-Aschenfeld-
von Thomas Kl3inAtmosphere-Sonderpreis beim ZACSF2024
Auf der Erde existiert Leben. Viel Leben.
Leben in tausenden verschiedenen Arten und Varianten. Leben in verschiedenen Gebieten, Arealen, in Höhen und in Tiefen. Es gibt auch noch unentdecktes Leben. Ganz tief im Ozean oder tief im Innern von unzugänglichen Gebieten. Dort, wo noch nie zuvor ein Mensch war.
Es gibt aber auch Gebiete und Areale - steinig, wässrig, verwachsen, zugebaut, überlaufen.
Dort sind ständig Menschen. Viele Menschen. Die meisten Gebiete nennt man aber
Städte, oder Dörfer. Manche sind überlaufen mit Menschen, die in ihren Häusern oder in Großstädten in Wohnungen leben. Einige in einer Familie, aber auch viele, die alleine leben oder wohnen. Es spielt alles keine Rolle, es leben viele Menschen auf der Erde!
Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein gewaltiger Sprung für die Menschheit.
[Zitat: Neil Armstrong]
BummBummBumm...........
BÄÄMMMM BÄÄÄÄÄMMM BÄÄÄÄMMMM !!! klopft es energisch an der Tür.
„Heyhey, Lip...mach doch mal auf, Liiiiiiip!! Haaalllloooooo?? Es ist fast 10 Uhr!" Energisch und bestimmend hämmert eine Faust außen an die Wohnungstür.
Ein Paar Augen reißen weit auf. Lip wacht auf. „Ouh Shit!!. Oh Mann! Jaaaaa, ich komme", ruft er.
Es ist ein Sommertag in dem kleinen Ort Aschenfeld.
Nicht zu warm, ein paar Wolken am Himmel. Es riecht noch nach Regen vom frühen Morgen. Dieser eigene Geruch erweckt immer irgendwelche Erinnerungen. Dieser Geruch von feuchtem Gras, der sich mit der Luft vermischt, kennt eigentlich jeder. Ein typischer Geruch des Sommers.
Lip stolpert fast beim Rennen zur Wohnungstür, aber er hält wacker durch. BämmBämmm, hämmert es immer noch an die Tür. Lip öffnet sie und Zusch!! hätte er fast Marvins Faust im Gesicht. Aber er weicht gekonnt aus. „HeyHey! Stooop! ", schreit er lauthals. Marvin stockt kurz der Atem. „Sorry.! Hey komm auf geht’s. Wir wollten doch noch in die alte Fabrik!" Lip hob die Augenbrauen. „Oh Mann, ja, okay! Bin gleich soweit, ouhouhou...!!" Die Zeit scheint in so einem kleinen Dorf irgendwie keine Rolle zu spielen. Es gibt sie irgendwie nicht wirklich und sie hat bei einer bestimmten Art von Menschen keine Funktion. Sie ist einfach nur da.
Lip ist mit seinen 23 Jahren noch nicht wirklich weit gekommen in seinem Leben. Naja, er hat bis jetzt nur Schule gemacht und hat ein paar Jobs nebenbei. Im Supermarkt, in einer Bar, was man halt so macht in jungen Jahren, um irgendwie noch zusätzlich an Geld zu kommen...außer an das von den Eltern. Den Autoführerschein haben sie ihm ermöglicht und auch ein kleines Auto. So sind Eltern halt. Die kleine 2-Zimmer-Wohnung mitten im Ort bekam er durch Bekanntschaften aus dem Supermarkt. In einem kleinen mittelständigen Ort spricht sich eine Wohnungssuche schnell herum.
Die alte Fabrik, in die die beiden Jungs heute wollen, ist ein Ort für Abenteurer oder solche die es werden wollen. Viele Menschen meiden sie auch und wollen nichts mit ihr zu tun haben. Hier wurden früher irgendwelche Flugzeugteile hergestellt, sagt man.
Riesige Montagehallen und Maschinengebäude stehen noch auf dem Gelände.
Von heute auf morgen wurde die Fabrik geschlossen.
An einigen Gebäuden prangern noch diese riesigen Blechschilder mit dem Logo. Einige sind schon so vom Rost zerfressen dass es eigentlich nur noch Fetzen sind, die an die Wand geschraubt sind. Man erkennt nur noch schemenhaft etwas Geradlinig zackiges.
Niemand kann oder mag sich eigentlich mehr richtig an den Namen der Fabrik erinnern.
Sie gehörte zwei Brüdern, sagt man...Zwillinge!
Einfach stehen gelassen, nicht mal richtig leergeräumt.
Aber das alte Gemäuer nennt man heute - Gehäuse -
Dieser Ausdruck hat sich so durch die Jahre geschlichen. Die älteren, also die ziemlich
Alten im Ort, sind und waren der Meinung, dass die Gebäude aussehen wie -GehäuseAlso architektonisch gesehen. Auch Luftaufnahmen des Geländes zeigen eine ordentliche, geometrisch genaue Anordnung der Gebäude. Irgendwie sieht das ganze aus wie ein Symbol. Aber kein bekanntes Symbol.
Lip und Marvin gehen heute zu Fuß zum Fabrikgelände. Sind ja noch jung, und Bewegung schadet ja nicht. Die Beiden kennen sich schon seit den Jugendjahren, da sie auch gleich alt sind. Naja, fast. Marvin ist ein bisschen jünger als Lip. Aber nur ein paar Monate. Er stammt aus dem Nachbarort von Aschenfeld. Beide waren zusammen auf der Schule und hingen zusammen ab. Nun haben sie sich ein paar Jahre nicht gesehen. Marvin musste beruflich wegziehen. Der Kontakt blieb aber stets bestehen und so sieht man sich auch immer wieder.
„Irgendwas ist heute anders als sonst", meint Lip. Marvin zieht die Augenbrauen hoch.
„Hmmh, okay, wie meinst du das?"
„Weiß nicht, halt anders. Alles irgendwie komisch. Die Luft ist so dünn und auch das Sonnenlicht so milchig", erwidert Lip mit hochgezogenen Schultern.
„Ach komm", lachte Marvin und gab Lip einen Rand sodass er fast stolperte. „Heute wird es cool im Gehäuse. Ich freu mich! Ist ja schon ewig her, als wir das letzte Mal dort waren", lacht er.
In der Tat war es heute meteorologisch gesehen kein normaler Sommertag. Es war, als schleicht sich ein Nebel übers Land, was um diese Zeit wegen den Temperaturen einfach nicht möglich wäre.
