das Herz der Erde begann stärker zu leuchten. Funken sprühten, es roch nach Ozon. Die Energie schien auf ihn zu reagieren, als würde sie ihn erkennen. Die Novovi zogen sich zurück, als wäre etwas ihrer Kontrolle entrissen.
„Ihr habt es falsch verstanden“, sagte Elias mit leiser, aber mächtiger Stimme. „Diese Energie gehört der Erde. Sie ist Leben, nicht Zerstörung. Und sie wird sich nicht von euch beherrschen lassen.“
Mit einem gewaltigen Blitz entlud sich die Energie und die Novovi wurden von einem leuchtenden Strahl aus dem Herzen der Erde getroffen. Sie schrien, ehe ihre Membranen in einem grellen Licht explodierten und ihre Körper sich in Luft auflösten.
Als das Licht endlich erlosch, stand Elias noch immer ruhig vor dem Felsen, seine Hand ausgestreckt. Die Novovi waren fort. Es herrschte Stille, eine unheimliche Ruhe, die den Raum erfüllte.
Leonie stürzte zu ihrem Sohn und umarmte ihn fest. „Du hast es geschafft“, flüsterte sie, Tränen in den Augen. „Du hast uns gerettet.“
Elias schaute sie mit einem Lächeln an, das weiser war, als es sein junges Alter vermuten ließ. „Es war nicht ich, Mamileo. Es war die Erde.“
Die Kammer des Herzens schloss sich langsam, die Energie zog sich zurück in die Tiefe, als wolle sie wieder schlafen gehen, bis sie eines Tages erneut gebraucht würde. Leonie stand schweigend daneben, ihren Blick auf den Felsen gerichtet. „Vielleicht hat die Erde noch mehr Geheimnisse, mehr als wir je begreifen werden.“
In den Tagen danach zogen sich die Reste der Novovi zurück. Ihr Schiff, einst stolz über Bochum schwebend, verließ die Erde und verschwand im leuchtenden Glanz des Weltraums. Die Menschheit hatte überlebt, doch niemand würde je wieder vergessen, was geschehen war.
Leonie und Elias kehrten in ihr einfaches Leben zurück, doch die Welt hatte sich für immer verändert. Bochum, das einst so unscheinbar gewesen war, war nun der Ort, an dem die Erde ihre größte Kraft gezeigt hatte.
Und während der Himmel klar war und die Sterne funkelten, wusste Leonie, dass die Erde immer wachen würde. Bereit, ihre Kinder zu beschützen, wann immer es nötig war.
Das jedenfalls war die Geschichte, wie Leonie sie erzählte. Manche glaubten ihr, die meisten hielten sie jedoch für verrückt. Johanns Leiche wurde nie gefunden.
ENDE
In dieser Geschichte gibt es noch viel Luft nach oben. Viele Wiederholungen (als würde, als hätte, als wäre, etc.) machen den Text etwas eintönig, leider finden sich auch einige in der SF längst ausgeleierte Beschreibungen, die man interessanter hätte gestalten können.
AntwortenLöschenUnd trotzdem: Die Atmosphäre hat mir gut gefallen.
Warum es nicht die geringste Wirkung auf die beiden anderen Figuren hat, als sie feststellen, dass Johann gestorben ist, bleibt mir schleierhaft.
Sehr interessanter Aufhänger, dass es da in der Erde etwas gibt, was nicht technologisch erklärt werden kann. Wir haben eben doch noch nicht alles entdeckt ;) Die Story hat mir in ihrer Art und Schreibweise sehr gut gefallen.
AntwortenLöschenSchon klar, da schwebt seit Tagen ein Raumschiff über der Stadt und Leonie geht mit ihrem Sohn Eis essen ... Daraus könnte man einen tollen Text über Übersprungshandlungen machen. Hier wird es eine Mär über die Kraft der Erde bzw. eine geheimnisvolle Energiequelle, die ALLES zerstören könnte, käme sie in die falschen Hände. Daraus hätte sich ein wunderbar trashiger Text machen lassen, hier aber scheint es der Text ernst zu meinen. Nichts für mich. Auch sprachlich nicht.
AntwortenLöschenHm, es sind viele Ungereimtheiten drin, z.B. dass Johann schon tot ist, aber dann noch mit den Novovi spricht, aber ich fand die Geschichte trotzdem faszinierend.
AntwortenLöschenDu meinst "„Das Herz der Erde gehört niemandem“, rief Johann mutig. „Ihr werdet es nicht besitzen.“" Ist mir auch aufgefallen, ich habe angenommen, dass da Elias gemeint war.
AntwortenLöschenJa, die Stelle ist es.
LöschenDie Geschichte beginnt durchaus interessant und die Beschreibung der Novovi ist äußerst kreativ. Dass sie den Menschen nicht all ihre Absichten offenbaren und mit Kindern über Träume kommunizieren, macht die Geschichte zunächst spannend. Leider wird der Plot mit den Träumen nicht weiterverfolgt und die Story verstrickt sich gegen Ende in zahllose Widersprüche.
AntwortenLöschenDer größte Widerspruch betrifft das Herz der Erde. Erst wird erklärt, dass die Novovi schon einmal vor Jahrtausenden da waren und etwas ausgesät haben. Sind sie also für die Energie verantwortlich? Dann sollten sie sie doch problemlos ernten können und die Erde hat ja schon Milliarden Jahre zuvor ohne diese Energie existiert. Und warum wurde die Energie noch von keinem Kohlekumpel entdeckt, wenn sie in den Bergbautunneln des Ruhrpotts schlummert?
Ebenso unklar ist, warum Johann plötzlich tot umfällt. Und nur ein paar Zeilen weiter ist er wieder putzmunter und spricht mit den Novovi. Leonie und Elias scheinen von seinem Tod derweil ziemlich unberührt und lassen seine Leiche einfach zurück, die später nicht mehr gefunden werden kann. Das ist schon ziemlich arg und lässt die beiden wenig menschlich wirken. Was kümmert sie der Tote, wo Elias doch die Erde gerettet hat? Wie auch immer das vonstattengegangen ist. Pure Magie oder eben reine Willkür.
Fazit: Guter Schreibstil, coole Aliens, vielversprechender Einstieg, aber zum Ende doch eher enttäuschend.