Die beiden Jungs legen einen Gang zu und wandern stolz durch einen kleinen aber vertrauten Wald, der neben einer Straße liegt. Sie lachen und erzählen sich gegenseitig Witze. Einige davon waren schon richtig alt. Aber sie lachen anstandshalber trotzdem, um sich nicht gegenseitig zu beleidigen.
Die Zeit verfliegt und bald stehen sie an einem Zaun. Einem majestätischen Zaun, der fast, abgesehen von ein paar Löchern und Unterbrechungen, das ganze alte Fabrikgelände umschließt.
Der Wald hinter ihnen schien fast nur noch wie ein kleines Gebüsch auszusehen, so weit sind sie noch über eine große Wiese gelaufen. Diese war früher der Parkplatz der Fabrik. An manchen Stellen erkennt man noch die Abtrennung der einzelnen Stellplätze. Und auch die Einfahrt zum Parkplatz ist noch schemenhaft zu erkennen. Das Fabrikgelände liegt ziemlich weit weg von allem. Es scheint alles schon ein bisschen mystisch oder auch mysteriös. Aber geschichtlich gesehen gibt es nur positives über die Fabrik zu berichten.
Die Jungs krallen ihre Hände in den Drahtzaun. Jeden Finger einzeln in die Waben. Diese laden auch geradezu immer dafür ein, die Finger nach und nach rein zu haken. Ein Blick wird über das immer noch imposante Gelände geworfen. Es fasziniert immer und immer wieder. Man könnte jedes Mal ein 'Wow' über die Lippen lassen, obwohl man es schon zigmale gesehen hat. Wenn auch oft nur von Weitem. Jedes einzelne Gebäude ist immer noch ein Hingucker. Beide waren schon ewig nicht mehr hier. In den Teenagerjahren hatte man eben auch mal anderes zu tun, als alte Hallen zu erforschen.
„Schon ein paar Jahre her", meint Marvin schon etwas schelmig, aber auch nachdenklich. „Ja schau mal da, die Streifen an der Hallenwand. Die gibt's schon ewig. Also solange ich mich erinnern kann. Nur waren sie nie so intensiv weiß."
Marvin reißt die Augen auf „Krass!"
Es ist die alte Turbinenhalle, auf die Lip da zeigt. Vier gewaltige Propeller der Belüftungsanlage sind immer noch fest in der mächtigen Außenwand montiert.
Manchmal, wenn der Wind ganz stark bläst, drehen sie sich.
Über ihnen befindet sich ebenfalls eine dieser seltsamen verrosteten Platten mit dem Fabriklogo, welches damals die Macht der Fabrik darstellte. Nach all der Zeit haben sie dennoch nichts an Charme verloren.
Neben dieser rostigen Platte sind zwei vertikal parallel verlaufende, handbreite weiße Striche zu sehen. Nebeneinander, geometrisch akkurat und irgendwie grell reflektierend. Heute leuchten sie besonders stark. Man hat den Eindruck, dass sie nicht richtig auf der Wand sind, sondern davor. Schwebend und leicht zitternd.
Vielleicht liegt es auch an der noch leichten Hitze des Tages. Das sogenannte
'Luftflimmern' denkt sich Lip
„Los, komm", ruft Marvin und schreckt damit Lip auf.
„Komm komm komm!!", schallt es nur noch.
Beide laufen erst und schließlich, kurz vor der Turbinenhalle, schleichen sie fast nur noch. Wenn man sich den Streifen nähert, scheinen sie auf der Wand zu sein. Entfernt man sich, fangen sie wieder an zu schweben.
Die beiden Jungs gehen vor, zurück, vor, zurück. Ein Schritt, zwei Schritte, sie beginnen zu laufen, hin und her, schnell, langsam, vorwärts, rückwärts, immer den Blick gen die Streifen gerichtet. Die Streifen gibt es schon immer. Man erzählte oft davon, dass sie von Anfang an da waren und sich nie mit irgendeiner Farbe überstreichen oder entfernen ließen. Sie kommen immer wieder durch. Die Jungs stehen wie zwei Denkmale davor und starren sie an.
„Komm, auf geht's ", sagt Marvin leise und fast ernst. Lip wirft noch einen letzten skeptischen Blick auf die beiden Streifen und läuft dann locker Richtung Halle.
Die Jungs waren in frühen Jahren sehr selten an oder in der alten Fabrik gewesen. Sie wurden immer davon ferngehalten, mit irgendwelchen Märchen oder Spukgeschichten, die man ihnen erzählte.
Als Kinder durften sie mal mit ihren Vätern dorthin. Aber das ist schon lange her und dann war es auch nur ganz kurz, um die Kinder nicht daran zu gewöhnen.
Ansonsten sah man die Fabrik immer vom Auto aus, wenn man mit den Eltern wegfuhr oder vom Bus aus, auf dem Weg in die Schule. Die Hallen ragten immer am Horizont hervor. Man schaute immer schon ängstlich auf das Gelände.
Das Gebäude wirkt gigantisch mit den zwei Jungs davor. Wie kleine Strichmännchen sehen sie aus, vor der Dunkelheit des Halleninneren.
„Ooohooooh", ruft Marvin in die Dunkelheit hinein.
Ein Echo ist immer wieder ein Erlebnis. Fast schon ein Ritual .
Der Boden in einem begrenzten Radius um das Werksgelände herum, soll nach alten
Berichten unfruchtbar sein. Dort soll nie irgendetwas gewachsen sein. Dies wurde mit Argusaugen immer wieder beobachtet, so dass die Gründer der Fabrik damals beschlossen ein paar künstliche Pflanzen um die Hallen zu setzen damit es nicht auffiel.
Dies sind aber alles nur Spekulationen und wurden eigentlich nie bewahrheitet. Das ungeübte Auge konnte nicht unterscheiden ob es künstliche oder echte Pflanzen waren. So geschickt haben es die Zwillinge damals angestellt, um weiter an ihrer Fabrik zu halten.
„Auf geht’s", ruft Marvin und klopft Lip auf die Schulter. Und schon geht es in das Halleninnere . Marvin ist schon ziemlich wild darauf die Gebäude zu erforschen während Lip eher vorsichtig und ängstlich ist.
Kein Laut, kein Knacken von irgendetwas ist zu hören. Was ziemlich komisch ist. Man hört in verlassenen Hallen normal immer irgendwelche Geräusche aus einer oder mehreren Richtungen.
Aber heute nichts. Absolut nichts. Selbst draußen schien plötzlich alles still zu stehen. Nicht mal ein Säuseln des Windes ist zu vernehmen.
„Merkst du das auch?", meint Lip.
„Was?", erwidert Marvin.
„Der Boden. Er scheint sich zu bewegen.", sagt Lip mit gesenktem Kopf und geht in die Knie. Er streckt beide Hände flach auf den Boden aus und wischt in Halbkreisen mit den Händen herum. Seine Augen folgen jeder Bewegung seiner Hände.
Lip und Marvin stehen an einer Stelle, an der es keinen Betonboden mehr gibt. In fast jeder Halle ist dieser harte Boden aus Beton und einem Stahlskelett nicht mehr komplett. Diese Stellen sind auch abgesenkt und der Erdboden ist dort die grundlegende Fläche. Es sieht aus, als hätte man dort regelrecht etwas herausgerissen.
„Äähm, was machst du da? Musst dich ja nicht gleich vor mich knien. Auch wenn wir uns lange nicht gesehen haben", fragt Marvin mit hochgezogenen Augenbrauen erstaunt. „Ich suche", schnauft Lip während er weiter die Hände im Grund halbkreisförmig hin und her bewegt.
„Mmmh", knurrt Lip. „Ich denke wir hatten Halluzinationen", scherzt er hinterher und wirkt nachdenkend.
„Mein Vater und mein Großvater haben hier manchmal noch brauchbare Schrauben und Teile gefunden. Ja, Teile nannten sie diese. Papa hatte seine in einer extra Kiste, die immer verschlossen war. Nichts für kleine Kinder ... Naja. Aber wenigstens durfte ich sie einmal sehen. Sie sahen aus wie Schrauben, nur bisschen anders. Ich glaube mein Vater hatte mich reingelegt, nur um mir einen Gefallen zu tun. Waren wohl richtige Schrauben aus einem Laden, die er irgendwie bearbeitet hat. Es waren auch manchmal Blechteile dabei, die später irgendwann zuhause in irgendwas mit eingebaut wurden. Also in quasi alles!", meint Lip verschmitzt mit einem blinzelndem Auge. In der Tat sah man hier und da in der Umgebung, an selbstgebauten Gartenhäusern oder Dach und Holzüberständen, Teile aus der Fabrik, keine übermächtige Teile, einfach Abfallteile.
Lip sucht mit beiden Händen immer noch im Grund der Halle, während Marvin mit seinen Füßen Kreise im Boden formt. Seine Hände hat er in den Hosentaschen.
„Was suchst du denn genau?", fragt Marvin fast schon gelangweilt
„Ach nichts ..", sagt Lip enttäuscht, nimmt die Hände aus dem Dreck und legt sie auf seine Oberschenkel.
Er wägt in Erinnerungen, den Blick starr.
Er stand als Kind oft in dem Wald vor der Fabrik und beobachtete von der Ferne, wie Leute aller Art hier auf dem Fabrikgelände ein und aus gingen und Dinge heraustrugen oder auf Fahrzeuge aufluden.
Manchmal im Sommer, wenn Besuch zu Hause war und gefeiert wurde, schlich sich Lip bei Anbruch der Dunkelheit in Fabriknähe und beobachtete auf einem Baum sitzend aufgeregt die ferne Szenerie am alten Gelände. Dies machte er oft.
An einem solcher Sommerabende, als Lip gerade vom Baum springen wollte um nach Hause zu gehen bevor er Ärger bekam, und auch in und um den Hallen niemand mehr zu sehen war, traute er seinen Augen nicht. Eine der leeren Fabrikhallen scheinte von innen zu glühen, zu schimmern. Dies war so immersiv dass es den Anschein hatte, als würde die Halle schweben. Lip stand da eine Weile wie gelähmt und starrte auf die Halle. Dann drehte er sich um und rannte wie der Teufel nach Hause. Keiner konnte ihn aufhalten. Er wollte nur nach Hause. Er rannte und rannte. Zuhause waren noch alle am Feiern. Er schlich sich in sein Zimmer und versteckte sich unter der Bettdecke! Okay, dachte er, vielleicht hat sich jemand einen Spaß erlaubt, oder vergessen ein Grillfeuer zu löschen. Keine Ahnung. Bis heute hat er mit niemanden darüber geredet. Auch nicht mit Marvin. Mit Niemandem!!
Lip und Marvin wagen sich weiter in die Hallen und das Gelände hinein.
„Im Radio sagten sie etwas von Wetterphänomenen in den letzten Tagen. Was meinen die damit?", fragt Marvin etwas aufgeregt
„Nix besonderes. Man kann es auch Erscheinungen nennen. Zum Beispiel massive Wolkenformationen, oder durch Sonnenlicht veränderte atmosphärische Lichtbildung. Das sieht dann grob gesagt einfach nur komisch aus.", fachsimpelt Lip nachdenklich. Durch die vergilbten und stellenweise auch zerborstenen großen Scheiben der Halle dämmert seicht das Sonnenlicht. Die gesamte Innenatmosphäre scheint in einem Nebel zu liegen. Die Temperatur ist massiv angestiegen. Der aufgewirbelte Staub formt sich manchmal zu unglaubwürdigen gespenstischen Gestalten und auch Spiralen, kleine Wirbelstürme gibt es auch dazwischen zu sehen.
Die Jungs schlendern aufgeregt weiter durch die Weiten der Hallen. Überall gibt es abgerissene Kabel, gebrochene Schalter, Sicherungskästen die scheinbar ausgeraubt wurden, kaputte unbrauchbare Büromöbel, Telefone ohne Hörer. Hier und da noch ein paar Aktenordner, die anscheinend studiert wurden. Verwaiste Büroräume laden zum stöbern ein.
Ja und überall Graffiti mit seltsamen Zeichen, mit denen man nichts anfangen kann. Auch Botschaften in merkwürdigen Sprachen bei denen man sich fragt, ob das eigentlich eine weltliche Sprache ist. Einige Botschaften sind auch klar erklärt mit den Worten: „Das Ende naht, wir werden gerettet! ....“
Aber auch Texte wie: „Verschwindet! Wir brauchen Euch hier nicht!“, gibt es zu lesen.
Zwischen all dem bahnen sich die beiden ihren Weg.
Rohrleitungen, die aufgerissen sind, tropfen noch seicht.
Ein Blubbern und Tropfen ist nun in verschiedenen Ecken wahrzunehmen. Man kann es aber nicht richtig zuordnen.
„Schon unheimlich hier", meint Lip beim Betreten eines leerstehenden Büros. „Meinst du hier wurde was Verbotenes gemacht? Ich meine, also, Experimente oder so?", stottert er fast.
„Weiß nicht genau", antwortet Marvin. „Mein Großvater erzählte auch immer nur kurz und bündig von der Fabrik. Fast wurde er sogar wütend wenn man ihn danach fragte." „Ja mein Vater auch.", erwidert Lip . „Wollte nie richtig darüber reden. Ist schon komisch, also irgendwas muss ja hier falsch gelaufen sein."
„Ja, Keine Ahnung.", zögert Marvin mit hochgezogenen Schultern.
Beide schauen sich ratlos und zugleich staunend an.
„Komm, auf geht's! Weiter, lassen wir das Abenteuer starten!", winkt Lip aufgeregt mit der Hand und zieht Marvin am Shirt.
Es geht los!Laufen, laufen, laufen!! Von Raum zu Raum, Treppen rauf, Treppen runter, links, rechts, es wird über dicke herabhängende Kabel gesprungen, unter Trümmern durchgeklettert, hier und da wird angehalten und es werden alte noch erkennbare Pläne an den Wänden studiert. Es wird gelacht, erzählt und auch sogar gesungen. Lieder aus der alten gemeinsamen Schulzeit. Über gigantische, stehengelassene Maschinenteile wird ebenfalls gefachsimpelt.
Und dann plötzlich:
In einem Raum, der fast wie eine Halle wirkte, prangt ein großes Panoramafenster. Richtig groß! Gigantisch groß! Komischerweise hat es all die Jahre überstanden. Kein Riss, nichts. Komplett intakt.
Gut, um es zu stehlen bräuchte man einen Kran oder sowas.
Beide bleiben davor stehen. Sie schauen es wortlos an.
Akkurat in 24 Quadratische Teile segmentiert.
„Wow!", staunt Marvin. „Krass!", sagt Lip ziemlich leise
Man könnte den Beiden nichts mehr zu dem Gesagten hinzufügen. Das Fenster hat 24 Felder, sechs in der Breite und dieses viermal in die Höhe. Jedes der Fenster misst zwei mal zwei Meter.
Im ganzen ist das riesige Ding 12 x 8m groß!!
Gigantisch!! Richtig dickes Glas, bestimmt faustdick, sowas hat man ganz selten gesehen. Es ist das Büro der damaligen Firmeninhaber, also das der Zwillinge. Genau, in diesem riesigen Raum, in dem Marvin und Lip gerade stehen, war der Mittelpunkt der Fabrik, des Gehäuses, wie man es auch nennt..
Die einzelnen Scheiben des Panoramafensters sind sehr fein gerahmt. Es ist kaum zu erkennen, dass es Einzelteile sind. Wie eine ganze komplexe Scheibe sieht es aus. Es könnte auch fast ein großer Bildschirm sein.
Man erzählt, diese Glaskunst wurde damals über mehrere Monate geliefert und vor Ort zusammengebaut. Ja es war eine logistische, bauliche und auch architektonische Meisterleistung. Ein unbekannter Künstler aus Übersee erhielt diesen überaus einmaligen Auftrag, und erfüllte ihn mit Bravour, wie man heute noch sehen kann.
Dickes Gemäuer umschließt das Glas statisch und technisch perfekt.
„Davon habe ich schon mal gehört.", flüstert Lip. „Von hier aus wurde quasi alles gesteuert. Das Büro der Zwillinge. Das muss es sein!"
Marvin und Lip gehen an dem Panoramafenster hin und her. Bestaunen es, studieren es mit fragwürdigen Blicken.
„Wieso waren wir früher eigentlich nie hier drin?", fragte Marvin.
„Wir haben es nie gefunden. Wir wurden von unseren Vätern immer nur in die anderen Hallen geführt und dort sind wir wahrscheinlich immer im Kreis gelaufen.", sagte Lip mehr oder wenig traurig.
Das Büro ist genau in der Mitte des Geländes. Es ist so gebaut dass man alle anderen
Hallen im Blick hat. Allerdings nicht alle durch das Panoramafenster. Aber die Turbinenhalle mit den zwei breiten weißen Strichen ist zu sehen. So, als ob das Büro genau darauf ausgerichtet ist. Es gibt auch noch andere Fenster, normale Fenster in diesem großen Büro. Diese sehen eher aus wie Schießscharten und als ob sie vor irgendwas schützen sollen. Das ganze Gelände scheint architektonisch durchdacht, hat man den Eindruck.
Das Büro selbst ist fast noch komplett intakt. Die mächtigen Schreibtische aus edlem Holz, stehen noch fest auf ihren Plätzen. Sie stehen längs nebeneinander. So, dass jeder der Zwillinge einen freien Blick auf das Panoramafenster hatte.
„Was ist hier passiert? Was haben die hier gemacht?", meint Marvin während er sich mit beiden Armen auf einen der Schreibtische stützt. „Und was ist das für ein Holz? So massiv, so gigantisch. Ich kenne dieses Holz gar nicht! Noch nie gesehen diese Maserung."
Die Tische sind wirklich riesig. Jeder ist mindestens 5m lang und 2m breit. 20cm in der Dicke sollten reichen.
„Ja und schau mal.", sagt Lip mit leiser Stimme, „die lassen sich gar nicht bewegen." Er drückt und schiebt, versucht den Tisch irgendwie zu bewegen, nichts rührt sich.
Marvin ebenfalls. Kein schieben, drücken, anheben bewegt etwas. Auch nicht wenn sie es zu zweit versuchen. Als seien die Tische im Boden verankert.
„Verdammt!!", flucht Marvin.
An tiefen Schleif- und Kratzspuren erkennt man, dass auch wohl schon andere vergebens versucht haben die Tische zu bewegen. Aber wie zur Hölle sind die Dinger hier reingekommen? Jede Tischlatte besteht aus einer einzigen riesigen Platte.
Keine normale Tür würde solche monströsen Tische passieren lassen.
Im Raum befinden sich noch weitere massive Möbel. Holzschränke, Vertikos und kleine Kommoden, die eindeutig von einheimischen Hölzern stammen. Dieses Mobiliar hat allerdings schon unter den wohl wenigen Besuchern gelitten.
Was haben die Brüder von hier aus gemacht? Keiner wusste auch genau woher sie waren. Was war ihr Ziel?
Die Zeit ist nun schnell vergangen und mittlerweile steht der Sonnenuntergang bevor. Marvin und Lip haben es sich auf den riesigen Tischen gemütlich gemacht und schauen still aus dem Panoramafenster. So müssen sich die Zwillinge gefühlt haben. Es kommt ein Gefühl der Zufriedenheit an diesem schönen Sommertag auf. Er verneigt sich vor dem Abend, könnte man fast sagen.
Die Jungs philosophieren noch über alte Zeiten ihrerseits und auch der, der Fabrik. Was ging in frühen Jahren hier vor sich?
Was genau wurde hier hergestellt und warum wurde und wird immer noch so ein Geheimnis um alles gemacht?
Viele Leute verweilten auf dem verlassenen Gelände. Manche verließen es auch wieder fluchtartig. Geheimnis über Geheimnis.
„Komm! ", ruft Lip. „Machen wir uns auf den Weg nach Hause.", sagt er und springt vom Tisch. „Okay, gehen wir noch einen trinken.", erwidert Marvin und liegt aber noch rücklings auf einem der Tische. Lip geht noch einmal im Büro umher um eventuell noch Antworten auf Fragen zu finden. Überall zerfetztes Papier und leere Aktenordner, kaputte aber edle Stühle und kleine schwere Kommoden. Stellenweise ist der exklusive Fliesenboden hier ebenfalls, wie in vielen anderen Hallen, schon aufgerissen. Und auch der sich darunter befindliche Betonboden fehlt. Der Staub wirbelt von Lips Schritten leicht auf. „Schau mal! ", ruft Lip. „Egal wo ich im Raum hintrete wirbelt Staub aus den offenen Stellen."
„Ja, keine Ahnung.", meint Marvin. Er liegt immer noch auf dem Tisch und starrt an die Decke, die verdammt hoch ist.
Lip bückt sich und wühlt wieder mit beiden Händen an einer offenen Bodenstelle im Staub. Kreisende, intensiv forschende Bewegungen. Der Schweiß auf seiner Stirn glänzt im untergehenden Sonnenlicht, welches sich durch das Panoramafenster und den aufgewühlten Staub quält.
Plötzlich zieht er etwas aus dem Staub. „Marvin! Komm her!",befiehlt Lip laut und bestimmend. „Langsam, langsam, gaaaanz langsam.", stammelte Lip und zieht behutsam an dem Etwas.
„Ein Korkenzieher? Dafür rufst du mich hierher?", lacht Marvin, als er sich zu Lip hinunterbückt und sich die Sache aus der Nähe anschaut.
Lip zieht und buddelt gleichzeitig an dem anscheinend T-förmigen Objekt. „Wow. Scheint aber ein extrem alter Korkenzieher zu sein. Mit so vielen Verzierungen?"
Man erkennt langsam eine Struktur, ja sogar eine sogenannte T- Form des Artefakts. Lip hat es mittlerweile komplett aus dem Boden befreit und pustet und klopft es vorsichtig sauber. Das Artefakt ist wenig kleiner als seine Hand. Wilde unregelmäßig verästelte aber biologisch aussehende Strukturen weisen sich auf. Keine scharfe Kanten. Der Mittelkörper ist unregelmäßig dick und leicht gebogen, die Oberfläche wie mehrfach gewickeltes Stanniolpapier. Es sieht aus als würde sich etwas daran festhalten, etwa eine Kreatur. Verschmolzen mit dem Mittelkörper.
Die Arme des Kreuzes laufen spitz aus und alles ist als wäre es elastisch. Geometrisch ist es nicht korrekt.
„Ein Kreuz!", schreit Marvin.
„Ja aber es sieht tot aus!", kommt ein nervender Blick von Lip.
Er hält es hoch ins noch letzte Sonnenlicht des Tages.
Das "T" sieht in der Tat aus wie ein Kreuz, nur ungleichmäßiger. Wie viele kleine verschiedene Äste die man gebündelt und wild zusammengedreht hat.
Ein Parasit, ein toter Vogel, alles mögliche kann es sein.
„Ist ganz weich.", sagt Lip und ekelte sich fast. !Hier, nimm mal."
Marvin streckt vorsichtig die Hand aus und greift ganz behutsam mit zwei Fingern nach dem Artefakt.
„Komisches Zeug.", nörgelt Marvin während er es untersucht.
Er dreht es mehrmals zwischen den Fingern und legt es sich auf die Hand. „Sieht aus wie etwas totes. Es scheint organisch zu sein. Irgendwie leblos und verkohlt."
„Geh mal ans Fenster.", sagt Lip mürrisch. „Da ist noch mehr Licht."
Gut, die Sonne war fast weg, aber es gibt noch genug Licht, um das Objekt zu untersuchen. Die beiden gehen locker aber auch vorsichtig an das riesige Panoramafenster.
Marvin hält es hoch. So hoch dass das Licht der untergehenden Sonne noch ausreicht, um das Kreuz zu begutachten.
Plötzlich ist ein summen, ja fast ein brummen zu hören. Als ob sich ein Bienenschwarm nähert. Das Panoramafenster vibriert ganz zart.
„Hey, hey, was ist das? Wo kommt das her?", schreit Lip.
Marvin erschreckt, so dass ihm das Kreuz aus der Hand fällt.
Beide schauen sich erschreckend an. Lip nimmt wieder das Kreuz und hebt es gen Fenster. Sie schauen total aufgeregt in alle bedenkliche Richtungen.
Wieder dasselbe. Ein summen und brummen ist zu hören. Die Jungs bleiben cool. Mittlerweile ist die Sonne untergegangen, ein letztes Abendrot erstreckt sich über den Himmel.
„Komm lass uns gehen."
„Nein, Marvin. Nein.", ordnet Lip an.
Die Herzschläge der Beiden sind fast in der Stille zu hören.
Es herrscht Totenstille.
Nochmal wird das Kreuz an das Panoramafenster gehalten.
Es summt, woher es auch immer kommt.
Lip meint einen Impuls vom Kreuz zu spüren. E sagt aber nichts. Das summen verstummt und es ist ein stärkeres brummen zu vernehmen. Ein mechanisches knarzen ist zu hören, es hört sich fast an wie ein Schrei, ein erbärmliches Heulen von einem Tier, aber mechanisch. Kein menschlicher Schrei würde je so klingen!
„Scheisse, man. Hör auf Lip.", ruft Marvin ängstlich.
Lip ignoriert die Bitte von seinem Freund und hält weiter stand.
Der Boden fängt an sich zu bewegen. Ja es scheint als ob das komplette Fabrikgelände wackelt. Dreck und Staub rieseln von den Decken. Oh Gott!
Lip und Marvin schauen total verängstigt um sich. Alle Richtungen, Ecken und Kanten werden hektisch abgesucht. „Hör auf!", bittet Marvin inständig.
"Geht nicht. Ich mache nichts!", schreit Lip.
Das mechanische Geschrei wird immer lauter, ja fast unerträglich. Das tote Kreuz pulsiert und das immer stärker. In ihm ist ein ganz schwaches Lichtflackern zu erkennen.
Lip wirft es weg. Er hat Angst.
„Was ist hier los mein Gott!", ruft er total verängstigt. Marvin hat auch noch nie so viel Schiss in seinem jungen Leben gehabt wie jetzt.
Und dann trauen beide ihren Augen nicht.
Vor ihnen fängt das Panoramafenster an zu glühen. Ja ein glühen ist zu beobachten. Ein feines zartes Glühen.
Die Vibrationen auf dem gesamten Gelände werden immer stärker und intensiver.
„Was ist wenn die Scheibe zersplittert?", ruft Marvin.
Lip will noch antworten, aber die mechanischen Geräusche, und das Beben werden so laut, dass es keinen Wert mehr hat zu antworten.
Das Fenster vibriert extrem und verzieht sich leicht. Man wartet eigentlich darauf, dass es zersplittert. Müsste es eigentlich.
Doch dann verstummen die Geräusche.
Es herrscht erneut Totenstille.
Plötzlich sind in den leuchtenden Scheiben des Panoramafensters Muster zu erkennen.
Feine dünne, geometrisch angeordnete Linien.
„SchSchSchau mal.", stottert Lip und zeigt auf die Linien.
Sein Gesicht schimmert im Schein der Scheiben.
„Haben wir doch heute Mittag irgendwo gesehen, das Muster."
In der Stille der Nacht merkt nun keiner dass das gefundene, am Boden liegende Artefakt, intensiv pulsiert. Lautlos und schnell, in einem bestimmten Rhythmus.
Es hat auch die Farbe gewechselt. Schimmernd bunt liegt es nun da.
„Das ist das Fabrikgelände.", zeigt Lip auf das Fenster.
„Ja aber schau mal die Anordnung der Hallen!", meint Marvin. „Ich meine schau mal raus.
Wo ist die Halle mit den weißen Strichen?"
Lip staunt nicht schlecht und geht einen Schritt vor an das riesige Fenster, um besser sehen zu können. Er hält die Hand über seine Augen. „Krass!"
Das Panoramafenster schimmert immer noch angenehm weich und warm.
Die Beiden schauen intensiv auf die Linien in den Scheiben und plötzlich geht es wieder los! Die Vibrationen fangen wieder an. Extrem stark. Decken, Boden, Wände, alles vibriert so stark, das man kaum noch stehen kann. Eine leichte Druckwelle passiert den Raum.
„Komm, raus hier!", schreit Lip, greift sich das Kreuz am Boden und zieht gleichzeitig Marvin am Shirt. „Komm!!!"
Mit dem Artefakt in den Händen rennen die Beiden was das Zeug hält und bahnen sich ihren Weg nach draußen. Dort ist alles umhüllt mit Dreck, Staub und Gott weiß was noch.
Ein Nebel zieht sogar auf.
Lip und Marvin bleiben stehen. Sie können nicht mehr.
Sie sind orientierungslos im Moment.
Der Boden bebt.
„Wo ist die Halle hin?"
„Welche Halle?"
„Na die Turbinenhalle, die mit den Strichen."
„Keine Ahnung, zusammengestürzt?"
Hustend und zugleich atemlos stehen die beiden in der Dunkelheit, das pulsierende Etwas fest in der Hand.
Da! Plötzlich ist ein Licht zu vernehmen. Auf der Rückseite der Halle, an der sie gerade stehen.
Langsam bewegen sie sich Richtung Licht. Ganz langsam!
Sie schleichen trotz dem ganzen Getöse ums Eck.
Ein starker nasser Wind ist zudem noch aufgekommen. Wo immer der auch herkommt, in einer mittlerweile sternenklaren Sommernacht.
Beide blicken verängstigt um die Ecke. Ihre Haare wehen wild im Wind und müssen aus den Augen befreit werden, um noch etwas zu sehen.
Langsam dreht sich Lip um die Ecke. Sein Kopf dreht sich ganz langsam hoch und er traut seinen Augen nicht.
Das Licht kommt von den beiden weißen Strichen an der Turbinenhalle. Sie leuchten und pulsieren in einem angenehmen weißen Schein.
„Marvin!“, schreit er. Der Wind wird immer stärker. Papier, Folie, Wellblechteile alles fliegt in der Gegend herum.
„Marvin! Ich glaube es nicht. Das ist die Turbinenhalle! Sie hat sich gedreht!"
„Quatsch, oder?" Marvin wirft ebenfalls einen kritischen Blick um die Ecke. Beide schauen sich ratlos an. Auf dem Werksboden sind eindeutig riesige Spuren einer Drehung zu sehen. Die weißen Striche an der Wand der Halle leuchten immer noch, und es hat den Anschein, dass gleich irgendwas passieren wird. Die riesigen Propeller haben nun auch wieder was zu tun. Sie drehen sich im stürmischen Getöse. Schon bald verstummen die metallischen und höllisch in den Ohren schmerzenden Geräusche.
Ängstlich gehen die Jungs ums Eck. Ein fachmännischer Blick bestätigt: Die Halle hat sich gedreht.
Was geht hier vor sich? Marvin und Lip begreifen nun langsam, dass es hier um mehr als nur ein Naturschauspiel geht. Das hier ist nichts irdisches mehr, bei Weitem nicht! Beide stehen wieder am Eingang der Turbinenhalle. Ein ächzendes Geräusch der Propeller drängt sich in den Vordergrund. Lip hat sich mittlerweile das Artefakt vorne in die Hosentasche gesteckt, wo es schräg hervorschaut. Es pulsiert und leuchtet immer noch. Ein zorniges markerschütterndes Geräusch schleicht sich schließlich final durch das Halleninnere .
Lip springt aus Angst einen Schritt zurück und zieht Marvin mit sich. Der Wind wird wieder stärker, so dass die Beiden sich beugen, und sich mit beiden Händen das Gesicht schützen müssen, da alles mögliche umherfliegt.
„Was war das?", schreit Marvin.
„Weiß es nicht.", brüllt Lip.
Beide sitzen nun wieder rücklings an der Außenwand der Halle.
Plötzlich und auf einen Schlag hört das ganze Getöse auf.
Alles ist still. Teile, die in der Luft waren, fallen in einem Moment auf den Boden. Alle zusammen, wie auf Kommando.
Die ganzen verschiedenen zischenden und polternden Geräusche der fallenden Objekte hallen durch die Nacht. Mal laut, mal leise und dann herrscht die totale Stille.
Lip und Marvin heben ihre Köpfe und schauen sich an.
Ratlos aber hastig stehen sie auf und klopfen sich den ganzen Dreck von den Kleidern.
Das pulsierende Objekt ist immer noch in seiner Hosentasche.
Während dem Abklopfen der Kleider bemerken die Beide ein zusätzliches Leuchten in der Halle. Ein zartes Summen ist zu hören, fast ist es schon ein zischen.
Sie betreten die Halle. Der Boden ist ungewöhnlich weich.
„Da, schau mal." Lip zeigt mit dem Finger auf etwas.
In der Mitte der Halle steht ein Gestell, nicht groß. Wie ein Wäscheständer, nur quer auf der Seite liegend .Links und rechts jeweils ein Stab. Diese zwei Stäbe sind mit ganz dünnen, ja fast unsichtbaren Schnüren oder gar Linien verbunden. Auf ihnen befinden sich eine Art einfarbige, eher dunkle Tropfen, die die Umgebung spiegeln. Diese umschließen die Linie und scheinen sich zu bewegen. Ja es ist fast so, als würden sie Atemzüge machen. Geschätzt etwa 20 Stück. Das ganze ist nicht groß, etwa die Größe eines normalen Kühlschranks „Wo kommt das jetzt her?"
„Keine Ahnung. Ich warte jetzt eigentlich nur noch drauf, dass uns eine Fee erscheint und wir drei Wünsche frei haben.", witzelt Lip und nähert sich behutsam dem Gestell.
Es hat "geile" Farben, würde man heutzutage sagen.
Ja es schimmert metallisch und die Farben sind eher so in Darkgrün mit Lila vermischt. Manchmal auch scheinen sie Rosa und bewegen sich. Die Farben verlaufen ineinander und sind ständig in Bewegung.
„Träumen wir? Was ist hier los? Sind wir in einem gemeinsamen Traum?" Lip gibt Marvin einen leichten Schlag auf den Hinterkopf.
„Nein, wohl nicht."
Je näher Lip an das Gestell kommt, das wie es scheint mit dem Boden verbunden ist, umso mehr pulsieren die Tropfen und verändern auch ihre Form.
Lip schaut ungläubig auf Marvin. Er hebt die Schultern und sagt fast ratlos und entschuldigend: „Was wollen die von uns?"
Der Hallenboden scheint sich immer mehr zu bewegen, eine schwimmende Bewegung macht das stehen darauf immer schwerer.
Marvin zeigt auf das Artefakt. „Das! wollen die. Wer immer es auch ist." Lip schaut aufgeregt auf Marvin und greift in seine Hosentasche.
Fast schon majestätisch, mit dem Artefakt in der Hand steht Lip vor dem Gestell im Lichterschein. Die tanzenden Tropfen auf den Gestelllinien verändern sich plötzlich. Ja sie werden aufgeregt, länglich, als ob jemand daran zieht. Lip schaut Marvin verängstigt an. Der Schweiß läuft ihm die Stirn runter und das bunte schimmern des Gestells spiegelt sich in seinem feuchten Gesicht.
Die Tropfen verwandeln sich in längliche dünne Arme oder Äste, fast wie Spinnenbeine.
Immer dünner und länger werden sie und greifen nach dem Artefakt.
Marvin geht ein paar Schritte zurück. Es ist ganz Still, nicht mal die Erdbewegungen in der Halle sind zu hören.
Zögernd aber ruhig hält Lip das Artefakt oder auch Kreuz Richtung der Tropfen, die sich mittlerweile in ein wildes, aber zahmes züngeln verwandelt haben. Ganz dünn und wild sind sie mittlerweile. Sie wollen das Kreuz!
Lip reicht es mit zitternden Händen immer näher. Fast schon berühren die dünnen wilden Äste seine Hand.
Die Tropfen sind jetzt nur noch ein Wirrwarr, wie Spaghetti kann man sagen, fast gar nicht mehr zu erkennen.
Aber dann, plötzlich, legt sich einer dieser feinen dünnen Äste ganz behutsam um Lips Handgelenk und fixiert somit die Hand. Lip atmet ruhig aber dennoch aufgeregt . Die Hand ist offen, das Artefakt pulsiert und es scheint Atembewegungen zu machen. Es gleicht nun fast schon einer Libelle.
Die anderen umherwirrenden Äste fuchteln immer wilder um das Artefakt und Lips Hand. Immer schneller, wie in einem Zeitraffer sieht es aus. Sie schlagen auf und um das Artefakt ein. Nur noch ein Züngeln und Zischen ist in der Stille der Nacht wahrnehmbar.
Plötzlich lösen sich die dünnen Äste vom Gestell und wirbeln nun nur noch um Lips Hand. Man kann nicht mehr erkennen, was da jetzt genau passiert. Immer schneller, immer wilder geht es voran.
Marvin schaut ängstlich auf Lip. „Alter!", ruft er aufgeregt.
Dann plötzlich fegt eine Druckwelle durch die Halle. Die Jungs können kaum gegenhalten. Staub wird aufgewirbelt. Die Äste an Lips Hand jedoch lassen sich nicht durch die Druckwelle beeindrucken. Sie weisen keinerlei Bewegung mehr auf, fallen einfach ab und versinken im Boden.
Das nun leere Gestell fällt einfach in sich zusammen und zerfällt in ein Pulver.
Lip schaut auf seine Hand. Das Artefakt ist noch zu erkennen. Es ist in Asche zerfallen. Lip wirkt abwesend und ferngesteuert. Da jetzt ein leichtes Brennen auf seiner Hand zu spüren ist, will er sie umdrehen um die Asche zu entfernen.
Langsam, wie in Zeitlupe, dreht er die Hand und die Asche rutscht herunter. Er wirkt wie hypnotisiert. Marvin ist komplett sprachlos und sieht nur noch zu.
Die von der Hand rutschende Asche bleibt noch als Artefakt sichtbar. Sie gleitet, ja schwebt fast zu Boden, und zerfällt komplett in einer kleinen, kaum sichtbaren Wolke. Ein friedliches Gefühl des Glücks durchfährt Lips Körper, fast wie ein zarter Stromschlag.
Marvin schaut zu Lip und umgekehrt. „Alles klar?"
„Alles klar!"
„Los, weg hier, wer weiß was noch kommt."
Die Vibrationen fangen wieder an. Das gefundene Kreuz hat etwas in Gang gesetzt, ausgelöst. Der Boden bebt leicht und die Jungs fangen an zu laufen was das Zeug hält. Sie merken plötzlich, dass der Boden unter ihnen nachgibt und zerfällt.
Sie rennen und rennen, hinter ihnen wird es nur noch staubig. Ein Dröhnen und Ächzen dringt wieder durch die Nacht.
Sie erreichen keuchend und hustend das Äußere der Halle.
Ein dumpfer Doppelknall ertönt, bevor alles verstummt.
Staubwolken ziehen an ihnen vorbei. Dann erreicht sie eine angenehme Wärme. Sie kommt aus der Halle. Eingepackt in warmes Licht. Lip und Marvin drehen sich behutsam um.
Offene Münder, weit aufgerissene Augen, sie können es nicht glauben. Der ganze
Hallenboden ist voll mit wundervoll leuchtenden Pflanzen und Blumen ähnelnden Objekten. Alle miteinander verbunden und vernetzt. Ein gigantisches Feld. Es sind aber keine normalen Pflanzen. Sie wirken wir eine organische Substanz aus metallischem Gewebe. Zackig und eckig, aber geometrisch perfekt in einem seichten Glanz. Nicht von dieser Welt. Plötzlich zieht ein riesiger Impuls des ganzen Feldes in Richtung Außenseite der Turbinenhalle.
Es ertönt ein Zischen, wie von einer Silvesterrakete, nur anders. Die zwei weißen Streifen an der Außenwand schießen jeweils ein breites Licht in den Boden, anschließend in den Himmel. Der Boden fängt das Licht auf und es fließt weiter in alle anderen Hallen des Fabrikgeländes. Es geht noch weiter! Über Straßen, Wiesen und Felder. In andere Dörfer und Städte. Überall dort, wo abseits verlassene Fabriken oder auch Gebäude stehen, passiert das Gleiche. Es verteilt sich über die ganze Erde. Ein Netzwerk außerirdischer Technologie aktiviert sich rasend schnell über den ganzen Planeten. Überall sieht man plötzlich zwei Lichter, die parallel in den Himmel strahlen und darüber hinaus.
Überall in verlassenen Hallen und Gebäuden auf der ganzen Erde öffnen sich Böden und die außerirdischen Pflanzen erstrahlen in warmem buntem Licht. Die Lichtstrahlen die gen Himmel rasen, eilen letztendlich in eine bestimmte Richtung in die Weiten des Alls. Diese Verbindung läuft ruhig, friedlich, aber bestimmt ab.
Überall auf der ganzen Welt gehen Meldungen über diese Phänomene ein. Überall steht alles still. Es werden nur noch der leuchtende Himmel und die Gebäude beobachtet. Eine Außerirdische Technologie, die vor Zeiten installiert wurde, ist nun aktiviert und erwacht. Schon bald werden die Streifen im All reflektiert und kommen als bestätigendes Signal aus einer bisher unbekannten Galaxie auf der Erde an. Die weißen Streifen an der Turbinenhalle sind die Signalgeber und überbringen die Botschaft der Kontaktaufnahme. Der weitere Kontakt mit der noch unbekannten Zivilisation steht nun bevor.
Lip und Marvin, die stillen Helden und Finder des verlorenen Artefakts, verschwinden in der dunklen, aber dennoch leuchtenden Ruhe der Nacht.
In dieser lauen Sommernacht in Aschenfeld, steht für einen Moment die Zeit auf der ganzen Erde still.
Wer waren die Zwillinge ?
Sprachlich stellenweise nachlässig, wenn nicht sogar ungelenk, finden sich einige hübsche Ideen in dieser Geschichte. Absätze, Zeichensetzung und fehlende Sorgfalt beim Sprecherwechsel stören mich beim Lesen. Belehrend war der Text nicht, was ich als positiv herausstellen möchte.
AntwortenLöschenEin Lost Place der besonderen Art. Der leider im Sumpf sprachlicher, stlistischer und perspektivischer Schwächen versinkt. Vor allem aber ist/geschieht da ein Wunder und das macht nichts mit den beiden "Jungs". Die stapfen da durch, finden den Schlüssel (den vor ihnen niemand gefunden hat, obwohl die Örtlichkeiten ausgeplündert sind) und whuuuums, ist die andere Welt allüberall auf der Welt da, und die "Jungs" wissen nicht mal, dass sie Helden sind. Denen fällt ja nicht Mal auf, dass sie offenbar mehr Zeit in dem gehäuse verbracht haben, als es nach den Beschreibungen gewesen sein dürfte (es riecht noch nach morgendlichen Regen, als es an der Tür BUMMERT, am Ende des Textes verschwinden die Zwei in der dunklen (aber dennoch leuchtenden?) Ruhe der Nacht. Es mag ja sein, dass das Gehäuse die Menschen massiv zu beeinflussen vermag (anders wäre auch das irgendwie schlafwandlerisch vorgenommene Ausräumen kaum möglich gewesen), aber gerade dieser spannende Aspekt baut sich in keiner Weise auf. Kurz: Eine sehr schöne Idee, die für mich überhaupt nicht umgesetzt wurde.
AntwortenLöschenAlter Schwede! Ich musste die Geschichte dreimal lesen, weil sie so verworren ist. Aber sie ist apart. Nur den letzten Satz habe ich nicht verstanden. Die Zwillinge waren die Inhaber - aber wohl auch schon Ausserirdische? Was meinen die anderen, die hier ihre Meinung kund tun?
AntwortenLöschenDer Autor/die Autorin ist nicht firm in Interpunktion und Gross-/Kleinschreibung, was den Lesefluss stört. Aber ich finde es mutig, dass auch Leute bei diesem Wettbewerb mitmachen, die wahrscheinlich zum ersten Mal mit einer eigenen Geschichte in die Öffentlichkeit gehen.
Beeindruckend spannend und plastisch geschrieben. Mit der verwendeten Perspektive bin ich nicht ganz Freund, aber sei es drum. Nur die Auflösung war irgendwie, wie eine Notbremse. Da geht doch noch was.
AntwortenLöschenFinde die Beschreibungen in der Geschichte toll. Leider muss ich mich dem Vorredner bzw. Schreiber anschließen - das Ende kommt etwas wie Kai aus der Kiste.
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